Das “Klushuizen” in der Uhlandstraße 25

Das “Klus­hui­zen” in der Uhland­stra­ße 25

Die Städ­ti­sche Woh­nungs­ge­sell­schaft Bre­mer­ha­ven mbH (Stä­wog) hat im Sep­tem­ber 2020 das “Klus­hui­zen” in der Uhland­stra­ße 25 gekauft. Der­zeit ent­kernt die Stä­wog das Gebäu­de und saniert das Trep­pen­haus, die Fas­sa­de sowie die Fens­ter und das Dach. Neue Bal­ko­ne wer­ten das Haus zusätz­lich auf.

"Klushuizen" in der Uhlandstraße 25

Auch die Haus­tech­nik wird rund­um erneu­ert. Danach wer­den die Eigen­tums­woh­nun­gen im Roh­bau ver­kauft. Im Anschluss an die­se aus dem Lan­des­pro­gramm “Revi­ta­li­sie­rung von auf­ge­ge­be­nen Immo­bi­li­en” geför­der­ten Maß­nah­men wer­den die Woh­nun­gen verkauft.

"Klushuizen" in der Uhlandstraße 25

Wohnungseigentümer übernehmen den Ausbau

Die ehe­ma­li­ge Schrott­im­mo­bi­lie in der Uhland­stra­ße bie­tet Inter­es­sen­ten die Chan­ce, in dem sanier­ten Gebäu­de die nicht aus­ge­bau­ten Woh­nun­gen zu einem güns­ti­gen Preis kau­fen zu kön­nen. Den Innen­aus­bau füh­ren die neu­en Eigen­tü­mer ihren Vor­stel­lun­gen ent­spre­chend in Eigen­leis­tung durch. Natür­lich kön­nen sie die Arbei­ten auch von einer Fir­ma aus­füh­ren las­sen. Das “Klus­hui­zen” in der Uhland­stra­ße 25 soll zehn Fami­li­en eine eige­ne Woh­nung bieten.

"Klushuizen" in der Uhlandstraße 25

Rotterdamer Projekt „Klushuizen“

In Rot­ter­dam wur­de ein Pro­jekt staat­lich geför­dert, um Pro­blem- und Schrott­im­mo­bi­li­en in von Woh­nungs­leer­stand gepräg­ten Quar­tie­ren wie­der bewohn­bar zu machen. Aus die­sem Pro­jekt lei­tet sich der hol­län­di­sche Begriff “Klus­hui­zen” (deutsch: “Bas­tel­häu­ser”) ab. Woh­nun­gen in ver­nach­läs­sig­ten Häu­sern wur­den von der Stadt auf­ge­kauft und in unsa­nier­tem Zustand zu einem sehr güns­ti­gen Preis an Men­schen wei­ter­ver­kauft, die die Reno­vie­rung in Eigen­re­gie und nach ihren eige­nen Vor­stel­lun­gen durch­füh­ren. Im Gegen­zug ver­pflich­ten sich die neu­en Eigen­tü­mer, die Woh­nun­gen in einem ver­ein­bar­ten Zeit­raum zu reno­vie­ren und drei Jah­re selbst zu bewohnen. 

"Klushuizen" in der Uhlandstraße 25

Junge Neubürger für das Goethquartier

Mit dem “Klus­hui­zen” sol­len jun­ge Men­schen in das Goe­the­quar­tier “gelockt” wer­den. Dar­um soll­ten die Kauf­in­ter­es­sen­ten nicht älter als 35 Jah­re sein. Gleich um die Ecke steht in der Goe­the­stra­ße das Krea­tiv­haus 45 mit sei­ner Gale­rie “Goe­the 45”.
Quel­len:
M. Wes­so­low­ski: “Lou­is wird wei­ter schick gemacht”, Nord­see-Zei­tung v 22.01.2021
Bre­mi­sche Bür­ger­schaft Druck­sa­che 20/573
Bremerhaven.de
Stä­wog-Maga­zin 07/2020

Die Görlitzer Kürschnerfamilie Thorer

Die Görlitzer Kürschnerfamilie Thorer

Die Gör­lit­zer Kürsch­nerfami­lie Thorer begrün­de­te den welt­wei­ten Rauch­wa­renhan­del in Leip­zig mit der Fir­ma Theo­dor Thorer, des­sen Wur­zeln in Gör­litz lagen. Das Gör­lit­zer Monats­jour­nal Stadt­BILD hat in sei­ner Aus­ga­be Nr. 63 vom Sep­tem­ber 2008 einen Auf­satz von Herrn Wolf­gang Stil­ler über die Gör­lit­zer Kürsch­ner­fa­mi­lie Thorer veröffentlicht:

Johann Caspar Thorer

Nicht nur so bekann­te Fir­men­grün­der oder Inha­ber wie Lüders, Rau­pach, Fischer, Kör­ner und Krau­se & Söh­ne präg­ten die wirt­schaft­li­che Ent­wick­lung der Stadt. Auch weni­ger bekann­te Per­sön­lich­kei­ten wie Com­mer­zi­en­rat, Stadt­rat und Stadt­äl­tes­ter Carl Juli­us Geiß­ler (Tex­til­fa­bri­kant) und sein Bru­der Ernst Fried­rich Geiß­ler (Vier­raden­müh­le und Braun­koh­len­gru­be Berz­dorf), die Kauf­leu­te Adolph Webel und Stadt­rat Felix Webel — um nur eini­ge zu nen­nen — soll­ten nicht in Ver­ges­sen­heit geraten.

Eine sol­che Fami­lie, die auch in der Stadt Gör­litz Beacht­li­ches geleis­tet hat, ist die Gör­lit­zer Kürsch­ner­fa­mi­lie Thorer. Die Fami­lie Thorer lässt sich bis 1618 zurück­ver­fol­gen. Ihr Ursprung liegt in Gera.

Tobias Friedrich Thorer auf Wanderschaft nach Görlitz

Ein Sohn von Johann Cas­par Thorer, Kürsch­ner­meis­ter in Gera (1698 — 1768), kam im Rah­men sei­ner Wan­der­schaft nach Gör­litz. Es war der Kürsch­ner­ge­sel­le Tobi­as Fried­rich Thorer (21.4.1732 — 22.5.1800).

Die Stadt mach­te auf ihn einen so wenig güns­ti­gen Ein­druck, dass er erklär­te, kei­ne 24 Stun­den blei­ben zu wol­len. Er muss aber bald ande­rer Ansicht gewor­den sein, denn als der Kürsch­ner­meis­ter Pabst­lö­be nach der Her­ber­ge um einen Gesel­len schick­te, nahm er nicht nur die Stel­le an, son­dern ver­hei­ra­te­te sich auch im April 1755 mit des­sen Toch­ter und ließ sich als Kürsch­ner­meis­ter in Gör­litz nie­der. Durch aus­ge­zeich­net fach­li­ches Kön­nen wur­de er als Obe­räl­tes­ter der Kürsch­ner­meis­ter in Gör­litz gewählt. 

Fischmarkt 8

Sei­ne Werk­statt befand sich am Fisch­markt 8. Fisch­markt 8 bestand ursprüng­lich aus zwei Häu­sern, näm­lich den Hypo­the­ken-Num­mern 57 und 58. Im öst­li­chen Haus (Hypo­the­ken-Num­mer 57) wohn­te Tobi­as Fried­rich Thorer.

Aus sei­ner Ehe gin­gen vier Söh­ne her­vor. Von die­sen waren drei Kürsch­ner­meis­ter in Görlitz:

Ima­nu­el Fried­rich Thorer (26.4.1772 — 19.3.1813) über­nahm das Geschäft sei­nes Vaters. Ima­nu­el ehe­lich­te Johan­ne Chris­tia­ne Geiß­ler, die Toch­ter des Tuch­wal­kermeis­ters Johann Gott­fried Geiß­ler (1734 — 1808). Johann Gott­fried Geiß­ler war der Groß­va­ter des Tuch­fa­bri­kan­ten Com­mer­zi­en­rat, Stadt­rat und Stadt­äl­tes­ten Carl Samu­el Geiß­ler und des­sen Bru­der Ernst Fried­rich Geiß­ler, Inha­ber der Vier­ra­demüh­le und des Braun­koh­le­wer­kes Berzdorf.

Handwerk 7

Carl Hein­rich Thorer (24.8.1756 — 23.4.1833), Kürsch­ner­meis­ter, war ein wei­te­rer Sohn von Tobi­as Fried­rich Thorer. Er war ver­ehe­licht mit Sophie Eleo­no­re, gebo­re­ne Schüss­ler. Sei­ne Kürsch­ner­fir­ma begrün­de­te er im Hand­werk 7 (Hypo­the­ken-Num­mer 362). Die­ses Geschäft hat er gemein­sam mit sei­nem Sohn Natha­na­el Hein­rich Thorer (19.5.1801 — 30.8.1849) betrie­ben. Natha­na­el war eben­falls Ältes­ter der Kürsch­ner­meis­ter in Görlitz.

Samuel Timotheus Fürchtegott Thorer studierte Medizin

Der zwei­te Sohn von Carl Hein­rich Thorer war Samu­el Timo­theus Fürch­te­gott Thorer, (25.4.1785 — 25.6.1846). Die­ser besuch­te zunächst das Gym­na­si­um in Gör­litz. Nach dem Abitur begab er sich 1815 auf die Uni­ver­si­tät Leip­zig und stu­dier­te Medi­zin. Er nahm auch Vor­le­sun­gen in Bota­nik, Zoo­lo­gie, Mine­ra­lo­gie, Che­mie, Phy­sik und Phi­lo­so­phie wahr.

Um sei­ne prak­ti­sche Aus­bil­dung zu voll­enden, ging er Ende 1817 nach Ber­lin und lern­te bei Hufe­land, Horn und Lie­bold. Das medi­zi­nisch-chir­ur­gi­sche Examen bestand er am 12.5 1918 mit vor­züg­li­chem Ergeb­nis. Im glei­chen Jahr erwarb er auch den Doktortitel.

Zurück­ge­kehrt nach Gör­litz ließ sich Dr. Thorer als prak­ti­scher Arzt, Ope­ra­teur und Geburts­hel­fer nie­der. Er bedien­te sich auch zuneh­mend der homöo­pa­thi­schen Heil­me­tho­de, zu der sich ver­schie­de­ne Ärz­te Schle­si­ens  und der Ober­lau­sitz zu einem Ver­ein zusam­men­schlos­sen. In sei­ner Eigen­schaft als Vor­sit­zen­der die­ses Ver­ei­nes publi­zier­te er meh­re­re Bän­de Fachbücher.

Er begrün­de­te eine Fami­lie mit Anna Caro­li­ne gebo­re­ne Eich­holz. Aus die­ser Ehe gin­gen zwei Töch­ter hervor.

Dr. Thorer wur­de 1820 Mit­glied der Ober­lau­sit­zi­schen Gesell­schaft der Wis­sen­schaf­ten zu Gör­litz. Er wur­de bald danach Mit­glied des die Ver­wal­tung lei­ten­den Aus­schus­ses der Gesell­schaft. Im Jah­re 1833 wur­de Dr. Thorer Direk­tor der Gesell­schaft. Die­ses Amt führ­te er durch Wie­der­wahl bis zum Jah­re 1841 aus. Dr. Thorer gab ver­schie­de­ne Fach­bei­trä­ge her­aus, und es befin­den sich im Neu­en Lau­sit­zi­schen Maga­zin (NLM) zahl­rei­che Ver­öf­fent­li­chun­gen. Dr. Thorer ver­starb am 25. Juni 1845. Er wur­de am 28. Juni auf dem Nico­lai- Fried­hof beigesetzt.

Mitglied der Kürschnerfamilie Thorer wurde zum Stadtältesten ernannt

Ernst Friedrich Thorer

Aus der Ehe von Imma­nu­el Fried­rich Thorer gin­gen eben­falls 3 Söh­ne hervor.

Sein Sohn Ernst Fried­rich Thorer (20.3.1799 — 1.7.1878) erfreu­te sich einer güns­ti­gen Ver­mö­gens­la­ge. Er genoss nicht nur bei den Mit­glie­dern der Kürsch­ne­rin­nung, die ihn zum Ältes­ten der Kürsch­ner­meis­ter ernann­ten, gro­ßes Anse­hen. Auch bei der Gör­lit­zer Bür­ger­schaft im all­ge­mei­nen, da er als Mit­glied des Magis­trats der Stadt an der Ver­wal­tung sei­ner Hei­mat­stadt sehr regen Anteil nahm. Sei­ne Ver­diens­te wur­den dann auch durch die Ernen­nung zum Stadt­äl­tes­ten aner­kannt. Ernst Fried­rich erwarb im Jah­re 1825 das Grund­stück Brü­der­stra­ße 15 mit der Hypo­the­ken-Num­mer 15, und er bau­te das gan­ze Haus um. Im Jah­re 1843 kauf­te Ernst Fried­rich das Grund­stück Ober­markt 6/Ecke Stein­stra­ße. Bis 1803 war die­ses Gebäu­de ein ein­drucks­vol­ler Barock­bau (erbaut um 1680). 1803 fie­len die Gie­bel. Im Jah­re 1844 bau­te Ernst Fried­rich Thorer die­ses Gebäu­de von Grund auf neu, so wie es heu­te noch steht.

Brüderstraße 15

Im Jah­re 1854 wur­de das Grund­stück an sei­nen Sohn Theo­dor Ernst Thorer (26.5.1828 — 30.3.1894) ver­kauft. Die­ser ver­kauf­te das Grund­stück 1863 an sei­nen Schwa­ger, den Kauf­mann Fer­di­nand Walter.

Zugleich waren durch den Umbau von Ober­markt 6 auch die Grund­stü­cke Stein­stra­ße 1 und Stein­stra­ße 2 in sei­nen Besitz gelangt. Die letz­te Woh­nung von Ernst Fried­rich befand sich Grü­ner Gra­ben 9.

Obermarkt Ecke Steinstraße Kürschnerfamilie Thorer

Dabei läßt sich bei Richard Jecht in sei­ner Topo­gra­phie auf Sei­te 641 fol­gen­de Epi­so­de nach­le­sen: “Als im Jah­re 1848 die obe­re Lan­gen­gas­se durch Abbruch der Stadt­mau­er eine Öff­nung nach Wes­ten erhielt, da fass­ten weit­sich­ti­ge Män­ner wie Mau­rer­meis­ter Kieß­ler, Kürsch­ner­meis­ter Thorer, Stef­fel­bau­er und Ernst Her­mann Beschee­rer (Braue­rei­be­sit­zer Son­nen­stra­ße, jet­zi­ges Finanz­amt) den Ent­schluss, eine nähe­re Ver­bin­dung nach der Teich- und Brun­nen­stra­ße her­zu­stel­len. Sie lie­ßen beim Bau ihrer Häu­ser in den Jah­ren 1857 — 1862 für eine regel­mä­ßi­ge Stra­ßen­an­la­ge Raum und wand­ten sich 1860 an den Magis­trat um Ein­rich­tung einer öffent­li­chen Stra­ße (Son­nen­stra­ße).

Der Magis­trat erkann­te kein öffent­li­ches Bedürf­nis einer Stra­ße und ließ zeit­wei­se die Stra­ße für den öffent­li­chen Ver­kehr sper­ren und stell­te noch schwers­te Bedin­gun­gen an deren Anlie­ger. Da der Magis­trat eine öffent­li­che Benen­nung der Stra­ße ver­wei­ger­te, wur­de die­se durch die Bau­her­ren Pri­vat­stra­ße genannt. Erst im Jah­re 1868 fin­det man im Adress­buch den Namen Son­nen­stra­ße. Damit muß sich die Fami­lie Thorer als eine der vier Bau­her­ren an der Ein­rich­tung der Son­nen­stra­ße betei­ligt haben.

Folgt man dem Gör­lit­zer Hypo­the­ken­ver­zeich­nis von 1855, so wer­den auch für die Grund­stü­cke Grü­ner Gra­ben Num­mer 2 — 9 als Besit­zer Thorer/Frenzel ange­ge­ben. Wei­te­re Grund­stü­cke — wie bereits genannt Ober­markt 6, Stein­stra­ße 1, Schan­ze 14 und Som­mer­gas­se 4 — waren im Besitz die­ser Fami­lie (Som­mer­gas­se seit 1871 Moltkestraße).

Ecke Steinstraße Kürschnerfamilie Thorer

Ernst Fried­rich Thorer, noch rüs­tig in den bes­ten Man­nes­jah­ren, über­gab im Jah­re 1853 das Geschäft sei­nem Sohn, dem Kürsch­ner­meis­ter Theo­dor Ernst Thorer (26.5.1828 — 30.3.1894). Grün­de der Geschäfts­über­ga­be waren unter ande­rem die Ansprü­che, wel­che ande­re Unter­neh­mun­gen und sei­ne gemein­nüt­zi­ge Tätig­keit an sei­ne Per­son stell­ten. Ande­rer­seits woll­te er dem Ver­lan­gen sei­nes Soh­nes ent­ge­gen­wir­ken, nach Ame­ri­ka aus­zu­rei­sen, und ihn somit an sei­ne Hei­mat fesseln.

Theodor Ernst Thorer hatte das bedeutendste Geschäft am Platz 

Das Kürsch­ner­ge­schäft war das bedeu­tends­te in Gör­litz. Es betrieb nicht aus­schließ­lich die Kürsch­ne­rei son­dern ver­sorg­te auch die Kürsch­ner­meis­ter in Gör­litz und Umge­bung mit Rauch­wa­ren. Zu deren Ein­käu­fen hat­te schon sein Vater Ernst Fried­rich die Leip­zi­ger Mes­se regel­mä­ßig besucht.

Theo­dor Ernst hat­te sei­ne Aus­bil­dung nicht nur in der Hei­mat son­dern auch in frem­den Län­dern — vor allem in Frank­reich und Eng­land — genos­sen. In einem Brief an sei­nen Vater vom 27. Juni 1831 berich­te­te er von sei­nen Erleb­nis­sen auf sei­nen Stu­di­en­rei­sen, die ihn nach Lon­don, Lyon, Turin und Mai­land sowie über Vene­dig, Tri­est und Wien führten.

Nach der Geschäfts­über­nah­me besuch­te Theo­dor im Herbst 1853 erst­mals auf eige­ne Rech­nung die Leip­zi­ger Mes­se. Im dar­auf fol­gen­den Jah­re, genau 100 Jah­re nach­dem sein Urgroß­va­ter Tobi­as von Gera nach Gör­litz über­ge­sie­delt war, fuhr er von Gör­litz nach Gera, um Emma Hoff­mann als sei­ne Ehe­frau heimzuführen.

Theodor Ernst Thorer

Sei­ne Ehe­frau war eben­falls an der guten Ent­wick­lung des Geschäfts betei­ligt. Ins­ge­samt gebar sie 8 Kin­der, 7 Söh­ne und eine Toch­ter (4 davon in Gör­litz gebo­ren). An ihrem Lebens­abend kam sie in den Genuss von 7 Enkeln und 5 Urenkeln.

Die Freun­de von Theo­dor Thorer hat­ten ihren Weg nach Kana­da genom­men und sich in Mont­re­al ansäs­sig gemacht, wel­ches sich spä­ter als Glücks­um­stand für Theo­dor Ernst erwei­sen soll­te. In Mont­re­al grün­de­ten sie die Fir­ma Hae­us­gen & Gnae­din­ger, wel­che sich mit der Fabri­ka­ti­on von Pelz­werk im Groß­be­trieb befass­te. Zur Beschaf­fung ihres Bedarfs an euro­päi­schen und asia­ti­schen Fel­len wand­ten sich die­se an ihren Freund Theo­dor in Gör­litz. Das ver­an­lass­te ihn zu wei­te­ren Rei­sen, vor­nehm­lich nach Leipzig.

Die stän­di­gen Rei­sen berei­te­ten der Füh­rung sei­nes Geschäfts durch län­ge­re Abwe­sen­heit grö­ße­re Pro­ble­me. Hin­zu kam, ein Kürsch­ner­ge­schäft zur dama­li­gen Zeit in einer Pro­vinz­stadt zu füh­ren, stell­te kei­ne gro­ßen Ansprü­che. Und Theo­dor genoss auf sei­ne vie­len Rei­sen das Flair der Groß­städ­te Euro­pas mit ihren groß­zü­gi­gen Ver­hält­nis­sen. All das ver­an­lass­te ihn, das vom Vater über­nom­me­ne Geschäft 1862 an sei­nen Werk­füh­rer zu über­ge­ben, der es noch vie­le Jah­re unter der Fir­ma J. Wag­ner, Theo­dor Thorer Nachf. in Gör­litz führte.

Kürschnerfamilie Thorer begründet weltweites Unternehmen

Theo­dor Thorer selbst aber sie­del­te 1862 mit Frau und 4 Kin­dern noch vor der Oster­mes­se (die Leip­zi­ger Rauch­wa­ren­mes­se fand immer zu Ostern statt) nach Leip­zig-Goh­lis über. In Leip­zig eröff­ne­te er anfäng­lich in der Rauch­wa­ren­hal­le die Rauch­wa­ren­fir­ma Theo­dor Thorer, die sich als­bald zu einem welt­wei­ten Unter­neh­men ent­wi­ckel­te, wie ich an spä­te­rer Stel­le berich­ten werde.

Die ein­gangs genann­te Freund­schaft nach Kana­da ent­wi­ckel­te sich in der Fol­ge­zeit zu engen Geschäfts­be­zie­hun­gen. So erhielt Theo­dor von sei­nen Freun­den kana­di­sche Fel­le in Gegen­rech­nung, nament­lich Bisam, Biber, Otter, Ner­ze und Zobel. In den kom­men­den Jah­ren ent­wi­ckel­te sich aber vor­ran­gig der Per­sia­ner­pelz­han­del (Kara­kul- und Astra­ch­a­n­er­scha­fe und Breit­schwän­ze) zum Hauptgeschäft.

Der Bedarf dazu wur­de auf Mes­sen in Nisch­nij-Now­go­rod und Mos­kau, aber auch direkt aus Bucha­ra, Astra­chan und Afgha­ni­stan gedeckt. (Die Haupt­zucht­ge­bie­te lie­gen in Zen­tral­asi­en in Usbe­ki­stan — Bucha­ra — Turk­me­ni­stan, in Tei­len von Tadschi­ki­stan — in Euro­pa aber auch in der Ukrai­ne und in Mol­da­wi­en, in Afgha­ni­stan sind die Haupt­zucht­ge­bie­te in den Pro­vin­zen Anhol, Masar-i-Sche­rif, Mai­me­ne, Schi­berg­han, Acht­scha, Tasch­kurg­han, Kun­dus und Herat.) So betrug die Gesamt­ein­fuhr von Rauch­wa­ren auf dem Han­dels­platz Leip­zig um 1864 160 Mil­lio­nen Mark, und dar­an hat­ten asia­ti­sche Per­sia­ner­fel­le einen Anteil von 1.100.000 Stück.

Firmensignet Theodor Thorer

Paul Albert Thorer übernimmt die Geschäfte

In der Fol­ge­zeit tra­ten die Söh­ne von Theo­dor in das Geschäft ein:

Zunächst der ältes­te Ernst Alfred, 1855 in Gör­litz gebo­ren und 1910 in Leip­zig-Leutsch verstorben.
1875 hat­te sich sein zweit­äl­tes­ter Sohn Kurt Theo­dor, 1856 in Gör­litz gebo­ren (gestor­ben 14.11.1918), im Geschäft als Teil­ha­ber betätigt.
Ostern 1876 trat der drit­te Sohn Paul Albert, am 5.3.1858 eben­falls in Gör­litz gebo­ren, als Teil­ha­ber in die Fir­ma ein.

Um sei­ne Geschäf­te in Russ­land ordent­lich füh­ren zu kön­nen, erlern­te Paul Albert die rus­si­sche Spra­che und fuhr 1881 zum ers­ten Male zur Rauch­wa­ren­mes­se nach Nisch­nij-Now­go­rod zum Ein­kauf. Nach­dem sei­ne 3 ältes­ten Söh­ne am 1. August 1883 als Teil­ha­ber der Fir­ma ein­ge­tra­gen wur­den, zog sich Theo­dor Thorer am 27. Mai 1892 in das Pri­vat­le­ben zurück.

In der Fol­ge­zeit zogen sich auch die älte­ren Geschwis­ter aus dem Unter­neh­men zurück, so dass die gesam­te Last des Geschäfts auf den allein ver­blie­be­nen Paul Albert gefal­len ist. Für sei­ne Ver­diens­te bei der wirt­schaft­li­chen Ent­wick­lung im König­reich Sach­sen wur­de Paul Albert Thorer vom Säch­si­schen König mit dem Titel König­li­cher Kom­mer­zi­en­rat geehrt.

In der Fol­ge­zeit ent­wi­ckel­te sich die Fir­ma zu einem wich­ti­gen Unter­neh­men im welt­wei­ten Rauch­wa­ren­han­del mit Nie­der­las­sun­gen in New York und Lon­don und Ver­tre­tun­gen in Ber­lin, Wien, Lon­don, Paris, Mai­land und Brüs­sel. Erwäh­nens­wert wäre noch, dass sich die Fir­ma Theo­dor Thorer gro­ße Ver­diens­te damit erwor­ben hat, mit Ori­gi­nal-Zucht­ma­te­ri­al von Kara­kul-Scha­fen (Per­sia­ner) aus Bucha­ra in der dama­li­gen deut­schen Kolo­nie Süd­west­afri­ka die­se Ras­se ein­zu­bür­gern und zu züch­ten. Dank der guten Bezie­hun­gen des deut­schen Kai­sers zum rus­si­schen Zaren wur­den nach und nach 820 Kara­kul-Mut­ter­scha­fe und Böcke aus Usbe­ki­stan nach Deutsch-Süd­west­afri­ka geliefert.

Nach anfäng­li­chen Rück­schlä­gen ent­wi­ckel­te sich die Per­sia­ner­zucht in Süd­afri­ka sehr erfolg­reich. Das Export­vo­lu­men an Fel­len betrug bis zu 25% der Gesamt­ex­port­ergeb­nis­se des Lan­des. Dies war auch für den Leip­zi­ger Rauch­wa­ren­markt wäh­rend des und nach dem 1. Welt­krieg von außer­or­dent­li­cher Bedeu­tung, da von den ange­stamm­ten Märk­ten Russland/Sowjetunion zunächst kei­ne Waren­ein­käu­fe mehr erfol­gen konn­ten. Die­ses Geschäft begann sich erst Mit­te bis Ende der 20er Jah­re des 20. Jahr­hun­derts zu stabilisieren.

Paul Albert Thorer

Noch heu­te ist die Kara­kul­zucht und ‑hal­tung ein wich­ti­ger Zweig der Land­wirt­schaft von Nami­bia. 1969 erreich­te die nami­bi­sche Pro­duk­ti­on mit 3,5 Mil­lio­nen Fel­len (= 40 % der Welt­pro­duk­ti­on) ihren Höhe­punkt. Es gibt in Nami­bia etwa 2.500 Far­men mit Karakulschafzucht.

In der Fol­ge­zeit wur­de die Fir­ma Rauch­wa­ren­han­del Theo­dor Thorer von den Enkeln, Schwa­ger und Uren­keln des Fir­men­grün­ders Theo­dor Thorer  erfolg­reich weitergeführt.

So schließt sich der Kreis der Kürsch­ner­fa­mi­lie Thorer, der mit Tobi­as Fried­rich Thorer um die Mit­te des 18. Jahr­hun­derts in Gör­litz sei­nen Anfang nahm.

Eine Nach­be­mer­kung zur Kürsch­ner­fa­mi­lie Thorer:
Die Fir­ma Thorer sie­del­te 1945 von  Leip­zig nach Offen­bach über. Sie split­te­te sich nach dem Umzug in zwei Geschäfts­zwei­ge auf: Eine Rauch­wa­ren­zu­rich­te­rei (Ger­be­rei) in Offen­bach und in einen Rauch­wa­ren­han­del, der in Frank­furt am Main sei­nen Sitz hat­te. Dazu gab es zahl­rei­che Filia­len bei­der Zwei­ge in Deutschland

Paul Albert Thorer in Buchara

und im Aus­land (New York, Süd­afri­ka u.v.a.m.) und meh­re­re Betei­li­gun­gen zum Bei­spiel an der legen­dä­ren Hudson’s Bay Com­pa­ny in Kana­da. In den 1990er Jah­ren brach die Pelz­hys­te­rie aus, und kaum eine Frau konn­te es sich mora­lisch noch leis­ten, Pel­ze zu tra­gen. Damit brach auch das Pelz­ge­schäft der Fir­ma Thorer zusam­men, und die­se Fir­ma Thorer & Co wur­de nach fast 400 Jah­ren liquidiert.
Quel­len:
Richard Jecht: Topo­gra­phie der Stadt Görlitz
Thorer: 300 Jah­re Fami­lie Thorer, 1912, Leip­zig Eigen­ver­lag (Ober­lau­sit­zi­sche Biblio­thek der Wis­sen­schaf­ten Görlitz)
Thorer: 325 Jah­re Fami­lie Thorer, 1937, Leip­zig Eigen­ver­lag (Axel Thorer, stell­vertr. Chef­re­dak­teur der Zeit­schrift “BUNTE”)
Nach­druck über die Kürsch­ner­fa­mi­lie Thorer
Text und Bil­der mit freund­li­cher Geneh­mi­gung des Stadt­BILD-Ver­la­ges Gör­litz und Herrn Wolf­gang Stiller

Die „Cap San Diego“ wieder in Bremerhaven

Die „Cap San Die­go“ wie­der in Bremerhaven

Ham­burgs Muse­ums­schiff “Cap San Die­go” hat­te am ver­gan­ge­nen Sonn­tag sei­nen Lie­ge­platz an der Über­see­brü­cke ver­las­sen und sich auf den Weg nach Bre­mer­ha­ven gemacht. Hier ist sie am Mon­tag­mor­gen ein­ge­trof­fen. In der Werft “Bre­do Dry Docks” soll das Schiff zwei Wochen lang auf Herz und Nie­ren geprüft werden.

„Cap San Diego“

Damit der Stück­gut­frach­ter — der Eig­ner die Stif­tung Ham­bur­ger Admi­ra­li­tät — sei­ne Fahr­erlaub­nis nicht ver­liert, muss er alle fünf Jah­re über­holt wer­den. Zuletzt war das Schiff im Früh­jahr 2016 beim Werf­ten­ver­bund “Ger­man Dry Docks” im Kai­ser­ha­fen für Über­ho­lungs­ar­bei­ten gedockt.

Schiffs-TüV alle fünf Jahre

In die­sem Jahr ste­hen etwa 200 Werft­punk­te auf dem Plan für die Erneue­rung der Klas­se. Das ist der alle fünf Jah­re vor­ge­schrie­be­ne Schiffs-TüV, ohne den ein Schiff nicht am Schiffs­ver­kehr teil­neh­men darf. Neben der Sicher­heits­über­prü­fung wer­den auch umfang­rei­che Repa­ra­tur­ar­bei­ten in den “Bre­do Dry Docks” in Bre­mer­ha­ven vor­ge­nom­men. Ins­ge­samt belau­fen sol­len die Kos­ten für den Werft­auf­ent­haltcet­wa 1,4 Mil­lio­nen Euro betragen.

Laut Plan sol­len in der Werft auch die Tanks ent­ros­tet und kon­ser­viert wer­den. Für den Zugang zu den Tanks muß ein Loch in die Außen­heit geschnit­ten wer­den. Wei­ter­hin wird das Lade­ge­schirr des ehe­ma­li­gen Stück­gut­frach­ters gewar­tet, und die Hal­te­run­gen der Ret­tungs­boo­te sowie ein Teil des Holz­decks wer­den aus­ge­wech­selt. Auch der weiß-rote Anstrich des Ham­bur­ger Wahr­zei­chens wird erneuert.

Viele Ehrenamtliche kümmern sich um das Schiff

Bir­ger Möl­ler ist ein erfah­re­ner Kapi­tän. 1976 begann er als Decks­jun­ge auf dem Schwes­ter­schiff “Cap San Anto­nia”. Dort war er für den Lade­raum zustän­dig. Spä­ter ist er auf allen fünf Schwes­ter­schif­fen gefah­ren und hat sich schließ­lich bis zum Kapi­tän hoch­ge­ar­bei­tet. Auf dem Schiff wur­den nie­mals Bana­nen trans­por­tiert. Bana­nen kom­men aus der Kari­bik, und dort ist die “Cap San Die­go” nie gewe­sen. Das Schiff hat Fleisch und Fisch trans­por­tiert und Obst, Kaf­fee, Kakao, Baum­wol­le, Honig und ver­schie­de­ne Öle.

Nun, am Ende sei­ner Lauf­bahn, ist Bir­ger Möl­ler bereits seit zwei Jah­ren ehren­amt­lich Kapi­tän auf dem Muse­ums­schiff. Chef-Inge­nieur Joa­chim Stü­ber küm­mert sich um den Maschi­nen­raum. Er ist eben­so ehren­amt­lich tätig, wie vie­le wei­te­re Arbei­ter, die sich um das in die Jah­re gekom­me­ne Schiff küm­mern. Auf dem Muse­ums­schiff ist alles sehr his­to­risch, die Navi­ga­ti­ons­tech­ni­ken und die Elek­tro­nik sind aber vor­schrifts­mä­ßig auf dem neu­es­ten Stand.

Heu­te dient die “Cap San Die­go” als Muse­um und Hotel. Auf­grund der guten War­tung ist das Schiff see­tüch­tig geblie­ben und fährt jedes Jahr mit bis zu 500 Pas­sa­gie­ren auf die Nord- oder Ost­see hinaus.

Cap San Diego” feiert Jubiläum

Am 9. April soll das Muse­ums­schiff “Cap San Die­go” wie­der im Ham­bur­ger Hafen ein­lau­fen und an ihrem Lie­ge­platz an der Über­see­brü­cke fest­ma­chen. Am 10. April wird es eine gro­ße Jubi­lä­ums­fei­er geben. Der 10. April 2021 ist der 60. Jah­res­tag der „Kiel­le­gung“ des Schif­fes, das in der Deut­schen Werft in Fin­ken­wer­der vom Sta­pel lief.

Lei­der kann das Schiff wegen der Coro­na-Pan­de­mie der­zeit nicht besich­tigt wer­den, aber viel­leicht ist es nach dem Werft­auf­ent­halt wie­der möglich.
Quel­len:
M. Wenn­hold: “Wahr­zei­chen sagt tschüß — Dar­um hat die Cap San Die­go Ham­burg ver­las­sen” mopo.de vom 14.3.2021
W. Scheer: “Schiffs-TÜV für die “Cap San Die­go”, Nord­see-Zei­tung vom 16.3.2021

Die Gaststätte “Frenssenstube” in der Frenssenstraße

Die Gast­stät­te “Frens­sen­stu­be” in der Frenssenstraße

Wenn das hier so wei­ter­geht, dann wer­den noch vie­le Knei­pen ster­ben”, hat “Pel­lo” vor eini­gen Jah­ren der Nord­see-Zei­tung gesagt. Georg Micha­el Bir­kel, den alle “Pel­lo” nen­nen, ist seit 40 Jah­ren Wirt der Gast­stät­te “Frens­sen­stu­be” in der Frens­sen­stra­ße an der Ecke Stormstraße.

Gaststätte "Frenssenstube"

Bre­mer­ha­ven soll in den 1950er und 1960er Jah­ren die Stadt mit der höchs­ten Knei­pen­dich­te gewe­sen sein. Gut 600 Gast­stät­ten soll es in der See­stadt gege­ben haben, und das Nacht­le­ben pulsierte.

Der gelern­te Wein- und Spi­ri­tuo­sen­kauf­mann “Pel­lo” woll­te eigent­lich nach Aus­tra­li­en aus­wan­dern. Dann starb aber plötz­lich sein Chef, und “Pel­lo” über­nahm am 14. März 1981 die Gast­stät­te “Frens­sen­stu­be”. In den Jah­ren konn­te man in Lehe mit einer Eck­knei­pe noch rich­tig Geld verdienen.

Gaststätte "Frenssenstube"

Alle betra­ten sie die Gast­stät­te “Frens­sen­stu­be” durch die schwe­re Eichen­tür: Jour­na­lis­ten, Poli­ti­ker und Geschäfts­leu­te tran­ken hier ihr Bier eben­so wie die ame­ri­ka­ni­schen Sol­da­ten und die Arbei­ter von den Werf­ten und die Matro­sen der Fische­rei. Zehn bis zwölf Faß Bier schenk­te “Pel­lo” in der Woche aus, bis sei­ne Gäs­te ihren Durst gelöscht hat­ten. Heu­te rei­chen zwei Faß pro Woche.

Die goldenen Zeiten sind vorbei

Die gol­de­nen Zei­ten sind im Goe­the­vier­tel längst vor­bei. Nach Bre­mer­ha­ven kom­men schon lan­ge kei­ne Fisch­damp­fer mehr. Und so blie­ben auch die durs­ti­gen Matro­sen weg. Auch die Werf­ten­kri­se in der See­stadt Ende der 1980er Jah­re zwang immer mehr Knei­pen auf­zu­ge­ben. Allei­ne in der Frens­sen­stra­ße haben acht Knei­pen geschlos­sen. Ohne sei­ne Stamm­gäs­te hät­te wohl auch “Pel­lo” längst aufgehört. 

Und heu­te, mehr als vier Jah­re nach dem Inter­view der Nord­see-Zei­tung, ist es noch schlim­mer. Die Beschäf­tig­ten des Hotel- und Gast­stät­ten­ge­wer­bes in Bre­mer­ha­ven lei­den hart unter den Coro­na-Lock­down-Maß­nah­men. Die Wir­te fürch­ten um ihre Zukunft. Wohl kaum einer Bran­che setzt die Coro­na-Pan­de­mie so sehr zu, wie den Kneipen.

Nachtrag vom 10.06.2021

Soweit die Bre­mer­ha­ve­ner Gas­tro­no­men die Hygie­ne­re­geln ein­hal­ten und ein Schutz­kon­zept vor­le­gen kön­nen, dür­fen sie seit dem 3. Juni 2021 auch wie­der die Innen­räu­me für ihre Gäs­te öff­nen.  Aller­dings nur bis 23 Uhr. Und die Gäs­te müs­sen ein nega­ti­ves Coro­na-Test­ergeb­nis vor­le­gen. Bre­mer­ha­ven erwacht, und vie­le Knei­pen­be­sit­zer kön­nen aufatmen.

Gaststätte "Frenssenstube"

Auch “Pel­lo” freut sich über die Rück­kehr in das Nacht­le­ben. Auf sei­ne Stamm­gäs­te muss er nicht lan­ge war­ten, die war­ten selbst schon ganz unge­dul­dig dar­auf, bei “Pel­lo” wie­der ein Bier trin­ken zu kön­nen. Vie­le Gäs­te sind auch schon kom­plett geimpft. GTrotz­dem wird es in “Pel­los” Knei­pe zunächst nicht eng wer­den. 15 bis 20 Gäs­te darf er in sei­ne Frens­sen­stu­be las­sen. Und so appel­liert der Wirt der Frens­sen­stu­ben auch an sei­ne Kol­le­gen, sich an die Regeln zu hal­ten, damit es im Herbst nicht einen erneu­ten Lock­down gibt.

Bis­her ist Georg Micha­el Bir­kel gut durch die Coro­na-Kri­se gekom­men. Sei­ne finan­zi­el­len Reser­ven hat er auf­ge­braucht. Aber der 66.jährige Wirt bekommt seit dem letz­ten Jahr Ren­te, und sein Eck­haus mit der Knei­pe hat er längst abbe­zahlt. Doch sein 40-jäh­ri­ges Betriebs­ju­bi­lä­um am 14. März 2020 konn­te er wegen Coro­na nicht fei­ern. Und die Fei­er wird er auch nicht nach­ho­len. Dazu feh­len die finan­zi­el­len Mit­tel. Nun hofft “Pel­lo” dar­auf, sei­ne Gäs­te zum 45-jäh­ri­gen Jubi­lä­um ein­la­den zu können.

Quel­len:
G.-D- Mey­er “Pel­lo, der Psy­cho­lo­ge”, Nord­see-Zei­tung vom 22.11.2016
L. M. Lan­gen “Die Frens­sen­stu­be hält dem Knei­penster­ben stand”, nord24.de vom 18.02.2020
L. M. Lan­gen “Pel­lo, der Vete­ran der Frens­sen­stu­be”, norderlesen.de vom 19.02.2020
L. M. Lan­gen “Wirt Pel­lo hat in der Coro­na­kri­se sei­ne Erspar­nis­se auf­ge­braucht”, Nord­see-Zei­tung vom 7.6.2021

Das Gründerzeithaus an der Krumme Straße 37

Das Grün­der­zeit­haus an der Krum­me Stra­ße 37

In der Nacht vom 5. Febru­ar auf den 6. Febru­ar 2019 ist das im Jah­re 1896 an der Krum­me Stra­ße 37 erstell­te Jugend­stilhaus in Brand gera­ten. Das Mehr­fa­mi­li­en­haus an der Krum­me Stra­ße 37 Ecke Hafen­stra­ße war unbe­wohnt. Das Grün­der­zeithaus, das ohne­hin schon auf der Pro­blem­lis­te des Bre­mer­ha­ve­ner Bau­am­tes stand, wur­de durch den Brand erheb­lich beschädigt. 

krumme straße 37

Nach dem Brand hat sich ein Inves­tor für das Gebäu­de inter­es­siert. Das Objekt soll eine Hand­voll Vor­be­sit­zer gehabt haben. Der letz­te Eigen­tü­mer hat­te es an die Stadt ver­kauft. Die Nord­see-Zei­tung berich­te­te, dass es sich bei dem Pri­vat­in­ves­tor um Hol­ger Küh­nel aus Lehe han­delt. Der saniert seit zwan­zig Jah­ren alte Häu­ser in Lehe. 

Investor kauft die Brandruine

Nun hat Hol­ger Küh­nel der Stadt Bre­mer­ha­ven die Brand­rui­ne in der Krum­me Stra­ße 37 abge­kauft. Der Kauf­preis soll um die 100.000 Euro betra­gen haben. Hol­ger Küh­nel will ins­ge­samt 1,4 Mil­lio­nen Euro in das Mehr­fa­mi­li­en­haus inves­tie­ren. Er meint, die Ecke Hafen­stra­ße Krum­me Stra­ße sei ein Stand­ort, der sich gut ent­wi­ckelt habe. Über­haupt sehe er Rich­tung Alt­mark Lehe noch viel Entwicklungspotential.

Elf neue Zwei- und Drei­zim­mer-Woh­nun­gen hat Hol­ger Küh­nel geplant. Alle Woh­nun­gen bekom­men roll­stuhl­ge­rech­te Dusch­bä­der. Zur Hof­sei­te gibt es Bal­ko­ne. Sämt­li­che Gas‑, Was­ser- und Elek­tro­lei­tun­gen wer­den neu instal­liert. Wenn hier ab Sep­tem­ber die neu­en Mie­ter ein­zie­hen, wer­den sie mit einer Kalt­mie­te von sechs Euro rechnen.

Krumme Straße 37

Das Miets­haus wird nun zu einem “Leucht­turm” der nörd­li­chen Hafen­stra­ße. Vor einem hal­ben Jahr war die Fas­sa­de des Hau­ses Krum­me Stra­ße 37 noch schwarz vom Ruß, den der Brand hin­ter­las­sen hat. Heu­te strahlt sie in fri­schem vanil­le­gelb. Sämt­li­che Fens­ter wur­den stil­ge­recht erneu­ert. Der Aus­bau des Dach­ge­schos­ses ist fast abge­schlos­sen. Als High­light steht den zukünf­ti­gen Mie­tern im Erd­ge­schoß ein Gemein­schafts­raum zur Verfügung. 

Quel­len:
S. Schwan: “In die­ser Brand­rui­ne steckt doch Musik drin”, Nord­see-Zei­tung vom 8.3.2021   
S. Schwan: “Steu­er­be­ra­ter kauft Brand­rui­ne in Bre­mer­ha­ven”, Nord­see-Zei­tung vom 07.03.2021
Brand in einem unbe­wohn­ten Haus in Bre­mer­ha­ven, Weser-Kurier vom 6.2.2019      

Die Schicksalsfahrt des Geestemünder Heringsdampfers “Friedrich Albert”

Die Schick­sals­fahrt des Geest­e­mün­der Herings­damp­fers “Fried­rich Albert”

Am 10. Febru­ar 1903 mel­de­te die Nord­west­deut­sche Zeitung:
Geest­e­mün­de: Herings­damp­fers “Fried­rich Albert”, der hie­si­gen Herings- und Hoch­see­fi­sche­rei-Akt-Ges. gehö­rig, ist in der Nacht vom 13. zum 14. Janu­ar zum Frisch­fisch­fang nach Island in See gegan­gen und ist bis heu­te weder zurück­ge­kehrt, noch von irgend­ei­nem ande­ren Damp­fer oder Fahr­zeug wäh­rend die­ser Zeit gese­hen wor­den. Es muß daher mit ziem­li­cher Bestimmt­heit ange­nom­men wer­den, daß der “Fried­rich Albert” gleich dem “St. Johann” dem vom 13. bis 17. Janu­ar im größ­ten Tei­le der Nord­see vor­herr­schend gewe­se­nen Süd­west­sturm zum Opfer gefal­len ist. Der Damp­fer hat­te 12 Mann Besat­zung, dar­un­ter in Kapi­tän Büschen einen tüch­ti­gen erfah­re­nen Führer…

Heringsdampfers "Friedrich Albert"

Am 19. Febru­ar 1903 mel­de­te die Thor­ner Pres­se:
Der ver­miß­te Herings­damp­fer “Fried­rich Albert” ist nach einem Tele­gramm aus Leith an der Süd­küs­te Islands gestran­det und total wrack gewor­den. Der Steu­er­mann, der ers­te Maschi­nist und ein Mann der Besat­zung, des­sen Name noch nicht fest­ge­stellt ist, sind ums Leben gekom­men. Die übri­gen neun Mann der Besat­zung wur­den gerettet.

Heringsdampfers "Friedrich Albert"

Am 15. April 1903 mel­de­te die Tages­zei­tung India­na Tri­bü­ne:
Geest­e­mün­de: An der Süd­küs­te von Island ist der hie­si­ge Herings­damp­fer “Fried­rich Albert” gestran­det und total wrack gewor­den. Der Steu­er­mann, der ers­te Maschi­nist und ein Matro­se unbe­kann­ten Namens sind um’s Leben gekom­men. Die ande­ren neun Per­so­nen der Besat­zung wur­den geret­tet. Die Namen des ertrun­ke­nen Steu­er­manns bzw. des Maschi­nis­ten sind Rudolph Bojahr und Her­mann Stick­ler, bei­de von hier.

Heringsdampfers "Friedrich Albert"

Auch die in Glei­witz her­aus­ge­brach­te Zei­tung Der ober­schle­si­sche Wan­de­rer berich­te­te über einen im glei­chen Win­ter ver­miß­ten Herings­damp­fer. Die “Georg Adolf” ist eben­falls von einer Fan­g­rei­se nicht zurück­ge­kehrt und wahr­schein­lich untergegangen.

Heringsdampfers "Friedrich Albert"

Das Seeamt Bremerhaven

Was war gesche­hen? Das hat das See­amt Bre­mer­ha­ven in einer Unter­su­chung am 3. Okto­ber 1903 fest­ge­stellt. Die Unter­su­chung war ein­fach, kom­pli­zier­te Tat­be­stän­de gab es nicht. An die­sem Tag wur­den sechs See­amts­sprü­che gefällt, es gab kei­ne Schuld­sprü­che, kei­ne Paten­te wur­den entzogen.

Auf den Zuhö­rer­bän­ken saßen die Müt­ter und Frau­en der Besat­zungs­mit­glie­der von sechs Fisch­damp­fern. Die See­amts­sprü­che ste­hen in den Akten des See­am­tes von Bre­mer­ha­ven. Die Urtei­le wei­chen kaum von­ein­an­der ab. Das Schick­sal von 65 See­leu­ten wur­de an die­sem Tage geklärt. Ihre Schif­fe sind in Orka­nen gesun­ken, die in den Win­ter­mo­na­ten des Jah­res 1903 in gna­den­lo­ser Hef­tig­keit den Atlan­tik aufpeitschten.

Es war der Fisch­damp­fer “St. Johann”, der am 3. Janu­ar den Fische­rei­ha­fen von Geest­e­mün­de ver­las­sen hat, um vor Island zu fischen. Am 13. Janu­ar 1903 hat­te der deut­sche Fisch­damp­fer “Sophie” vor Island Sicht­kon­takt mit der “St. Johann”. Dann ver­lor sich jede Spur, das Schiff galt als ver­schol­len. Aber auch die Fisch­damp­fer “Balt­rum” (auf Fan­g­rei­se nach Island), die “Georg Adolf” (zuletzt unter Island gesich­tet), die “Neck” (Fan­g­rei­se in der Nord­see), die “Kom­man­dant” (zuletzt nörd­lich von Horn­riff gesich­tet), die Ura­nus (Fan­g­rei­se in der Nord­see) gin­gen ver­lo­ren, blie­ben verschollen.

Der islän­di­sche Fil­me­ma­cher Magnús Magnús­son möch­te in einem Spiel­film die Geschich­te der Män­ner des Herings­damp­fers “Fried­rich Albert” erzäh­len. Seit Jah­ren ist er in Archi­ven unter­wegs, damit die Geschich­te mög­lichst authen­tisch wird. Nach mehr als 117 Jah­ren hat er noch Nach­fah­ren der See­leu­te auf­spü­ren kön­nen, die 1903 mit dem Herings­damp­fer “Fried­rich Albert” vor Island gestran­det sind.

Das Schiff und seine Besatzung:

Heringsdampfer "Friedrich Albert"

Fried­rich Albert PG 58“ (PG steht für Preu­ßen Geest­e­mün­de) Bau­jahr 1898
Ree­de­rei Geest­e­mün­der Herings- und Hoch­see­fi­sche­rei AG
Unter­schei­dungs­si­gnal KRHV
192,88 Regis­ter­ton­nen, Län­ge 39,18 m, Brei­te 6,45 m, Tie­fe 3,28 m.
3fach Expan­si­ons­dampf­ma­schi­ne, 320 PS
Kapi­tän Georg Büschen
Steu­er­mann Rud. Bojahr (Best­mann ohne Patent)
1. Maschi­nist H. Stickler
2. Maschi­nist Carl Merker
Assis­tent Emil Lange
Hei­zer Fritz Wutzow
Netz­ma­cher F. Nahrwold
Matro­se Richard Richter
Matro­se F. Hage­mei­er, War­ber (ver­mut­lich Vater von Ernst Hagemeier)
Matro­se August Pitt­ke, Rusbend
Matro­se W. Wesemann, Haselhorn
Koch Wilh. Wilke

Die Abreise

Heringsdampfer "Friedrich Albert" aus Geestemünde

Am 13. Janu­ar 1903 liegt der Fisch­damp­fer “Fried­rich Albert” an der Kaje in der Gees­te. Auf dem erst fünf Jah­re alten Hering­s­traw­ler wer­den die letz­ten Vor­be­rei­tun­gen für die anste­hen­de Fan­g­rei­se vor Island getrof­fen. Es ist früh­mor­gens um 3 Uhr, als der knapp 40 Meter lan­ge Fisch­damp­fer am 14. Janu­ar 1903 ablegt und den Hafen von Geest­e­mün­de hin­ter sich läßt. An Bord sind der 34 Jah­re alte Kapi­tän Georg Buschen, der Steu­er­mann Rud. Bojahr und zehn wei­te­re See­leu­te. Eine Drei­fach-Expan­si­ons­dampf­ma­schi­ne treibt das Schiff mit 320 PS auf die See hinaus.

Die Strandung

Der Segen des Meeres wird geborgen

Am 18. Janu­ar stand der Damp­fer vor der Süd­west­spit­ze von Island vor Kap Port­land (heu­te Dyr­hólaey) und begann um 11.30 Uhr mit dem Schlepp­netz­fi­schen. Die Aus­beu­te war nur gering. Die “Fried­rich Albert”  der “Geest­e­mün­der Herings- und Hoch­see­fi­sche­rei AG” woll­te am nächs­ten Abend einen ande­ren Fang­platz aufsuchen.

Für das See­gei­et bei Port­land gab es weder ver­läß­li­chen See­kar­ten noch hat­te man Anga­ben über die ört­lich vor­herr­schen­den stark auf­lan­di­gen Strö­mungs­ver­hält­nis­se. Die Was­ser­tie­fe wur­de mit einem Hand­lot gemes­sen. Bedingt durch die Win­ter­zeit gab es nur weni­ge Stun­den Tageslicht.

Steu­er­mann Bojahr hat­te an die­sem Abend Wache. Der zunächst mäßi­ge Wind ent­wi­ckel­te sich spä­ter zu einem Sturm aus süd­li­cher Rich­tung und brach­te Schnee, Hagel und Lava­sand mit. Gleich­ze­iti­ig ver­setz­te eine star­ke Strö­mung das Schiff. Irgend­wann nach 21 Uhr bemerk­te der Steu­er­mann, daß der Damp­fer in einen Sog gera­ten ist, der ihn immer stär­ker Rich­tung Küs­te zieht. Für Gegen­maß­nah­men ist es längst zu spät. Gegen 21.45 Uhr kam die “Fried­rich Albert” fest und wur­de von der anrol­len­den See quer auf den Strand geworfen.

Unab­läs­sig krach­te die gewal­ti­ge Bran­dung auf den Herings­damp­fer und zer­schlug das Ret­tungs­boot. Schutz­su­chend kau­er­ten sich die Män­ner hin­ter dem Brü­cken­haus an Deck. Doch als der Maschi­nen­raum über­flu­tet wur­de, muß­te das Schiff auf­ge­ge­ben wer­den. Die Besat­zung ret­te­te sich auf den Strand.

Teil­wei­se nur mit Unter­wä­sche beklei­det, ver­such­ten die Män­ner zwei Tage lang, fes­tes Land zu errei­chen. Doch Sumpf, Lava­sand und stark strö­men­des Glet­scher­was­ser konn­ten sie nicht über­win­den. Sie bra­chen das Unter­neh­men ab. Am 23. Janu­ar such­ten die Män­ner noch ein­mal das Wrack auf. Unter gro­ßen Mühen konn­ten sie zwei Ton­nen Hart­brot und etwas Schmalz vom Hava­ris­ten ber­gen. Anschlie­ßend unter­nah­men sie einen wei­te­ren Ver­such, bei jetzt stür­mi­schen Wet­ter das Fest­land zu erreichen.

Kampf gegen die Kälte

Gegen 9.30 Uhr erreich­ten die Män­ner ein gro­ßes Gewäs­ser, und sie kamen nicht wei­ter. So über­nach­te­ten sie auf dem ver­eis­ten Schnee­feld, auf dem sie sich gera­de befan­den. Jeder Mann bekam mor­gens und abends eine Hand­voll von dem mit­ge­nom­me­nen Hart­brot. In der schreck­lich kal­ten Nacht ließ der Kapi­tän sei­ne Leu­te zunächst dicht zusam­men­rü­cken, damit sie sich gegen­sei­tig wär­men konn­ten. Aber an Schlaf war nicht zu den­ken. Alle 20 Minu­ten ließ der Kapi­tän sei­ne Män­ner Lauf­schritt machen, damit die Durch­blu­tung intakt blieb und ein Erfrie­ren im Schlaf ver­hü­tet wur­de. Am 25. Janu­ar mor­gens um 6 Uhr aber starb der Maschi­nist H. Stick­ler, nach­dem er bereits wäh­rend der Nacht das Bewußt­sein verlor. 

Die Besat­zung hat­te sich in die­sen Tagen in zwei Grup­pen geteilt. Eine Grup­pe woll­te zurück zum Schiffs­wrack. Im kal­ten Was­ser ste­hend starb der Matro­se H. Wesemann aus Hasel­horn. Am Mor­gen des 26. Janu­ar setz­te die Grup­pe den Fuß­marsch zum Wrack der “Fried­rich Albert” fort. Längst war der Pro­vi­ant auf­ge­braucht. Eini­ge Grup­pen­mit­glie­der konn­ten kei­ne Schu­he mehr tra­gen. Nur ein paar Lap­pen schütz­ten ihre erfro­re­nen Füße. Trotz die­ser unsag­ba­ren Stra­pa­zen erreich­ten die Über­le­ben­den abends um 6 Uhr wie­der die Stran­dungs­stel­le. Der Best­mann Rud. Bojahr ging auf das Wrack und starb dort. 

Die ande­ren Leu­te bau­ten aus den Wrack­tei­len ein Boot, um damit die rei­ßen­den eis­kal­ten Glet­scher­strö­me zu über­que­ren. Am Nach­mit­tag des 29. Janu­ar begann man mit der Über­fahrt und setz­te die Wan­de­rung nach Nor­den fort. Am nächs­ten Tag, es war der elf­te Tag nach der Stran­dung der “Fried­rich Albert”, hat­ten alle erfro­re­ne Hän­de und Füße. Trotz­dem gin­gen sie unter quä­len­den Schmer­zen wei­ter, bis sie am 30. Janu­ar mit letz­ter Kraft das Gehöft Orm­sta­dur erreich­ten, das 50 Kilo­me­ter vom Wrack ent­fernt liegt.

Die Rettung

Es waren sehr arme Leu­te, die den Schiff­brü­chi­gen nun ein Dach über den Kopf boten und ihnen Essen und Trin­ken reich­ten. Der Bau­er und sei­ne Frau ver­sorg­ten die erfro­re­nen Glie­der der Schiff­brü­chi­gen. Zwei Tage spä­ter kam ein Arzt, der die Schiff­brü­chi­gen medi­zi­nisch ver­sorg­te. Tags dar­auf wur­den sie zur wei­te­ren Behand­lung in den klei­nen Ort Brei­da­böls­stad gebracht. Die Matro­sen Hage­mei­er und Pitt­ke müs­sen wegen Erfrie­run­gen ärzt­lich behan­delt und dem Hei­zer Wut­zo bei­de erfro­re­nen Bei­ne abge­nom­men werden.

Am 1. Febru­ar erreich­ten alle den Ort Skap­terf­jeld. Von hier tra­ten die ers­ten vier Leu­te auf Island­pfer­den die acht­tä­gi­ge Rei­se nach Reykja­vik an. Über Sta­van­ger und Ham­burg erreich­ten sie am 1. März 1903 wie­der Geestemünde.

Ein Gedenkstein in Vik auf Island

Blick auf die Trawlerflotte im Fischereihafen

Die deut­sche Hoch­see­fi­sche­rei ist mit Island untrenn­bar ver­bun­den. Zwi­schen 1898 und 1952 gin­gen vor Island 83 deut­sche Fisch­damp­fer ver­lo­ren, und über 1.200 See­leu­te haben ihr Leben ver­lo­ren. Die einen erlit­ten töd­li­che Unfäl­le auf ihren Schif­fen, ande­re gin­gen bei schwe­ren Stür­men über Bord, kamen bei Stran­dun­gen und Schiffs­un­ter­gän­gen ums Leben oder sind mit ihren Schif­fen verschollen. 

Bei Stran­dun­gen an der Süd­küs­te Islands gelang es den See­leu­ten häu­fig, das Land zu errei­chen. Damit waren sie aber nicht geret­tet. Die Strän­de aus Lava­ge­röll erstre­cken sich über eine Län­ge von etwa 200 Kilo­me­ter, und die islän­di­schen Gehöf­te lagen bis zu 20 Kilo­me­ter von der Küs­te ent­fernt. Glet­scher­strö­me stel­len ein zusätz­li­ches Hin­der­nis dar. Die Kata­stro­phe der “Fried­rich Albert” führ­te 1905 zum Bau von Schutz­hüt­ten, die Nah­rungs­mit­tel und Brenn­ma­te­ri­al sowie Aus­rüs­tung zur medi­zi­ni­schen Ver­sor­gung enthielten. 

In Vik an der Süd­spit­ze Islands erin­nert eine Gedenk­stät­te an die Ver­un­glück­ten und an die bei­spiel­lo­se Hilfs­be­reit­schaft der Isländer.

Filmprojekt

Der islän­di­sche Fil­me­ma­cher Einar Magnús Magnús­son ist der Geschich­te der Män­ner des Herings­damp­fers “Fried­rich Albert” seit sechs Jah­ren auf der Spur. In einer acht­tei­li­gen Fern­seh­se­rie soll die Geschich­te des 1903 vor Island gestran­de­ten Geest­e­mün­der Herings­damp­fers erzählt wer­den. Der Fil­me­ma­cher will am 22. Janu­ar 2021 eine Expe­di­ti­on zu dem Ort machen, an dem die “Fried­rich Albert” am 19. Janu­ar 1903 auf Grund lief. Er möch­te die schwe­ren Bedin­gun­gen ken­nen­ler­nen, mit denen die Schiff­brü­chi­gen vor mehr als 100 Jah­ren zu kämp­fen hat­ten. Vom Wrack des Herings­damp­fers “Fried­rich Albert” soll heu­te aller­dings nichts mehr zu sehen sein.

Nähe­re Infor­ma­tio­nen zum Film sind auf der Inter­net­sei­te www.schwarzersand.com zu sehen.
Quel­len:
H. Wöl­bing und J. Röse­mann Die Island­fi­sche­rei in den Jah­ren 1885 bis 1995 See­funk­ka­me­rad­schaft e. V. Bremen
H, Gab­cke: Bre­mer­ha­ven in zwei Jahr­hun­der­ten 1827–1918, Sei­te 170
J. Rab­bel: Neun Mann ent­kom­men dem Tod Nord­see-Zei­tung vom 11.08.2018
J. Rab­bel: Eine Geschich­te, die bewegt Nord­see-Zei­tung vom 29.08.2018
J. Rab­bel: In eisi­ger Käl­te ums Über­le­ben gekämpft Nord­see-Zei­tung vom 4.1.2021
J. Rab­bel: See­leu­te 1903 geret­tet: Fil­me­ma­cher sucht Nach­fah­ren in Bre­mer­ha­ven nord24.de vom 11.08.2018
Erik Hoops Ein Gedenk­stein in Vik auf Island Deut­sches Schif­fahrts­mu­se­um Info Nr. 05/02 vom 13.03.2002

Silvester

silvester an der elbe - nachthimmel

Sil­ves­ter an der Elbe — Nachthimmel

Daß bald das neue Jahr beginnt,
Spür ich nicht im geringsten.
Ich mer­ke nur: Die Zeit verrinnt
Genau so wie zu Pfingsten,

Genau wie jähr­lich tausendmal.
Doch Volk will Griff und Daten.
Ich höre Rüh­rung, Suff, Skandal,
Ich spei­se Hasenbraten.

Mit Cum­ber­land, und vis-à-vis
Sitzt von den Krankenschwestern
Die sinn­lichs­te. Ich ken­ne sie
Gut, wenn auch erst seit gestern.

Cham­pa­gner drängt, lügt und spricht wahr.
Pro­sit, barm­her­zi­ge Schwester!
Auf! In mein Bett! Und prost Neujahr!
Rasch! Pro­sit! Prost Silvester!

Die Zeit ver­rinnt. Die Spin­ne spinnt
In heim­li­chen Geweben.
Wenn heu­te nacht ein Jahr beginnt,
Beginnt ein neu­es Leben.

Joa­chim Rin­gel­natz (1883–1934)

Das ehemalige Verlagsgebäude der “Norddeutschen Volksstimme”

Das ehe­ma­li­ge Ver­lags­ge­bäu­de der “Nord­deut­schen Volksstimme”

Die sozi­al­de­mo­kra­ti­sche Zei­tung “Nord­deut­sche Volks­stim­me” konn­te von der  Stadt Weser­mün­de für 20 000 Reichs­mark ein Grund­stück am ehe­ma­li­gen Hohen­zol­lern­ring erwer­ben. Auf die­ses Grund­stück ließ der Zei­tungs­ver­lag für 45 000 Reichs­mark im Sti­le des Neu­en Bau­ens ein Eck­haus aus roten Klin­kern errichten.
Das ehemalige Verlagsgebäude der "Norddeutschen Volksstimme"Am 6. April 1930 wur­de das ehe­ma­li­ge Ver­lags­ge­bäu­de der “Nord­deut­schen Volks­stim­me” an der heu­ti­gen Fried­rich-Ebert-Stra­ße Ecke Elbe­stra­ße ein­ge­weiht. Der Zei­tungs­ver­lag, zehn Pri­vat­woh­nun­gen, eine Buch­hand­lung und wei­te­re Geschäf­te fan­den in dem neu­en Gebäu­de Platz.

Am 11. August 1933 ent­eig­ne­te die Natio­nal­so­zia­lis­ten das Grund­stück und den Zei­tungs­ver­lag. Neu­er Eigen­tü­mer wur­de damit der Staat Preu­ßen, der den Grund­be­sitz am 1. Juli 1937 an die Stadt Weser­mün­de ver­kauf­te. Am 1. März 1938 erwarb das Deut­sche Reich das Grund­stück. Das Haus wur­de Dienst­sitz der Gehei­men Staats­po­li­zei der Unter­we­ser­or­te. Die Zei­tung “Nord­deut­sche Volks­stim­me” war schon im Febru­ar und März 1933 ver­bo­ten  und die Druck­ma­schi­nen ver­schleu­dert worden.
Das ehemalige Verlagsgebäude der "Norddeutschen Volksstimme"Die Gesta­po bau­te eini­ge Woh­nun­gen zu Büros und Ver­neh­mungs­zim­mer um. Im Kel­ler wur­den Haft­zel­len ein­ge­rich­tet. Am 1. April 1939 zog die Gesta­po in das Haus am Hohen­zol­lern­ring ein. Hier wur­de auch Ger­hard van Heu­kelum, von 1927 bis 1933 Chef­re­dak­teur der Zei­tung “Nord­deut­sche Volks­stim­me”, mehr­fach inhaftiert.

Das Gebäu­de hat die Bom­ben­an­grif­fe auf Geest­e­mün­de über­stan­den. Nach Kriegs­en­de zog die ame­ri­ka­ni­sche Mili­tär­re­gie­rung in das ehe­ma­li­ge Ver­lags- und Wohn­ge­bäu­de ein. Auch deut­sche Poli­zei­dienst­stel­len waren hier unter­ge­bracht. In den 1950er Jah­ren erhiel­ten die SPD und die Gewerk­schaf­ten ihr Grund­stück wie­der zurück. Die “Nord­deut­sche Volks­stim­me”, die ab 1. Okto­ber 1948 wie­der erschien, wur­de zunächst die “Bre­mer­ha­ve­ner Volks­stim­me” und schließ­lich die “Bre­mer­ha­ve­ner Bür­ger­zei­tung”. Im Jah­re 1970 wur­de die Zei­tung eingestellt.
Das ehemalige Verlagsgebäude der "Norddeutschen Volksstimme"Eben­falls in den 1950er Jah­ren mie­te­ten sich hier die Volks­für­sor­ge, ver­schie­de­ne Ver­si­che­rungs­ge­sell­schaf­ten  und ande­re Büros ein. Im Erd­ge­schoss an der Sei­te zur Fried­rich-Ebert-Stra­ße gab es Ein­zel­han­dels- und Lebensmittelgeschäfte.

Bis auf den Tanz­club Capi­tol im Erd­ge­schoss haben alle Mie­ter das ehe­ma­li­ge Ver­lags- und Wohn­ge­bäu­de ver­las­sen. Auch die zwei Laden­lo­ka­le ste­hen schon lan­ge leer. Im ver­gan­ge­nen Som­mer hat ein Frank­fur­ter Inves­tor das Gebäu­de erwor­ben. Etwa 5.000 Qua­drat­me­ter Nutz­flä­che will der Inves­tor ent­ker­nen. Aus dem geschichts­träch­ti­gen Gebäu­de soll ein Stu­den­ten­haus mit 55 bis 60 Appar­te­ments mit einer Wohn­flä­che von etwa 20 Qua­drat­me­tern wer­den. Auf dem Dach soll eine 80 Qua­drat­me­ter gro­ße Ter­ras­se und zwei WG-Woh­nun­gen ent­ste­hen. “Die Hoch­schu­le wächst und bie­tet neue Stu­di­en­gän­ge an”, ist der Inves­tor überzeugt.
Das ehemalige Verlagsgebäude der "Norddeutschen Volksstimme"Mit der Bre­mer­ha­ve­ner Denk­mal­be­hör­de soll ver­ein­bart wor­den sein, dass die neu­en Fens­ter sich nah am Spros­sen-Ori­gi­nal ori­en­tie­ren. Auch ver­schie­de­ne ande­re Ele­men­te sol­len erhal­ten blei­ben: eines der drei Trep­pen­häu­ser mit dem alten Holz­ge­län­der und Ter­razzo­bo­den, die Eisen­tü­ren im Kel­ler. In einem Jahr soll “Das Fried­rich” eröff­net wer­den. Stu­den­ten kön­nen sich bereits um eine Woh­nung bewer­ben. Die Mie­te soll in inclu­si­ve Neben­kos­ten rund 450 Euro betragen.
Quel­len:
S. Schwan: “Vom Fol­ter­haus zur Stu­den­ten­bu­de”, Nord­see-Zei­tung vom 19.10.2020

Har­ry Gab­cke: “Bre­mer­ha­ven in zwei Jahr­hun­der­ten – 1919–1947″, Sei­ten 54 + 55
H. + R. Gab­cke und H. Kört­ge: “Bre­mer­ha­ven, frü­her, ges­tern, heu­te”, Sei­te 99

Rudolf Herbig: “Natio­nal­so­zia­lis­mus in den Unter­we­ser­or­ten”, Sei­ten 40 und 41
Bre­mer Lan­des­amt für Denkmalpflege
wiki­pe­dia