Einsiedlers Heiliger Abend

Fro­he Weihnachtszeit

Der Deich­SPIE­GEL wünscht allen Lesern ein fried­li­ches Weih­nachts­fest und ein fro­hes neu­es Jahr. Bleibt alle gesund und passt gut auf Euch auf. Und trinkt nicht soviel Bur­gun­der­wein. 🙂

Ein­sied­lers Hei­li­ger Abend

Ich hab’ in den Weihnachtstagen –
Ich weiß auch, warum –
Mir selbst einen Christ­baum geschlagen,
Der ist ganz ver­krüp­pelt und krumm.

Ich bohr­te ein Loch in die Diele
Und steck­te ihn da hinein
Und stell­te rings um ihn viele
Fla­schen Burgunderwein.

Und zier­te, um Baum­schmuck und Lichter
Zu spa­ren, ihn abend noch spät
Mit Löf­feln, Gabeln und Trichter
Und ande­rem blan­ken Gerät.

Ich koch­te zur hei­li­gen Stunde
Mir Erb­senup­pe und Speck
Und gab mei­nem fröh­li­chen Hunde
Gulasch und litt sei­nen Dreck.

Und sang aus bur­gun­dern­der Kehle
Das Pfannenflickerlied.
Und pries mit bewun­dern­der Seele
Alles das, was ich mied.

Es glimm­te petroleumbetrunken
Spä­ter der Lampendocht.
Ich saß in Gedan­ken versunken.
Da hat’s an der Tür gepocht.

Und poch­te wie­der und wieder.
Es konn­te das Christ­kind sein.
Und klang’s nicht wie Weihnachtslieder?
Ich aber rief nicht: “Her­ein!”

Ich zog mich aus und ging leise
Zu Bett, ohne Angst, ohne Spott,
Und dank­te auf krum­me Weise
Lal­lend dem lie­ben Gott.

 (Joa­chim Ringelnatz)

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