Verschlagwortet: Stadtentwicklung

Die Geschichtswerkstatt Lehe erzählt

Die Geschichts­werk­statt Lehe erzählt

Regel­mä­ßig tref­fen sich die Mit­glie­der der Geschichts­werk­statt Lehe, die der Kul­tur­wis­sen­schaft­ler Dr. Burk­hard Her­ge­sell im Jah­re 2006 gegrün­det hat. Heu­te sind es rund ein Dut­zend Hob­by­his­to­ri­ker, die Geschich­ten aus einer Zeit zusam­men­tra­gen, in der es Lehe noch gut ging.Die Geschichtswerkstatt Lehe erzähltIn den Jah­ren 1880 bis 1914 ent­stand in Lehe ein Wohn­quar­tier, dass heu­te als Goe­the­stra­ßen-Quar­tier bekannt ist. “Es kamen täg­lich Leu­te an, woll­ten ihren Fami­li­en ein bes­se­res Leben ermög­li­chen”, so Dr. Her­ge­sell im Sonn­tags­jour­nal vom 04.01.2015. Die um die Wen­de zum zwan­zigs­ten Jahr­hun­dert vor­herr­schen­de posi­ti­ve Grund­hal­tung der Zuwan­de­rer ist lei­der längst ver­flo­gen. Woh­nungs­leer­stän­de und Schrott­im­mo­bi­li­en prä­gen heu­te das Bild rund um die Goe­the­stra­ße. Doch wenn die sehr dif­fe­ren­zier­te sozia­le Schich­tung in die­sem Gebiet auch nicht ein­fach ist, vie­le hier leben­de Men­schen möch­ten sich für “ihr” Quar­tier posi­tiv enga­gie­ren.Die Geschichtswerkstatt Lehe erzähltSo tref­fen sich die Mit­glie­der der Geschichts­werk­statt Lehe alle vier­zehn Tage im Treff­punkt “Kog­ge” in der Goe­the­stra­ße 23. Die Tref­fen sind aber nicht dem all­ge­mei­nen Zeit­ver­treib gewid­met. Hier wird ernst­haft die Geschich­te des Stadt­teils Lehe auf­ge­ar­bei­tet. Geschich­ten aus der Zeit, als Lehe noch ein boo­men­der Stadt­teil war, wer­den erin­nert und zusammengetragen.

Im Jah­re 1800 war Lehe noch eine klei­ne Gemein­de mit nur 1.300 Ein­woh­nern. Die indus­tri­el­le Revo­lu­ti­on spül­te aber auch nach Lehe Men­schen, die in den neu­en Werf­ten, Fabri­ken und Hafen­an­la­gen Arbeit fan­den. Im Jah­re 1900 hat­ten in Lehe, die 1920 eine kreis­freie Stadt wur­de, 28.000 Ein­woh­ner ihre Heimat.

Die fast ver­ges­se­nen Ein­zel­schick­sa­le der Men­schen die­ser Stadt und die­ser Zeit wie­der­be­le­ben, dass ist das Ziel der Mit­glie­der der Geschichts­werk­statt Lehe. Die klei­nen Geschich­ten der ein­zel­nen Men­schen wer­den ein­ge­bet­tet in die gro­ße Geschich­te jener Zeit und in die sozia­len Ver­hält­nis­se, die damals unab­än­der­lich das Leben der Kin­der und Erwach­se­nen, der Män­ner und Frau­en bestimm­ten.Die Geschichtswerkstatt Lehe erzähltIn der Geschichts­werk­statt denkt man auch dar­über nach, wie man das Quar­tier Goe­the­stra­ße wie­der auf­wer­ten könn­te. Als ers­ten Schritt hat  im ver­gan­ge­nen Jahr eine für das Quar­tier Goe­the­stra­ße zustän­di­ge Quar­tier­ma­na­ge­rin ihre Arbeit auf­ge­nom­men. Sie soll eng mit der Immo­bi­li­en­wirt­schaft zusam­men­ar­bei­te und dafür Sor­ge tra­gen, dass das Quar­tier wie­der als Wohn­ge­biet attrak­tiv wird.
Quel­len:
Sonn­tags­jour­nal vom
04.01.2015
geschichtswerkstatt-lehe.de
burkhard-hergesell.de
meinlehe.de
esglehe.de

 

Im Quartier Goethestraße wird weiter abgerissen

Der Abriss­bag­ger hat im Leher Quar­tier Goe­the­stra­ße schon aller­hand zu tun gehabt. Hier wird ordent­lich auf­ge­räumt mit dem Ziel, das Quar­tier wie­der inter­es­sant für Woh­nungs­su­chen­de zu machen.

Quartier Goethestraße | Uhlandstraße 19

Bre­mer­ha­ven lässt sich von Immo­bi­li­en­hai­en, die unren­ta­ble Häu­ser ver­fal­len las­sen, nicht mehr auf der Nase her­um­tan­zen. Mit dem neu­en “Woh­nungs­auf­sichts­ge­setzt” kann die Stadt ver­hin­dern, dass Schrott­im­mo­bi­li­en ein­fach sich selbst über­las­sen werden.

Das Gesetz schreibt vor, dass Woh­nun­gen aus­rei­chend belüft­bar sein und Zugang zum Tages­licht haben müs­sen. Natür­lich müs­sen auch für Ener­gie, Was­ser, Hei­zungs­an­la­gen, Koch­stel­len und sani­tä­re Ein­rich­tun­gen vor­han­den sein. Andern­falls kann die Stadt die Räu­me für unbe­wohn­bar erklären.

Quartier Goethestraße | Lutherstraße 24

Im Quar­tier Goe­the­stra­ße hat die Stadt Bre­mer­ha­ven bereits vier ver­kom­me­ne Immo­bi­li­en erwor­ben. Seit Mit­te Novem­ber sind Bau­ar­bei­ter mit dem Abriss des bau­fäl­li­gen Hau­ses Uhland­stra­ße 19 beschäf­tigt. Die Stadt sucht Inter­es­sen­ten, die das frei­ge­mach­te Grund­stück mit einem Stu­den­ten­wohn­heim bebau­en wür­den. In der Zollin­land­stra­ße steht eben­falls ein Gebäu­de, deren Ankauf die Stadt anstrebt.

Aber die Stadt Bre­mer­ha­ven schöpft noch wei­te­re Optio­nen aus. Wo es mög­lich ist, betreibt sie die Zwangs­ver­stei­ge­rung und bie­tet mit. So soll auch das dem Ver­fall preis­ge­ge­be­ne Haus an der Ecke Goe­the- und Luther­stra­ße im nächs­ten Jahr end­lich zwangs­ver­stei­gert wer­den und so in den Besitz der Stadt gelan­gen. Zu ret­ten wird das einst so schö­ne Eck­haus nicht mehr sein. Gleich­wohl hält die Stadt den Abriss für den ers­ten Schritt auf dem Weg, dem vom Ver­fall gezeich­ne­ten Vier­tel end­lich wie­der neu­es Leben ein­zu­hau­chen. Ob sie damit wohl Erfolg haben wird?
Quel­len:
Rai­ner Dons­bach, Nord­see-Zei­tung vom 28.11.2014 (pdf)
Nord­see-Zei­tung vom 16.09.2014 (pdf) und vom 21.11.2014 (pdf)

Das Restaurant Delphin in der ehemaligen Leher Deichstraße

Die Leher Stra­ße “Auf den Sül­ten” wur­de um 1860 ange­legt. Sie ist eine der ers­ten öst­li­chen Sei­ten­stra­ße der mitt­le­ren Hafen­stra­ße. Der Name geht zurück auf eine Salz­sie­de­rei, die ein Bre­mer Bür­ger im Jah­re 1550 an der Gees­te anleg­te. Das Wort Sül­ten bedeu­tet Sulfhaus, also Salz­haus. Damit kann auch ein Lager­haus für impor­tier­tes Salz gemeint sein.

Auf den Sülten mit Blick zur Hafenstraße

Heu­te ist es nahe­zu in Ver­ges­sen­heit gera­ten, dass die Stra­ße einst den Namen “Deich­stra­ße” trug. Erst als im Jah­re 1925 aus die Orte Geest­e­mün­de und Lehe  zur Stadt Weser­mün­de wur­den, bekam die Stra­ße den Namen “Auf den Sülten”.

Auf den Sülten in Bremerhaven Lehe| Blick Richtung Geeste

Noch bis heu­te ist die Stra­ße eine beschau­li­che Gas­se mit einem Fahr­weg aus roman­ti­schem Kopf­stein­pflas­ter geblie­ben. Am öst­li­chen Aus­gang der Gas­se kommt man auf die Werft­stra­ße, in der sich in den spä­ten 1870er Jah­ren eine klei­ne Boots­werft ange­sie­delt hat – die spä­te­re Del­phin-Werft.  Und hier, an der Eimün­dung der Deich­stra­ße in die Werft­stra­ße steht das Eck­haus mit der ehe­ma­li­gen Anschrift Deich­stra­ße Nr. 17.

Um 1910 Auf den Sülten in Lehe

Foto: Stadt­ar­chiv Bremerhaven

Die Gast­stät­te, die sich im Erd­ge­schoss des Hau­ses befand, hieß “Restau­rant Del­phin” ‑gleich gegen­über befand sich ja die “Del­phin-Werft”. Bis 1927 führ­te ein bekann­ter Maler das Lokal, dann über­nahm es eine Wit­we, die es bis 1938 führ­te. Das Lokal soll noch bis min­des­tens 1962 bewirt­schaf­tet wor­den sein.

Restaurant Delphin in Lehe

An den Bil­dern kann man erken­nen, dass das sanier­te Gebäu­de — viel­leicht im Rah­men der Sanie­rungs­maß­nah­men — sein Türm­chen ver­lo­ren hat. Das “Restau­rant Del­phin” gibt es nicht mehr.
Quel­len:
Peter Raap: Nie­der­deut­sches Hei­mat­blatt Nr. 728 vom August 2010
Her­bert Kört­ge: Die Stra­ßen­na­men der See­stadt Bremerhaven

Vom Bremerhavener Volksgarten zur ersten Stadthalle

In fast jeder Stadt gab es Gebäu­de, von denen heu­te kaum noch jemand etwas weiß. Nur noch alte Bil­der und Ansichts­kar­ten geben dar­über Aus­kunft. Und nur noch anti­qua­ri­sche Bücher erzäh­len uns die zeit­ge­nös­si­schen Geschich­ten über die alten Häu­ser. Sonst wür­den sie wohl für immer aus unse­rer Erin­ne­rung verschwinden.

Auch dass es einst in Bre­mer­ha­ven in der Deich­stra­ße einen “Volks­gar­ten” gab, weiß heu­te kaum noch jemand:

Stadttheater und Volksgarten 1901 in der Deichstraße in Bremerhaven

Schon früh begann in Bre­mer­ha­ven auch das kul­tu­rel­le Leben. In den 1860er Jah­ren gab es bereits vie­le Gesangs­ver­ei­ne. Noch viel frü­her haben in Bre­mer­ha­ven gele­gent­lich rei­sen­de Schau­spie­ler­grup­pen  für Unter­hal­tung gesorgt. Zunächst wur­de in einem Hin­ter­haus an der  Fähr­stra­ße in den 1840er Jah­ren eine dau­er­haf­te Unter­hal­tungs­mög­lich­keit ein­ge­rich­tet. Spä­ter fan­den die Vor­stel­lun­gen in der Wirt­schaft von Claus Meyn statt. Das war an der Ecke Bür­ger­meis­ter-Smidt-Stra­ße und Mit­tel­stra­ße. Heu­te steht an dem Ort die Sparkasse.

Aber auch an ande­ren Orten wur­de Thea­ter gespielt. So stell­te zum Bei­spiel der Schiff­bau­er Cor­ne­li­us sei­nen Besitz an der Gees­te zur Ver­fü­gung. Für Cor­ne­li­us war sei­ne “Kunst­bu­de” ein gutes Geschäft, befand sich doch im Saal sein Schank­tisch, an dem er wäh­rend der Vor­stel­lung Bier aus­schenk­te. An rot gestri­che­nen Tischen  konn­te man in aller Gemüts­ru­he sein Bier trin­ken und sei­ne Pfei­fe rau­chen, wäh­rend auf der Büh­ne die Lei­den­schaf­ten tob­ten. Soll­te das Stück nach den Zwi­schen­ak­ten fort­ge­führt wer­den, soll Cor­ne­li­us zur Büh­ne rüber­ge­brüllt haben: “Noch nich wed­der anfan­gen. De Her­rens hefft eren Grog noch nich ut!” Und über den Köp­fen der Zuschau­er saus­ten auch schon mal Rat­ten durch das Gebälk.

Gruß aus dem Volksgarten Bremerhaven aus dem Jahre 1901

1868 kauf­te Musik­di­rek­tor Schwie­fert das Grund­stück des Cor­ne­li­us und bau­te es groß­zü­gig zum  wohl größ­ten Saal- und Gar­ten-Eta­blis­se­ment um – dem “Volks­gar­ten” auf der Deich­stra­ße. Neben einem gro­ßen Saal ent­stan­den ein Kon­zert­gar­ten und ein neu­es Thea­ter­ge­bäu­de. Hier fand fort­an das Bre­mer­ha­ve­ner Gesell­schafts­le­ben statt. Im Som­mer waren im Kaf­fee­gar­ten abends bei Lam­pion­be­leuch­tung Kon­zer­te der belieb­ten Albert-Kapel­le. Im gro­ßen Saal fan­den Ver­eins­fes­te, Bäl­le und Tanz­un­ter­richt statt.

Der Bür­ger­club mit sei­nem Wohl­tä­tig­keits­ba­sar war beson­ders beliebt. Wochen vor­her wur­de gestrickt, gehä­kelt und gestickt. Dann wur­de im gro­ßen Saal eine Buden­stadt auf­ge­baut, und es wur­de alles ver­kauft. Aber an einem Stand konn­te man kei­ne Hand­ar­bei­ten kau­fen. Hier boten rei­zen­de Sou­brett­en und belieb­te Schau­spie­le­rin­nen ihre locken­den Lip­pen zum Küs­sen an – aber es gab kei­nen Kuss unter zehn Mark für die Wohlfahrtskasse.

Sub­ven­tio­nen bekam der Musik­di­rek­tor für sein “Stad­thea­ter” nicht. Es war sein rein pri­va­tes Unter­neh­men, um das sich die Stadt nicht küm­mer­te.  Um einen zer­schlis­se­nen Vor­hang erset­zen zu kön­nen, wur­de zwi­schen den Akten ein Vor­hang mit Rekla­me gezeigt. Die Rekla­me allein mach­te es bei der chro­ni­schen Kas­sen­lee­re mög­lich, einen neu­en Vor­hang anzuschaffen.

Um die Zuschau­er anzu­lo­cken, wur­den vor­wie­gend unter­halt­sa­me Stü­cke gespielt. Kaba­rett­ein­la­gen, Varie­té­vor­stel­lun­gen und sogar Ring­kämp­fe gehör­ten zum Pro­gramm, um die Thea­ter­kas­se zu füllen.

1927 Stadthalle in der Deichstraße in Bremerhaven

Aber auch anspruchs­vol­le Auf­füh­run­gen bekam man im “Stadt­thea­ter Bre­mer­ha­ven” zuse­hen. Die Dar­bie­tun­gen des “Gemisch­ten Chors” unter Musik­di­rek­tor Wol­te­mas fand bei der Bre­mer­ha­ve­ner Bevöl­ke­rung gro­ße Zustim­mung. Und ab 1872 gab es sogar Opern zu sehen. Mit Ver­dis “Trou­ba­dour” fing es an, und vie­le wei­te­re bedeu­ten­de Wer­ke folg­ten. Mit “Lohen­grin” und “Tan­nen­häu­ser” stan­den in der Sai­son 1877 sogar Wer­ke von Richard Wag­ner auf dem Spielplan.

Anfang der 1880er Jah­re hat ein Kon­sor­ti­um den “Volks­gar­ten” gekauft und an der Stra­ßen­sei­te ein gro­ßes Haupt­ge­bäu­de bau­en las­sen. Gleich­wohl fan­den die Thea­ter­auf­füh­run­gen wei­ter­hin in den alten Räu­men an der Gees­te statt. 1903 wur­de der Thea­ter­saal wegen Feu­er­ge­fahr geschlos­sen. Die Feu­er­po­li­zei ver­füg­te den Abriss. Nun muss­te man auf die recht unzu­läng­li­che Büh­ne des gro­ßen Saa­les im “Volks­gar­ten” ausweichen.

1927 Straßenfront der Stadthalle in Bremerhaven in der Deichstraße

Zu Beginn der 1920er Jah­re befass­te sich die Stadt Bre­mer­ha­ven mit dem Gedan­ken, eine schö­ne reprä­sen­ta­ti­ve Stadt­hal­le zu bau­en. Kon­gres­se soll­ten hier tagen und Ver­an­stal­tun­gen abge­hal­ten wer­den. So beschlos­sen die Stadt­ver­ord­ne­ten 1925, den “Volks­gar­ten” ent­spre­chend umzu­bau­en. Nach den Plä­nen von Stadt­bau­rat Hage­dorn ent­stand eine schö­ne und leis­tungs­fä­hi­ge Stadt­hal­le mit einer Gar­ten­an­la­ge. Mit­tel­punkt war der vom alten “Volks­gar­ten” über­nom­me­ne gro­ße Saal mit sei­ner pracht­vol­len Akus­tik. Der Neue Saal mit 400 Sitz­plät­zen und eine Rei­he von klei­ne­ren Sälen und Neben­räu­men wur­den neu gebaut.

1927 Konzertgarten der Stadthalle in Bremerhaven

Am 30. April 1927 fand die Hun­dert­jahr­fei­er Bre­mer­ha­vens statt, und die Stadt­hal­le an der Deich­stra­ße wur­de der Bevöl­ke­rung über­ge­ben. 1.400 Besu­cher fan­den in dem gro­ßen Saal Platz. Kon­zer­te, Bäl­le, Aus­stel­lun­gen, Varie­té, Par­tei­ver­samm­lun­gen, sport­li­che Wett­kämp­fe und vie­le ande­re Ver­an­stal­tun­gen wur­den hier abge­hal­ten. Bei gutem Wet­ter ging man gern in den ter­ras­sen­för­mig für 1.500 Besu­chern ange­leg­ten Kon­zert­gar­ten am Geesteufer.

Lei­der war die Hun­dert­jahr­fei­er auch das größ­te Ereig­nis, das in der Stadt­hal­le gefei­ert wer­den konn­te. Nur 17 Jah­re spä­ter fiel auch sie den Luft­an­grif­fen auf die Stadt zum Opfer. Nach dem Krieg wur­de sie nicht wie­der auf­ge­baut, heu­te steht an die­ser Stel­le die Goetheschule.

Quel­len:
Georg Bes­sel: Geschich­te Bremerhavens
Georg Bes­sel: Die ers­ten 100 Jah­re Bre­mer­ha­vens – von 1826 bis 1927
Har­ry Gab­cke: Bre­mer­ha­ven in zwei Jahr­hun­der­ten 1827 – 1918
Jür­gen Krü­ger: Stadt und Leu­te Ges­tern und Heu­te, 150 Jah­re Bremerhaven

Im Bremerhavener Scharnhorstgebiet nahmen viele Reformen ihren Anfang

Frü­her war alles bes­ser als heu­te”, wird die “Die Gute Alte Zeit” oft­mals glo­ri­fi­ziert. Doch wie war es frü­her wirk­lich? Damals, als tech­ni­scher und wirt­schaft­li­cher Fort­schritt gera­de erst anfin­gen, die Lebens­be­din­gun­gen zu verbessern.

Zeichnung von Heinrich Zille

Hein­rich Zil­le gibt uns dar­über Aus­kunft, wie die armen Leu­te um die Jahr­hun­dert­wen­de gelebt haben. Als sei­ne Eltern mit dem neun­jäh­ri­gen Hein­rich 1867 nach Ber­lin zie­hen — wie Hun­dert­tau­sen­de ande­re Arbeits­su­chen­de auch — haus­ten sie bis zu sei­nem 14. Lebens­jahr unter ärm­li­chen Bedin­gun­gen in einer Kel­ler­woh­nung. In den Hin­ter­hö­fen herrscht Armut und Kri­mi­na­li­tät, Schmutz und Elend. Von den Häu­sern blät­tert der Putz ab, in den dunk­len Hin­ter­hö­fen quel­len die Müll­ei­mer über. Zu den Trep­pen­auf­gän­gen mit den aus­ge­tre­te­nen Stu­fen gelangt nur spär­lich das Tageslicht.

Woh­nun­gen sind knapp in Ber­lin, damals schon. Die Nach­fra­ge über­steigt stän­dig das Ange­bot. Und eine skru­pel­lo­se Grund- und Bau­spe­ku­la­ti­on sorgt dafür, dass es auch so bleibt. Wer kein Geld hat, der stran­det in den Miets­ka­ser­nen­vier­teln der armen Leu­te – in den feuch­ten Gas­sen, dort, wo das “Lum­pen­pro­le­ta­ri­at” lebt. Vier bis sechs Stock­wer­ke sind die her­un­ter­ge­kom­me­nen Häu­ser hoch, qua­dra­tisch um einen düs­te­ren und sti­cki­gen Hin­ter­hof ange­legt, der erfüllt ist vom Lärm der klei­nen Handwerksbetriebe.

Das Klop­fen, Häm­mern und Sägen aus den Werk­stät­ten über­tönt das Kin­der­ge­schrei und das Rufen und Schwat­zen der Müt­ter. Hier auf den Hin­ter­hö­fen ste­hen die Müll­ei­mer und manch­mal auch der Abort gleich daneben.

trostlose Wohnverhältnisse

Vie­le Woh­nun­gen haben nur ein beheiz­ba­res Zim­mer, das in der Regel gleich­zei­tig als Küche, Wohn- und Schlaf­stu­be dient. Die Gemein­schafts­toi­let­te auf dem Trep­pen­po­dest oder eben im Hof neben den Müll­ei­mern wird manch­mal von mehr als 40 Per­so­nen benutzt. Fens­ter haben die Woh­nun­gen nicht, Licht und Luft kom­men spär­lich über Licht­schäch­te – wenn die Woh­nung nicht gleich im licht­lo­sen Kel­ler liegt. Drang­vol­le Enge herrscht über­all. Kin­der, Kran­ke und zwi­schen­drin viel zu schnell geal­ter­te Frau­en, die für sie­ben Pfen­nig die Stun­de bis zur Erschöp­fung auf ihrer auf Raten gekauf­ten Näh­ma­schi­ne tre­ten, um für einen Zwi­schen­händ­ler Kin­der­män­tel oder Maler­kit­tel zu fabrizieren.

Um ihre Mie­te bezah­len zu kön­nen, sind vie­le gezwun­gen, in den ohne­hin schon über­füll­ten Woh­nun­gen “Schlaf­bur­schen” auf­zu­neh­men. Dann müs­sen die Kin­der ihr Bett frei machen und auf dem Fuß­bo­den schlafen.

Am 1. April und am 1. Okto­ber ist “Zieh­tag”, dann herrscht reger Umzugs­ver­kehr. Bela­den mit ihren weni­gen Hab­se­lig­kei­ten zie­hen die Mie­ter von einer trost­lo­sen Woh­nung in eine noch trost­lo­se­re – womög­lich in einen Kel­ler oder in einen soeben fer­tig gestell­ten, noch feuch­ten Neubau.

Trockenwohner

Tro­cken­woh­nen” nennt man jene Mie­ter, die eine frisch ver­putz­te Woh­nung gera­de so lan­ge bewoh­nen dür­fen, bis sie genü­gend aus­ge­trock­net ist und zah­lungs­kräf­ti­ge­ren Mie­tern ange­bo­ten wer­den kann.

Bre­mer­ha­ven ist nicht Ber­lin, hier ström­ten die Men­schen nicht zu Tau­sen­den in die Stadt. Aber die Wohn­ver­hält­nis­se wer­den hier nicht bes­ser gewe­sen sein. Doch hier in Bre­mer­ha­ven soll­te das ändern, hier gab es Men­schen in der Ver­wal­tung, die Ver­ant­wor­tung über­nah­men und alles taten, um die Woh­nungs­not in Bre­mer­ha­ven zu lindern.

Von 1905 bis 1933 war der  ehe­ma­li­ge Bre­mer­ha­ve­ner Stadt­bau­meis­ter Johann Hein­rich Juli­us Hage­dorn auch für den Woh­nungs­bau ver­ant­wort­lich und setz­te sich in den 1920ger Jah­ren maß­geb­lich für den sozia­len Woh­nungs­bau in Bre­mer­ha­ven ein. Unter sei­ner Regie ent­stand auf dem zwi­schen Gnei­sen­au­stra­ße, Kai­ser­stra­ße, Kant­stra­ße und Wal­de­mar-Becké-Platz gele­ge­nem Are­al ein neu­es Wohn­quar­tier mit rund 520 neu­en Wohnungen.

Lageplan Scharnhorstviertel Bremerhaven

Das in der Wei­ma­rer Repu­blik neue, ver­fas­sungs­recht­lich abge­si­cher­te Grund­recht auf gesun­den Wohn­raum setz­te die Stadt Bre­mer­ha­ven in die­sem Neu­bau­ge­biet auf vor­bild­li­cher Wei­se um. Viel frü­her als ande­re deut­sche Städ­te schuf Bre­mer­ha­ven zu Beginn des 20. Jahr­hun­derts die gesetz­li­chen Maß­ga­ben für die Errich­tung gesun­den Wohnraums.

Man­gel, Huma­nis­mus und sozi­al­po­li­ti­sche Ver­ant­wor­tung stan­den am Beginn einer Ent­wick­lung, die in einer vor­bild­li­chen Bau­ord­nung von 1908 und einem refor­mier­ten Stra­ßen­plan von 1913 mün­de­te. Auf Grund­la­ge die­ser neu­en Geset­ze konn­te der Kampf gegen Feuch­te und Schim­mel­bil­dung, Typhus und Krank­hei­ten im tra­di­tio­nel­len Miet­woh­nungs­bau auf­ge­nom­men werden.

Wohnblock im Erhaltungsgebiet Bremerhaven

Damit auch die unte­ren Woh­nun­gen vom Tages­licht erreicht wer­den konn­ten und eine Quer­lüf­tung mög­lich war, sahen die neu­en Vor­schrif­ten ein­zu­hal­ten­de Bau­hö­hen in Abhän­gig­keit zur Stra­ßen­brei­te vor. Auch wur­den Toi­let­ten und ein Was­ser­an­schluss zur Auf­la­ge gemacht. Leicht geschwun­ge­ne Stra­ßen und ver­setz­te Ein­mün­dun­gen soll­ten die Mono­to­nie einer Block­rand­be­bau­ung entgegenwirken.

Klinkerbau mit Mezzaningeschoss an der Bürgermeister-Smidt-Strasse

Unter­stüt­zung bei die­sem gro­ßen Neu­bau­vor­ha­ben rings um die Scharn­horst­stra­ße fand der Bre­mer­ha­ve­ner Stadt­bau­meis­ter beim Ber­li­ner Stadt­pla­ner Prof. Theo­dor Göcke. Gemein­sam woll­ten sie ein neu­es Wohn­quar­tier für sozi­al Schwa­che bau­en, in dem Arbei­ter­fa­mi­li­en groß­zü­gi­ge und gesund­heit­lich unbe­denk­li­che Wohn­ver­hält­nis­se vorfinden.

Wohnungsbesichtigung

Sie haben dar­auf geach­tet, dass die in Block­rand­be­bau­ung gestal­te­ten Wohn­häu­ser mit Fens­tern aus­ge­stat­tet wer­den, durch die aus­rei­chend Tages­licht und fri­sche Luft in die für dama­li­ge Ver­hält­nis­se gro­ßen Wohn­räu­me gelan­gen kann. Außer­dem soll­ten Bal­ko­ne oder Log­gi­as den Mie­tern einen Ort der Erho­lung an der fri­schen Luft bie­ten. In den Bau­ten drü­cken sich die Idea­le einer huma­nis­ti­schen Reform­be­we­gung aus.

Musterwohnung im Bremerhavener Scharnhorstviertel

Aber nicht nur die Qua­li­tät der Woh­nun­gen waren den Pla­nern wich­tig. Auch auf die Ästhe­tik der Gebäu­de leg­te man gro­ßen Wert. Auf­wen­dig gestal­te­te Klin­ker- aber auch struk­tu­rier­te Putz­fas­sa­den, plas­tisch gemau­er­te Haus­ein­gän­ge, Stu­cka­tu­ren und Werk­stein­skulp­tu­ren sind so cha­rak­te­ris­tisch für die­se sti­lis­tisch am Expres­sio­nis­mus ori­en­tier­ten Bau­ten, dass eini­ge Fas­sa­den in der “alten Bür­ger” unter Denk­mal­schutz gestellt wurden.

Erhaltungsgebiet Bremerhaven Gneisenaustrasse

Die Genos­sen­schaft der Staats­be­diens­te­ten reich­ten 1913 den ers­ten Bau­an­trag für die Häu­ser an der Ecke Har­den­berg- und Gnei­sen­au­stra­ße ein. Und die­ser Antrag brach­te sie erst­mals alle zusam­men: Wal­de­mar Becké, den spä­te­ren Stadt­di­rek­tor und Ober­bür­ger­meis­ter, Juli­us Hage­dorn, den Stadt­bau­di­rek­tor, der ja bereits feder­füh­rend bei der neu­en Bau­ord­nung und dem Stra­ßen­plan mit­ge­wirkt hat­te, und der Ober­leh­rer Fried­rich Burk, Vor­sit­zen­der des Bre­mer­ha­ve­ner Mie­ter­ver­eins, 1927 Mit­be­grün­der der heu­ti­gen GWF und zu die­ser Zeit als kon­ser­va­ti­ver Stadt­ver­ord­ne­ter Wort­füh­rer für den sozia­len Woh­nungs­bau. Gemein­sam lern­ten sie die Woh­nun­gen ohne Tages­licht und Toi­let­ten ken­nen — Woh­nun­gen ohne flie­ßend Was­ser und fin­ger­di­ckem Schim­mel auf Wän­de und Mobi­li­ar. Sie beka­men ein Bild von den Wohn­ver­hält­nis­sen der unte­ren Ein­kom­mens­schich­ten und leg­ten den Grund­stein für eine städ­ti­sche Wohnungsfürsorge.

Putzbauten im Bremerhavener Erhaltungsgebiet

Und plötz­lich mach­te sich der Wohn­raum­man­gel spür­bar bemerk­bar. Der 1. Welt­krieg war vor­bei, und die Sol­da­ten kehr­ten heim, hei­ra­te­ten und grün­de­ten Fami­li­en. Zähl­te Bre­mer­ha­ven im Jah­re 1917 noch knapp 18.000 Ein­woh­ner, so waren es nur zwei Jah­re spä­ter fast 22.000.

Die Zahl der Woh­nungs­su­chen­den explo­dier­te. 1921 waren es mehr als 1.000 Men­schen, vor­wie­gend Fami­li­en mit gerin­gem Ein­kom­men, aber auch Erwerbs­lo­se. Und ihr  Anspruch auf gesun­den Wohn­raum war ja nun in der Wei­ma­rer Ver­fas­sung fest­ge­schrie­ben – eine sozi­al-libe­ra­le Errun­gen­schaft der neu­en Demo­kra­tie nach dem Zusam­men­bruch der Monarchie.

Haus in Bremerhavens Scharnhorstquartier

Aber wie soll­te Bre­mer­ha­ven die­sem ver­fas­sungs­mä­ßi­gen Anspruch gerecht wer­den? Der pri­va­te Woh­nungs­bau lag am Boden, weil Bau­stoff­man­gel und Miet­preis­bin­dung nie­man­dem eine Aus­sicht auf eine ange­mes­se­ne Ren­di­te bot. Und auch alle Bemü­hun­gen, eine Bau­ge­nos­sen­schaft zu grün­den, ver­lie­fen im Sande.

Es half nichts, die Stadt Bre­mer­ha­ven muss­te selbst tätig wer­den — und sie wur­de es. Auf Antrag Hage­dorns beschloss die damals nur 22.300 Ein­woh­ner zäh­len­de Stadt Bre­mer­ha­ven im Jah­re 1921 ein städ­ti­sches Woh­nungs­bau­pro­gramm – einer­seits ein sozi­al­po­li­ti­scher Beschluss, ande­rer­seits aber auch ein öffent­li­ches Kon­junk­tur­pro­gramm für die Bauwirtschaft.

Klinkerbau Bremerhaven Waldemar-Becke-Platz 2 - 6

Schon 1925/1926 ent­stan­den in der Har­den­berg­stra­ße die ers­ten Putz­bau­ten; zwar mit klas­si­schem Grund­riss, aber doch mit attrak­tiv gro­ßen Woh­nun­gen mit eige­nen Toi­let­ten und Bade­zim­mer, mit Bal­kon oder Log­gia. Schnell kamen wei­te­re Bau­ten an der Gnei­sen­au­stra­ße hin­zu. Hier errich­te­te in den Jah­ren 1926/1927 der Bre­mi­sche Staat ein Gebäu­de­kom­plex mit Woh­nun­gen für die Poli­zis­ten der benach­bar­ten Kaser­ne. Ab 1927 betei­lig­te sich die gemein­nüt­zi­ge Woh­nungs­für­sor­ge GmbH des Reichs­bun­des deut­scher Mie­ter, die heu­ti­ge  GWF Woh­nungs- und Immo­bi­li­en GmbH, mit fünf Bau­grup­pen am städ­ti­schen Wohnungsbauprogramm.

Klinkerbau Bürgermeister-Smidt-Straße in Bremerhaven

Die bei­den ers­ten bis 1929 fer­tig­ge­stell­ten Bau­grup­pen an der Har­den­berg- und Scharn­horst­stra­ße wur­den detail­ver­liebt aus­ge­führt und erhiel­ten eine expres­si­ve Fas­sad­en­glie­de­rung.  Auch die Bre­mer­ha­ve­ner Woh­nungs­bau­ge­sell­schaft mbH nahm hier ab 1930 ihre Bau­tä­tig­keit auf. Sie alle hat­ten das gemein­sa­me Ziel, die Woh­nungs­not in Bre­mer­ha­ven zu lin­dern. Sie stell­ten der Bevöl­ke­rung inner­halb von sie­ben Jah­ren rund 500 neue Woh­nun­gen zur Verfügung.

Hauseingang Bürgermeister-Smidt-Strasse 177

Mit der Fer­tig­stel­lung der Bau­blocks zwi­schen der Stein- und Kant­stra­ße und den Häu­sern der Bre­mer­ha­ve­ner Woh­nungs­bau­ge­sell­schaft an der Fich­te­stra­ße ende­ten 1931 die Bau­tä­tig­kei­ten im Erhal­tungs­ge­biet. Mit der Schlie­ßung der Teck­len­borg-Werft 1928 nahm die Ver­schlech­te­rung der wirt­schaft­li­chen Lage in Bre­mer­ha­ven ihren Anfang. Und ab dem Jah­res­wech­sel 1929/1930 mach­te sich auch die ein­set­zen­de Welt­wirt­schafts­kri­se dra­ma­tisch bemerk­bar. Für wei­te­re Bau­vor­ha­ben fehl­te der Stadt das Geld.

Hauseingang Scharnhorststr. 9

Das Wohn­quar­tier rund um die Scharn­horst­stra­ße kann man aber wohl zu den größ­ten kom­mu­nal­po­li­ti­schen Leis­tun­gen Bre­mer­ha­vens zäh­len kann. Hier im Erhal­tungs­ge­biet lässt sich noch heu­te der in der Wei­ma­rer Repu­blik statt­ge­fun­de­ne Wan­del in Städ­te­bau und Archi­tek­tur gut erkennen.

Hauseingänge im Erhaltungsgebiet

Natür­lich nagt auch an die­sen Gebäu­den der Zahn der Zeit so gewal­tig, dass umfang­rei­che Sanie­rungs­maß­nah­men erfor­der­lich gewor­den sind. Die Stadt, die GWF Woh­nungs- und Immo­bi­li­en GmbH und die Städ­ti­sche Woh­nungs­ge­sell­schaft Stä­wog wol­len in die­sem und in den nächs­ten bei­den Jah­ren in Gebäu­de, Stra­ßen und in das Wohn­um­feld vier Mil­lio­nen Euro investieren.

Für eine denk­mal­ge­rech­te Sanie­rung hat die Stadt Bre­mer­ha­ven ins­ge­samt 2,2 Mil­lio­nen Euro ein­ge­plant. Dar­in sind die För­der­mit­tel für die Woh­nungs­ge­sell­schaf­ten ent­hal­ten – ein Drit­tel stammt aus dem Bun­des­pro­gramm “Städ­te­bau­li­cher Denkmalschutz”.

Für die Sanie­rung der Scharn­horst- und der Har­den­berg­stra­ße hat die Stadt Bre­mer­ha­ven 1,1 Mil­lio­nen Euro ver­an­schlagt. Dafür sol­len die Stra­ßen nach his­to­ri­schem Vor­bild erneu­ert wer­den. Die Haus­zu­gän­ge sol­len mit Mosa­ik­pflas­ter und ein­ge­rahm­ten Beton­plat­ten wie­der eine Gestal­tung wie in den 1920er Jah­ren anneh­men. Die irgend­wann ver­schwun­de­nen Ligus­ter­he­cken, die ein­mal die Vor­gär­ten vom Stra­ßen­raum abgrenz­ten, sol­len wie­der ange­pflanzt werden.

Schließ­lich hat die zustän­di­ge Bre­mer­ha­ve­ner Bau­be­hör­de den neu­en Bebau­ungs­plan Nr. 436 “Erhal­tungs­ge­biet Scharn­horst­stra­ße” auf­ge­stellt, der den Bebau­ungs­plan “Stein­stra­ße” aus dem Jah­re 1978 inso­weit ersetzt, als die­ser das Erhal­tungs­ge­biet tangiert.

Klinkerbau Bürgermeister-Smidt-Straße 171 - 185 in Bremerhaven

Die Gebäu­de an der Bür­ger­meis­ter-Smidt-Stra­ße bis in Höhe der Scharn­horst­stra­ße sind nun als Bau­denk­ma­le (Ensem­ble) in die Denk­mal­lis­te des Lan­des Bre­men ein­ge­tra­gen. Zudem soll ent­spre­chend sei­ner bau­ge­schicht­li­chen Bedeu­tung das gesam­te Plan­ge­biet als Erhal­tungs­ge­biet fest­ge­setzt wer­den, was eine grund­sätz­li­che Geneh­mi­gungs­pflicht bau­li­cher Anla­gen und ihrer Nut­zung zur Fol­ge hat.

Wer sich inten­si­ver über die Erhal­tung der das Stadt­bild prä­gen­den Gestal­tungs­merk­ma­le infor­mie­ren möch­te, kann sich die sehr infor­ma­ti­ve Bro­schü­re “Städ­te­bau­li­cher Denk­mal­schutz – Erhal­tungs­ge­biet Scharn­horst­stra­ße” bei der GWF Woh­nungs- und Immo­bi­li­en GmbH als pdf-Datei herunterladen.

Quel­len:
GEO-Epo­che Nr. 12: Deutsch­land um 1900, Sei­ten 154 bis 161
gfw-bremerhaven.de, Bro­schü­re “Städ­te­bau­lich­er­Denk­mal­schutz…”
sonntagsjournal.de, vom 31.08.2014, Sei­te 6
staewog.de, Mie­ter­zei­tung vom März 2014, Sei­te 8

Die längst vergessenen Häuser 20 und 22 in der Neuelandstraße in Lehe

Der schreck­li­che Luft­an­griff am 18.09.1944 auf Bre­mer­ha­ven war nicht der ers­te Bom­ben­an­griff, den die Alli­ier­ten auf Bre­mer­ha­ven flo­gen. Bereits im Juni des glei­chen Jah­res ver­lo­ren Leher Bür­ger durch einen Bom­ben­an­griff ihr Hab und Gut.

Heu­te erin­nern in der Neu­e­land­stra­ße in Lehe nur noch Bau­lü­cken an Gebäu­de, die längst abge­ris­sen wur­den. Eini­ge Häu­ser aus der Grün­der­zeit waren bau­fäl­lig, ande­re wur­den Opfer des Luft­an­grif­fes. Auch die heu­te längst ver­ges­se­nen Häu­ser Num­mer 20 und 22 wur­den durch Bom­ben zerstört.

Die Grün­dung Bre­mer­ha­vens im 19. Jahr­hun­dert nahm der Bedarf an Wohn­raum stän­dig zu. In Bre­mer­ha­ven war der Bau­grund natur­ge­mäß sehr begrenzt, und so wich man in die Nach­bar­ge­mein­den aus. In der Gemein­de Lehe ent­stan­den damals beson­ders vie­le neue Stra­ßen­zü­ge. Im Jah­re 1850 wur­de auf dem Flur­stück “Neue Land” die Neu­e­land­stra­ße gebaut.

In die­ser Stra­ße wur­den gegen Ende des 19. Jahr­hun­derts die Häu­ser mit den Num­mern 19, 20, 22, 34 und 36 erstellt.

Neuelandstrasse, Blick vom Süden - heute

Das Haus Num­mer 20 hat­te einen stra­ßen­sei­ti­gen Spitz­gie­bel und im ers­ten Stock einen Erker. Der Blend­gie­bel des Hau­ses Num­mer 22 wies eben­falls zur Stra­ße hin. Die Orna­men­te an den Fas­sa­den erin­ner­ten an die Gründerzeit.

Neuelandstraße 24

In den Häu­sern befan­den sich klei­ne Woh­nun­gen mit Küche, Kam­mer, Stu­be und Kor­ri­dor. Die Gemein­schafts­toi­let­ten befan­den sich außer­halb der Woh­nun­gen. Im Hofe waren Wasch­kü­chen und Hüh­ner­stäl­le untergebracht.

Neuelandstraße Garagenhof

Die Was­ser­ver­sor­gung für bei­de Häu­ser erfolg­te durch eine Zis­ter­ne, die wäh­rend des 2. Welt­krie­ges zum Luft­schutz­raum umfunk­tio­niert wur­de. Ab 1933 waren bei­de Häu­ser an das elek­tri­schen Strom­netz angeschlossen.

Gewöhn­lich flo­gen die Bom­ber über Weser­mün­de nur hin­weg. Aber am 18. Juni 1944 war es anders. Die Bom­ben fie­len auf Bre­mer­ha­ven Mit­te und auf Lehe. Es gab vie­le Todes­op­fer und ver­letz­te 290 Men­schen, zum Teil sehr schwer. 257 Woh­nun­gen wur­den kom­plett zer­stört und 241 schwer beschädigt.

Auch die Häu­ser Neu­e­land­stra­ße Num­mer 18 bis Num­mer 22 wur­den zer­stört. Heu­te befin­det sich auf dem Grund­stück ein Garagenhof.

Quel­le:
Peter Raap: Nie­der­deut­sches Hei­mat­blatt Nr. 774 vom Juni 2014, Sei­ten 1 + 2

Schrottimmobilie im Goethequartier wartet auf den Abrissbagger

Wer sich das Gebäu­de Uhland­stra­ße 19 am Leher Pau­sen­hof noch anschau­en möch­te, der muss sich beei­len. Die mehr als hun­dert Jah­re alte Immo­bi­lie ist voll­kom­men ver­wahr­lost und wird in Kür­ze abgerissen.

Uhlandstraße 19

Neben etwa 30 Schrott­im­mo­bi­li­en steht auch  die­ses seit Jah­ren leer­ste­hen­de Grün­der­zeit­haus auf der Lis­te der Stadt Bre­mer­ha­ven, für die sie sich per Orts­ge­setz das Vor­kaufs­recht gesi­chert hat, um Spe­ku­la­tio­nen mit Schrott­im­mo­bi­li­en zu unter­bin­den. Kön­nen die Immo­bi­li­en nicht mehr saniert wer­den, lässt die Stadt sie abrei­ßen. Vor­aus­sicht­lich im bevor­ste­hen­de Herbst rol­len die Abriss­bag­ger, die in die­sem Jahr bereits die Gebäu­de Fritz-Reu­ter-Stra­ße 13 – 15 besei­tigt haben, in die Uhland­stra­ße, um mit dem vier­stö­cki­gen Schand­fleck 600 Qua­drat­me­ter unbrauch­ba­ren Wohn­raum zu beseitigen.
Quel­le:
Nord­see-Zei­tung vom 06.08.2014

Geestemünde in alten und neuen Ansichten — Teil 10

Geest­e­mün­de in alten und neu­en Ansich­ten — Teil 10

Im Volks­mund gibt es vie­le Gelän­de­be­zeich­nun­gen, die für den Ein­hei­mi­schen eine genaue Orts­an­ga­be dar­stel­len. Die­se oft­mals schon vie­le hun­dert Jah­re alten Bezeich­nun­gen gera­ten lang­sam in Ver­ges­sen­heit. Dar­um ist es wich­tig, die­se alten Flur­be­zeich­nun­gen für unse­re Nach­kom­men zu erhal­ten, sind sie in ihrer Bedeu­tung doch ein Stück Hei­mat und Geschichte.

In Geest­e­mün­de gibt es die Bezeich­nung “Pasch­vier­tel”. Das Wort “Pasch“ soll vom Nie­der­rhein stam­men und setz­te sich auch im nord­deut­schen Sprach­ge­brauch durch. Sei­nen Ursprung fin­det es jedoch in der latei­ni­schen Spra­che. Es stammt von “pascua” ab, was Wei­de oder Wei­de­land bedeu­tet. Wer heu­te durch die mit dich­ten Häu­ser­rei­hen bebau­te Pasch­stra­ße geht, kann sich viel­leicht nicht mehr vor­stel­len, dass die­ses Gebiet ein­mal Wei­de­land gewe­sen sein soll.

Paschviertel

Geest­en­dorf ent­stand wohl aus dem bereits 1139 erst­ma­lig erwähn­ten  Kirch­dorf Ges­ten­thor­pe. Das mit­tel­al­ter­li­che Geest­en­dorf gehör­te zum Amts- und Gerichts­be­zirk Viel­and und befand sich auf dem Geest­rü­cken rund um die Mari­en­kir­che. 1813 leb­ten in Geest­en­dorf 491 Men­schen, noch 1823 sol­len es nur 576 gewe­sen sein. Doch mit der Grün­dung der Stadt Bre­mer­ha­ven und den Häfen kamen immer mehr Men­schen in das ver­schla­fe­ne Geest­en­dorf. Bereits 1858 leb­ten hier 2.296 Ein­woh­ner. Vor allem Arbei­ter und Hand­wer­ker sie­del­ten sich hier an, da in Bre­mer­ha­ven und dem 1845 eben­falls neu ent­stan­den Geest­e­mün­de die Zuzugs­be­din­gun­gen sehr restrik­tiv waren.

Paschviertel

Das Are­al des heu­ti­gen Neu­mark­tes befand sich im Eigen­tum des Amts­ho­fes, dem spä­te­ren Amt Viel­and. Der Amts­hof lag schräg gegen­über der Mari­en­kir­che und war mit ver­schie­de­nen Wohn- und Wirt­schafts­ge­bäu­den bebaut. Auch gehör­ten ein gro­ßer Gar­ten und umfang­rei­che Län­de­rei­en dazu. Die­se erstreck­ten sich im Nor­den bis zur Bucht­stra­ße und wur­den im Osten durch die Bül­ken­stra­ße begrenzt.

1936 Bismarckstrasse

Nach der Grün­dung von Bre­mer­ha­ven und Geest­e­mün­de nahm Geest­en­dorf – wie bereits erwähnt – als Wohn­vor­ort für die bei­den klei­nen Hafen­or­te inner­halb weni­ger Jahr­zehn­te einen erheb­li­chen Auf­schwung. Als Fol­ge hat­te sich die Wohn­be­bau­ung in Geest­en­dorf erheb­lich Rich­tung Osten und Nor­den erwei­tert und Geest­en­dorf wuchs ent­lang der heu­ti­gen Georg­stra­ße all­mäh­lich auf Geest­e­mün­de zu.

1905_Bülkenstrasse

Zur glei­chen Zeit ent­stand für die vie­len Neu­bür­ger auf einem nörd­lich des Geest­en­dor­fer Geest­rü­ckens gele­ge­nen Wei­de­land ein neu­es Wohn­ge­biet, dass man spä­ter in Anleh­nung an die alte Flur­be­zeich­nung den Namen “Pasch­vier­tel” gab. Die­ses von  der Georg­stra­ße, der Bis­marck­stra­ße, der Schil­ler­stra­ße und der Bucht­stra­ße begrenz­te Wohn­ge­biet besteht aus eng bei­ein­an­der lie­gen­den Gas­sen, die in einem leich­ten Bogen ver­lau­fen und von der Bucht­stra­ße schräg ange­schnit­ten wer­den. Das Pasch­vier­tel ent­wi­ckel­te sich zu einem dicht­be­sie­del­ten Orts­teil, der vom alten Geest­en­dor­fer Dorf­kern räum­lich getrennt war.

Mit dem Eisen­bahn­bau und der Erwei­te­rung der Geest­e­mün­der Hafen­an­la­gen wur­de für das Pasch­vier­tel 1856 eine wei­te­re Aus­deh­nung unmög­lich gemacht. Als 1863 der Handelshafen,der Nord­ka­nal und der Quer­ka­nal fer­tig­ge­stellt waren, muss­te die Chaus­see um das neu ent­stan­de­ne Zoll-“Freigebiet” her­um­ge­führt wer­den. Die zwi­schen 1859 und 1862 gebau­te Leher Stra­ße (spä­ter Bis­marck­stra­ße)  und  die  Leher  Chaus­see (spä­ter  Rhein­stra­ße) bil­de­ten die Bebau­ungs­gren­ze für das neue Wohn­vier­tel. Und der 1877 ange­leg­te Holz­ha­fen mach­te klar, dass es für das Pasch­vier­tel kei­ne wei­te­re Aus­deh­nung in nörd­li­cher Rich­tung geben kann.

1912 Buchtstrasse Ecke Keilstrasse

Also wur­de gen Süden wei­ter­ge­baut — zunächst ent­lang der bereits vor­han­de­nen Pasch­stra­ße, Bül­ken­stra­ße und Kur­ze Stra­ße (heu­te Tul­pen­stra­ße) — bis man die Bucht­stra­ße erreich­te. Hier war dann auch wie­der Schluss, denn das  jen­seits der Bucht­stra­ße gele­ge­ne Amts­hof­ge­län­de bil­de­te eine wei­te­re Gren­ze und so wur­de aus dem “Pasch”, ein­ge­zwängt zwi­schen Bucht­stra­ße und Bis­marck­stra­ße,  ein eng begrenz­tes und dicht­be­sie­del­tes Vier­tel mit klei­nen Arbei­ter- und  Hand­wer­ker­häu­sern  vom Typ “Leher Haus“.

Nelkenstraße

Zwi­schen Pasch­stra­ße, Bül­ken­stra­ße und Kur­ze Stra­ße wer­den wei­te­re Stra­ßen gebaut; Anfang der 1860er Jah­re ent­steht die Rosen­stra­ße und Mit­te der 1860er Jah­re die Nel­ken­stra­ße, in der heu­te noch ein paar Gebäu­de des Typ “Leher Haus” erhal­ten sind.

Die Grund­stü­cke waren sehr klein, sie reich­ten nur etwa zehn Meter in die Tie­fe. Dar­aus erga­ben sich Grund­stücks­grö­ßen von maxi­mal 100 Qua­drat­me­ter, oft­mals waren sie sogar noch klei­ner. So waren auch die Wohn­räu­me, jeden­falls gemes­sen an den heu­ti­gen Wohn­ver­hält­nis­sen, recht klein. Häu­fig muss­ten die Gewer­be­trei­ben­den auch ihre Werk­statt in den Woh­nungs­grund­riss ein­pla­nen, da die klei­nen Grund­stü­cke kein zusätz­li­ches Werk­statt­ge­bäu­de zuließen.

Kleingärten

Zwi­schen den Gebäu­den gab es schma­le Gän­ge, die zu den sehr klei­nen Hof­räu­men führ­ten. Die Anla­ge von Haus­gär­ten war in den klei­nen Hin­ter­hö­fen aller­dings nicht mög­lich. Zur Auf­bes­se­rung ihrer gerin­gen Ein­künf­te waren die Bewoh­ner dar­auf ange­wie­sen, in außer­halb gele­ge­nen Klein­gär­ten etwas Gar­ten­bau und auch Klein­vieh­hal­tung zu betrei­ben. Die­se Gär­ten wur­den am Ran­de des Pasch­vier­tels öst­lich der Schil­ler­stra­ße und Rhein­stra­ße ange­legt und zogen sich bis zum Gebiet des heu­ti­gen Haupt­bahn­ho­fes hin. Die Gär­ten ver­schwan­den erst in den 1950er Jahren.

Malergeschäft B. Hayen in der Friedrichstraße Ecke Tulpenstraße

Nur dort, wo irgend­wann ein­mal zwei Grund­stü­cke zusam­men­ge­legt wur­den, konn­ten die Hand­wer­ker und ande­re Gewer­be­trei­ben­de ihre Werk­statt außer­halb des Wohn­rau­mes unter­brin­gen. Nörd­lich der Fried­rich­stra­ße wur­den die Grund­stü­cke im Bebau­ungs­plan vom Anfang der 1850er Jah­re groß­zü­gi­ger ver­mes­sen. Hier konn­te man des­halb auch präch­ti­ge­re Gebäu­de mit grö­ße­rem Wohn­raum erstellen.

Heute gibt es hier auch das Malergeschäft von B. Hayen längst nicht mehr.

So befand sich etwa das Maler­ge­schäft B. Hay­en seit 1888 in dem klei­nen im Grün­der­haus­stil erbau­ten Wohn- und Geschäfts­haus an der Ecke Fried­rich­stra­ße und Tul­pen­stra­ße. Ein ande­res Gebäu­de, dass hier drei­ßig Jah­re lang stand, wur­de abgerissen.

Auch die heu­te noch bestehen­de Bäcke­rei Engel­brecht ent­stand hier zum Anfang des letz­ten Jahr­hun­dert an der Ecke Fried­rich­stra­ße zur Schil­ler­stra­ße in einer bereits vor­han­de­nen Bäckerei.

Bäckerei Engelbrecht in der Schillerstraße Ecke Friedrichstraße

Neben dem Maler­ge­schäft B. Hay­en ent­stan­den im Pasch­vier­tel vie­le ande­re Betrie­be. Max Sieg­hold, spä­te­rer Besit­zer der bekann­ten Sieg­hold-Werft, pach­te­te 1925 in der Nel­ken­stra­ße 2 von Fried­rich Nagel eine Schmie­de und begann sei­nen Betrieb mit einem Lehrling.

Möbelfabrik Schlüter

Pols­ter­meis­ter Lou­is Schlü­ter begann in der Nel­ken­stra­ße in einer klei­nen Werk­statt, bevor er um die Wen­de zum 20. Jahr­hun­dert sei­ne Möbel­fa­brik aufbaute.

Möbelfabrik Schlüter

Für die Tisch­ler­ar­bei­ten stell­te Lou­is Schlü­ter den im Jah­re 1898 gebo­re­nen Tisch­ler­meis­ter Karl Jüch­tern ein. Auch meh­re­re Gesel­len waren in der Möbel­fa­brik beschäftigt.

Möbelfabrik Schlüter

Der Betrieb bestand noch bis weit in die 1970er Jah­re hinein.

Karl Jüch­terns Vater hieß Hein­rich Jüch­tern, der hat­te ein klei­nes Transportunternehmen.

Transportunternehmen Heinrich Jüchtern

Mit sei­nem Pfer­de­fuhr­werk trans­por­tier­te er unter ande­rem das Gepäck der Rei­sen­den von und zum Bre­mer­ha­ve­ner Bahnhof.

1910 | Bierverlag Lehnert

Schräg gegen­über von Engel­brecht befand sich der Bier­ver­lag von Hein­rich Leh­nert, der eigent­lich eine Fleischwaren‑,  Margarine‑,  Bier- und Spi­ri­tuo­sen­groß­hand­lung war. Zwar gibt es das Leh­nert­sche Anwe­sen eben­falls nicht mehr, aber das

2014 | wieder aufgebaute Eckhaus an der Schillerstraße Ecke Raabestraße

Eck­haus wur­de zusam­men mit wei­te­ren Gebäu­den für einen Super­markt der­art wie­der auf­ge­baut, dass optisch eine his­to­ri­sche Ver­bin­dung zum alten Leh­nert­schen Gebäu­de­kom­plex her­ge­stellt wurde.

15. Mai 2014 Paschstrasse Blick Richtung Kreuzstrasse

Über das All­tags­le­ben im Pasch­vier­tel gibt kaum Auf­zeich­nun­gen. Es scheint aber ein Vier­tel gewe­sen zu sein, in dem die wohn­bau­li­chen und auch die hygie­ni­schen Ver­hält­nis­se anspruchs­los waren. Auch die Kana­li­sa­ti­on soll so unzu­rei­chend gewe­sen sein, dass die tie­fer gele­ge­nen Grund­stü­cke bei star­ken Regen­fäl­len unter Was­ser standen.

Paschschule

Dadurch, dass das Amts­hof­ge­län­de für die Geest­en­dor­fer Neu­bau­be­bau­ung eine Gren­ze dar­stell­te, blieb der Cha­rak­ter des Geest­en­dor­fer Orts­kern mit sei­nen alten Bau­ern­häu­sern bis weit ins letz­te Vier­tel des 19. Jahr­hun­derts erhal­ten. Das Pasch­vier­tel bekam sogar eine eige­ne Schu­le. 1863 wur­de in der Schil­ler­stra­ße 14 die Pasch­schu­le gebaut.

25. Mai 2014 | An der Schillerstraße/Ecke Raabestraße wurde im Frühjahr 1863 die neue vierklassige Paschschule bezogen.

1902 bezog die Katho­li­sche Volks­schu­le das Gebäu­de und blieb hier 37 Jah­re – bis zum Ver­bot im Jah­re 1939. Neben 13 wei­te­ren Schu­len wur­de durch den Luft­an­griff im Sep­tem­ber 1944 auch die Pasch­schu­le zerstört.

Kirche

Bei die­sem Angriff wur­de auch die 1911 ein­ge­weih­te Hei­li­ge Herz-Jesu-Kir­che durch Brand­bom­ben erheb­lich beschädigt.

Die alt­ein­ge­ses­se­nen Bewoh­ner Geest­en­dorfs blie­ben also “unter sich”, wäh­ren im Pasch­vier­tel die in Bre­mer­ha­ven und Geest­e­mün­de beschäf­tig­ten Arbei­ter ihre neue Hei­mat fan­den. Aber auch klei­ne­re Hand­werks­be­trie­be wie Bäcke­rei­en, Schlach­te­rei­en, Schus­te­rei­en und Milch­ge­schäf­te oder Koh­len­hand­lun­gen fan­den hier ihr Auskommen.

Bülkenstraße

Das blieb so, bis das Wohn­ge­biet durch den Luft­an­griff am 18. Sep­tem­ber 1944 fast völ­lig zer­stört wur­de und die an Stel­le der einst­mals klei­nen Wohn­häu­ser gebau­ten gro­ßen Wohn­blö­cke dem Vier­tel einen voll­kom­me­nen ande­ren Cha­rak­ter gaben.
Quel­len:
Dr. Hart­mut Bickel­mann, Nie­der­deut­sches Hei­mat­blatt Nr. 757 aus Janu­ar 2013
Daten zur Geschich­te der Katho­li­schen Schu­le…
His­to­ri­sche Bül­ken­stra­ße in neu­em Gewand (pdf-Datei)
Hart­mut Bickel­mann: Von Geest­en­dorf nach Geestemünde,
de.wikipedia.org