Verschlagwortet: Stadtentwicklung

Aus einer Schrottimmobilie ein neues Zuhause

Aus einer Schrott­im­mo­bi­lie ein neu­es Zuhause

Vor mehr als zehn Jah­ren hat die Städ­ti­sche Woh­nungs­ge­sell­schaft (Stä­wog) das 1903 erbau­te denk­mal­ge­schütz­te Eck­haus Goe­the­stra­ße 43 saniert und dar­aus das Wohn­pro­jekt Lebens(t)raum gestal­tet. Nun will die Stä­wog zwei wei­te­re Pro­jek­te in Angriff neh­men. Das Quar­tier Goe­the­stra­ße soll ein Wohn­ge­biet wer­den, in dem sich Stu­den­ten und ande­re jun­ge Men­schen wohlfühlen.

Schrottimmobilie

Bereits als das Eck­haus Goe­the­stra­ße 43 ein­ge­weiht wur­de, hat­te die Geschäfts­füh­rung der Stä­wog sich für den Ankauf des Nach­bar­hau­ses Goe­the­stra­ße 45 inter­es­siert. Der Erwerb gestal­te­te sich jedoch als schwie­rig. Nach­dem Spe­ku­lan­ten das Haus einst gekauft hat­ten, lie­ßen sie es in Woh­nungs­ei­gen­tum auf­tei­len. Nun muss­te jeder ein­zel­ne Eigen­tü­mer aus­fin­dig gemacht wer­den, um ihm ein Kauf­an­ge­bot unter­brei­ten zu kön­nen. Aber es ist gelun­gen. Die Stä­wog ist Eigen­tü­me­rin aller Wohn­ein­hei­ten der Goe­the­stra­ße 45 gewor­den. Nun kann sie über das Schick­sal des seit län­ge­rer Zeit leer­ste­hen­den Hau­ses allei­ne entscheiden.

"Goethe 45"

Ganz leer ist das Haus mitt­ler­wei­le ja nicht mehr. Die zwei Woh­nun­gen im Erd­ge­schoss hat die Gale­rie “Goethe45“ belegt. In der lin­ken Woh­nung kön­nen Künst­ler ihre Wer­ke aus­stel­len. Der rechts­lie­gende Teil der Gale­rie wird vom Kunstver­ein Bre­mer­ha­ven genutzt. Hier fin­den regel­mä­ßig Aus­stel­lun­gen statt. Außer­dem wird Kin­dern und Jugend­li­chen Don­ners­tags ein Kunst­ver­mitt­lungs­pro­jekt ange­bo­ten. Die Aus­stel­lun­gen sind bei den Gäs­ten aus der Knei­pe von der ande­ren Stra­ßen­sei­te eben­so beliebt wie bei ande­ren Künst­lern, Musi­kern, Zuwan­de­rern und Studenten.

Sobald die Woh­nun­gen in den obe­ren Geschos­sen saniert sind, soll das ers­te Stock­werk vor­zugs­wei­se als Arbeits- und Büro­eta­ge für die Krea­tiv­wirt­schaft  ver­mie­tet wer­den. Woh­nen könn­ten die Mit­ar­bei­ter dann in den dar­über lie­gen­den Etagen.

Bremerhaven, Heinrichstraße 34

Die Stä­wog hat übri­gens auch das Mehr­fa­mi­li­en­haus Hein­rich­stra­ße 34 erwor­ben. Es ist gleich um die Ecke bele­gen. Den Pla­nun­gen zufol­ge sol­len in das Haus Stu­den­ten ein­zie­hen. Ange­regt von der Quar­tier­meis­te­rei der Goe­the­stra­ße befrag­te die Hoch­schu­le 111 Stu­den­ten, ob sie ins Goe­the­quar­tier zie­hen wür­den. Als Vor­aus­set­zung nann­ten die Stu­den­ten, dass die Räum­lich­kei­ten für Wohn­ge­mein­schaf­ten geeig­net sein müs­sen. Außer­dem hiel­ten sie einen Haus­meis­ter­ser­vice, einen Wasch- und Fahr­rad­kel­ler und eine gro­ße Wohn­kü­che für wich­tig. Die Zim­mer­prei­se sol­len 300 Euro nicht überschreiten.

Bevor an eine Ver­mie­tung zu den­ken ist, muss das Haus umfang­reich saniert wer­den. Der Erhal­tungs­zu­stand der Schrott­im­mo­bi­lie ist so mise­ra­bel, dass sie even­tu­ell kom­plett ent­kernt wer­den muss. Viel­leicht kann man nur die Fas­sa­de aus der Grün­der­zeit erhalten.
Quel­len:
R. Dons­bach: “Kre­ai­tiv-Kur für Schrott­im­mo­bi­li­en”, Nord­see-Ztg v 17.10.2015
M. Albert: “Mein Leben-Das Leben im Wohn­pro­jekt”, Nord­see-Ztg v 10.10.2014
A.-K. Brocks: “Mit Mut ins Goe­the­quar­tier”, Nord­see-Zei­tung vom 10.05.2014
Lebens(t)raum
Galerie45 in Lehe

Die vergessene Jugendstilvilla in Bremerhavens Kurfürstenstraße 3

Im Jah­re 1902 errich­te­te die Bau­ge­sell­schaft W. Rog­ge im Leher Frei­ge­biet neben zwei wei­te­ren im Jugend­stil gehal­te­nen Ein­fa­mi­li­en­häu­sern auch die Jugend­stil­vil­la Kur­fürs­ten­stra­ße Nr. 3. 

Bremerhavens Jugendstilvilla in der Kurfürstenstraße 3

Das einst für ein Ehe­paar namens Rahusen erstell­te Wohn­haus ist voll unter­kel­lert, hat ein aus­ge­bau­tes Dach­ge­schoss und soll eine Wohn­flä­che von etwa 327 Qua­drat­me­ter aufweisen.

Beson­ders die Fas­sa­den­ge­stal­tung mit einem Huf­ei­sen­bo­gen als Rah­mung der Fens­ter­grup­pe im Erd­ge­schoss soll im Land Bre­men als ein­ma­lig gel­ten. Man ver­mu­tet, dass der Archi­tekt Gus­tav Rog­ge das Haus gezeich­net hat und sich dabei von einem eng­li­schen Land­haus­stil inspi­rie­ren ließ.

Der Salon mit der bemal­ten Decke führt zum Gar­ten. Er dien­te einst als “Damen­zim­mer”. Neben einem Spei­se­auf­zug, der den Salon mit der Küche im Sou­ter­rain ver­bin­det, sind noch vie­le wei­te­re ori­gi­na­le Ein­rich­tungs­ge­gen­stän­de vor­han­den: So gibt es ein Intar­si­en­par­kett, Kachel­öfen mit geschmie­de­ten Git­tern, Stuck an den Zim­mer­de­cken und Terrazzofußböden.

Lei­der zählt die über 110 Jah­re alte Vil­la zu Bre­mer­ha­vens Schrott­im­mo­bi­li­en. Der Lebens­lauf des seit vier Jah­ren leer­ste­hen­den denk­mal­ge­schütz­ten Hau­ses berich­tet über einen erheb­li­chen Was­ser­scha­den und einer “Tätig­keit” als Bor­dell. Auch über eine dro­hen­de Zwangs­ver­stei­ge­rung soll das Grund­buch berich­ten. Der Ter­min war für den 9. März 2015 anbe­raumt, der Ver­kehrs­wert auf 700 Euro festgesetzt.

Die Stadt, die das Gebäu­de ret­ten möch­te, hat sich von den Eigen­tü­mern ein ein Vor­kaufs­recht  ein­räu­men las­sen. Nun sucht sie in deren Auf­trag einen Käu­fer, der bereit ist, die Vil­la für etwa einer hal­ben Mil­li­on Euro zu sanie­ren. Spe­ku­lan­ten sol­len kei­ne Chan­ce bekom­men.
Quel­len:
Thors­ten Brock­mann: “
Zu scha­de für den Abriss­bag­ger”, NZ v. 1.7.15

Gründerzeithaus in der Rickmersstraße kommt auf den Sperrmüll

Frü­her muss es mal sehr hübsch aus­ge­se­hen haben, das stuck­ver­zier­te Grün­der­zeit­haus Num­mer 77a an der Bre­mer­ha­ve­ner Rick­mers­stra­ße. Lei­der lie­ßen die Eigen­tü­mer es ver­fal­len, und nun muss­te es abge­ris­sen werden.

Bremerhavener Rickmersstrasse 77a

Die Grün­der­zeit­häu­ser 77 und 77a zähl­ten vie­le Jah­re zu den Pro­blem­häu­sern in der Rick­mers­stra­ße. Aber im Jah­re 2008 nahm der Eigen­tü­mer viel Geld in die Hand und ließ das Haus Num­mer 77 von Grund auf sanie­ren und zum Gäs­te­haus Alba­tros umbauen.

Bremerhavener Rickmersstrasse 77a

Die Eigen­tü­mer­ge­mein­schaft des Hau­ses 77a hin­ge­gen lie­ßen ihre Immo­bi­lie ver­fal­len. Die letz­ten Mie­ter sind schon vor lan­ger Zeit aus­ge­zo­gen. Nun wohn­ten nur noch Tau­ben und ande­res Getier in dem Haus. Als der durch das offe­ne Dach ein­drin­gen­de Regen begann, das Gäs­te­haus Alba­tros in Mit­lei­den­schaft zu zie­hen, schlug deren Ver­wal­ter Alarm. Er schal­te­te einen Rechts­an­walt ein, der den Eigen­tü­mern des Hau­ses 77a die Kos­ten für die Besei­ti­gung der Schä­den auf­ge­ben sollte.

Aber auch für die Bewoh­ner der ande­ren umste­hen­den sanier­ten Mehr­fa­mi­li­en­häu­ser der Gewo­ba war die ver­las­se­ne Schrott-Immo­bi­lie all die Jah­re ein Ärger­nis. Und zugleich ein gefähr­li­cher Spiel­platz für die Kinder.

Die Stadt Bre­mer­ha­ven lässt sich von sanie­rungs­un­wil­li­gen Eigen­tü­mern schon lan­ge nicht mehr auf der Nase her­um­tan­zen. Den Eigen­tü­mern wur­de bereits im Jah­re 2013 ein Zwangs­geld auf­er­legt. Und in einem wei­te­ren Ver­fah­ren wur­de Ihnen auf­ge­ge­ben, die Stand­si­cher­heit der Immo­bi­lie durch ein Gut­ach­ten nachzuweisen.

Bremerhavener Rickmersstrasse 77a

Nach­dem ein Gut­ach­ter beschei­nigt hat­te, dass sich die Schrott­im­mo­bi­lie im Ver­fall befin­det, ver­füg­te das Bau­ord­nungs­amt auf Grund­la­ge der Lan­des­bau­ord­nung den Abriss des Hau­ses. Damit sind die Eigen­tü­mer nun beschäftigt.

Ein Novum für die Stadt­ver­wal­tung, der es mit ihrem kon­se­quen­ten Vor­ge­hen so das ers­te Mal gelun­gen ist, den Abriss einer Schrott­im­mo­bi­lie ohne den Ein­satz öffent­li­cher Gel­der her­bei­zu­füh­ren. Nun ist der Abbruch, der mit Rück­sicht auf das Gäs­te­haus Alba­tros in Hand­ar­beit erfolg­te, nahe­zu been­det. Der Geschäfts­füh­rer des Gäs­te­hau­ses ist dar­über sehr froh.
Quel­len:
Chris­ti­an Hes­ke: Der fau­le Zahn des Quar­tiers, Sonn­tags­jour­nal vom 29.6.2013
Chris­ti­an Hes­ke: Fau­ler Zahn wird gezo­gen, Sonn­tags­jour­nal vom 29.3.2015

Goethestraße 11 — Vom Ochsenfleisch zum Eiscafé

Goe­the­stra­ße 11 — Vom Och­sen­fleisch zum Eiscafé

Im Jah­re 1890 begann der Bau­un­ter­neh­mer Juli­us Addiks, die ers­ten Häu­ser in der gera­de neu ange­leg­ten Goe­the­stra­ße (damals Juli­us­stra­ße) zu bau­en. Wil­helm II., der 1888 gera­de Deut­scher Kai­ser gewor­den war, ent­ließ 1890 sei­nen Kanz­ler Otto von Bismarck.

Goethestraße 11 - Vom Ochsenfleisch zum Eiscafé

Die ersten Bewohner

In die­ser Zeit muss auch das Haus Nr. 11 in der Goe­the­stra­ße errich­tet wor­den sein. Das Leher Adress­buch des Jah­res 1910 ver­rät uns, wer die ers­ten Bewoh­ner waren. Eine beruf­lich illus­tre Gesell­schaft wohn­te dort unter einem Dach. Der eine war Satt­ler, und der ande­re war Maschinist.

Eckladen Goethestraße

Wei­ter­hin wohn­ten zwei Kell­ner, ein Jung­mann und ein Ober-Ste­ward in dem Haus. Auch zwei Schrift­set­zer, einen Tisch­ler, einen Schnei­der­meis­ter, zwei Schlach­ter, einen Werks­meis­ter, eine Wit­we, einen Arbei­ter, einen Mon­teur und einen Maler beher­berg­te das Gebäu­de. Und im Erd­ge­schoß bot Schlach­ter­meis­ter Albin Not­h­na­gel sei­ne Fleisch­pro­duk­te an, etwa ähn­lich wie auf dem obi­gen Bild.

Inflationspreise

Die Hyperinflation

Das Haus Nr. 11 in der Goe­the­stra­ße hat wirk­lich viel gese­hen: Der Ers­te Welt­krieg kam, und er ging vor­über. Zurück ließ er eine Infla­ti­on, die 1923 als Hyper­in­fla­ti­on ihren Höhe­punkt erreich­te. Im Juni 1914 hat­te ein Dol­lar noch den Wert von 4,20 Mark. Bis zum 14. Novem­ber 1923 war der Wert auf sagen­haf­te 4.200.000.000.000 Mark ange­stie­gen. Wie über­all in Deutsch­land führ­ten die stän­dig stei­gen­den Lebens­mit­tel­prei­se auch in den Unter­we­ser­or­ten zu schwe­ren Unruhen.

1923 wird Ochsenfleisch angeboten

Aber auch die­se schwe­re Zeit ging vor­über. Das Haus erleb­te im Jah­re 1924 die Fusi­on der bei­den Unter­we­ser­or­te Lehe und Geest­e­mün­de. Die neue Stadt hieß Weser­mün­de, und fort­an ver­rich­te­te Flei­scher­meis­ter Albin Not­h­na­gel sein Hand­werk eben in der Goe­the­stra­ße 11 in Weser­mün­de. Das Adress­buch aus dem Jah­re 1939 ver­spricht uns jeden­falls, das Meis­ter Not­h­na­gel in jenem Jahr hier noch sei­ne Fleisch­wa­ren anbot.

reichsfleischkarte

Lebensmittelkarten

Der Meis­ter hat­te alle Hän­de voll zu tun in die­ser Zeit. Er muss­te das zuge­teil­te Fleisch besor­gen und zu Wurst ver­ar­bei­ten. Das Fleisch für sei­ne Kund­schaft schnitt er selbst­ver­ständ­lich per­sön­lich zurecht. Abends muss­te er die für das ver­kauf­te Fleisch ent­ge­gen­ge­nom­me­nen Fleisch­mar­ken in ein Buch ein­kle­ben und die Abrech­nung für das Lebens­mit­tel­amt erstellen.

Das Haus Goe­the­stra­ße 11 sah Adolf Nazi kom­men. Wahr­schein­lich muss­te es, den ande­ren Häu­sern gleich, ertra­gen, wie die Haken­kreuz­fah­nen aus sei­nen Fens­tern hin­gen. Es erleb­te 1939 die Ver­ei­ni­gung von Bre­mer­ha­ven mit Weser­mün­de. Es sah den Zwei­ten Welt­krieg kom­men und das Tau­send­jäh­ri­ge Reich nach nur zwölf Jah­ren in Schutt und Asche lie­gen. Die Asche des “Größ­ten Füh­rers aller Zei­ten” lag nun eben­falls im Dreck.

1948 volle Schaufenster

Der Krieg war been­det, das Haus Goe­the­stra­ße 11 hat auch das Tau­send­jäh­ri­ge Reich über­lebt. Jetzt kamen erst die Bri­ten und dann die Ame­ri­ka­ner nach Weser­mün­de, und im Jah­re 1947 befahl der ame­ri­ka­ni­schen Mili­tär­gou­ver­neur, dass die Stadt nun Bre­mer­ha­ven hei­ßen soll. Und seit­her steht das Haus nicht mehr in Weser­mün­de son­dern in Bremerhaven.

Währungsreform

Der 21. Juni 1948 ist wie­der so ein gro­ßer Tag, den das Haus wohl für immer in Erin­ne­rung behal­ten wird: In den West­zo­nen wird die Wäh­rungs­re­form durch­ge­führt. Und am nächs­ten Tag stan­den vie­le fas­sungs­los vor den Schau­fens­tern mit den lan­ge ver­miss­ten Fleisch- und Wurst­wa­ren. Die Hun­ger­jah­re sind vorbei!

voller Laden

Ein erneu­ter Blick in das Adress­buch der Jah­re 1949/1950 ver­rät uns, dass der Schlach­ter­meis­ter Not­h­na­gel hier kei­ne Schwei­ne mehr schlach­tet. Nun betritt Flei­scher­meis­ter Died­rich Hane­win­kel die Büh­ne  und freut sich, als im Jah­re 1950 die Lebens­mit­tel­kar­ten end­lich abge­schafft wer­den. Die Schre­cken des Zwei­ten Welt­krie­ges gerie­ten lang­sam in Ver­ges­sen­heit, als das “Wirt­schafts­wun­der” Deutsch­land überfällt.

Goethestraße 11 - Vom Ochsenfleisch zum Eiscafé

Wenn die Haus­frau einen Sonn­tags­bra­ten auf den Tisch brin­gen woll­te, kauf­te sie ihn bei ihrem Metz­ger um die Ecke, bei Hane­win­kel. Irgend­wann waren sie ja auch “alt­ein­ge­ses­sen”, irgend­wann konn­te sich kaum jemand noch an Schlach­ter­meis­ter Not­h­na­gel erin­nern. Und so ste­hen im Adress­buch der Jah­re 1980/81 auch gleich drei Hane­win­kel: Flei­scher­meis­ter Karl Hane­win­kel, Diet­rich Hane­win­kel und Heinz-Dirk  Hanewinkel.

Eiscafé Goethestraße Bremerhaven

Zehn Jah­re spä­ter wohnt in dem Hau­se Goe­the­stra­ße 11 nur noch Heinz-Dirk Hane­win­kel. Was aus dem Meis­ter gewor­den ist, könn­te uns viel­leicht das Haus ver­ra­ten, aber das schweigt. Also muss wie­der das Adress­buch zu Rate gezo­gen wer­den. 1987 betreibt Flei­scher­meis­ter Ewald Eller­mann den Flei­scher­la­den. Viel­leicht zehn Jah­re sind sei­nem Betrieb ver­gönnt, viel­leicht weni­ger. Wahr­schein­lich haben ihn die Super­märk­te ver­drängt. Im Adress­buch ist jeden­falls kein Flei­scher­meis­ter mehr ver­zeich­net. Der Schlach­t­er­la­den steht leer, seit min­des­ten 20 Jah­ren schon.

Laden Eiscafé Goethestraße

Eine Eisdiele zieht ein

Doch plötz­lich sieht das Haus in der Goe­the­stra­ße 11, wie sich zwei Frau­en für das Laden­lo­kal inter­es­sie­ren. Selt­sa­me Din­ge gesche­hen, die das Haus zunächst nicht ein­ord­nen kann. Aber irgend­wann öff­net sich der Vor­hang, und das Haus war­tet auf mit einem neu­en Akt. Zwei Frau­en, Mari­ka Büsing und Kat­rin Hant­ke, haben aus dem ehe­ma­li­gen Schlach­t­er­la­den eine tol­le Eis­die­le gezau­bert. Kron­leuch­ter bau­meln von der Decke her­un­ter, und schi­ckes Mobi­li­ar wur­de auf den erhal­te­nen Flie­sen­fuß­bo­den gestellt.

Eiscafé Faust Goethestraße

Und nun kom­men die Kin­der und kön­nen aus 16 Eis­sor­ten aus­wäh­len. Eini­ge sind sogar lak­to­se- und glu­ten­frei. Und vega­nes Eis soll es auch bald geben.  Wer kein Eis mag, der lässt sei­ne See­le bei einer der vie­len Kaf­fee­spe­zia­li­tä­ten oder bei einer Tas­se Maya-Tee bau­meln. Für den klei­nen Hun­ger ste­hen Kuchen und war­me Snacks auf der Karte.

Viel­leicht ent­wi­ckelt sich das so lie­be­voll ein­ge­rich­te­te Eis­ca­fé ja zu einem Sze­ne­treff für Stu­den­ten. Da hät­te das Haus in der Goe­the­stra­ße 11 bestimmt sei­ne Freu­de dran.

Eiscafé Faust Goethestraße

Eiscafe Faust schließt wieder

Das Haus an der Goe­the­stra­ße 11 liegt wie­der im Dorn­rös­chen­schlaf. Das Eis­ca­fé in dem ehe­ma­li­gen Schlach­t­er­la­den hat­te sich zu einem belieb­ten Treff­punkt ent­wi­ckelt. Aber Mari­ka Büsing und Kat­rin Hant­ke haben sich ent­schie­den, das “Faust” aus per­sön­li­chen Grün­den nach zwei­ein­halb Jah­ren wie­der zu schließen.

Eiscafé Faust Goethestraße

Ein neu­er Päch­ter wur­de wohl nicht gefun­den, und so ist es wie­der still um das Haus geworden.
Quel­len:
R. Dons­bach: Aus Schlach­t­er­la­den wird ein Eis­ca­fé, Nord­see-Zei­tung v 2.4.2015 
Adress­bü­cher des Stadt­ar­chi­ves Bremerhaven
Flei­sche­rei Pieh­ler, Brü­der­stra­ße 1,  08412 Werdau
M. Ber­lin­ke: Eis­ca­fé Faust schließt: Lehe ver­liert belieb­ten Anlauf­punkt, nord24.de vom 22.08.2017
Karin Guter­ding: Kom­men­ta­re und Lebens­lauf

 

Japanische Stadtplaner auf Rundgang im Goethequartier

Auf einer Rund­rei­se durch Deutsch­land besuch­ten japa­ni­sche Stadt­pla­ner im März die­ses Jah­res neben Wup­per­tal und Düs­sel­dorf auch Bre­mer­ha­ven. Auf einem Rund­gang durch das Goe­the­quar­tier inter­es­sier­te sich die Dele­ga­ti­on dafür, wie Bre­mer­ha­ven sei­ne Pro­ble­me mit leer­ste­hen­den und ver­fal­len­den Wohn­ge­bäu­den zu lösen versucht.

Japanische Stadtplaner in Bremerhaven

Auf­merk­sam auf Bre­mer­ha­ven sind die Japa­ner durch städ­ti­sche Publi­ka­tio­nen und durch Berich­te der Nord­see-Zei­tung im Inter­net gewor­den. Die his­to­ri­sche Nach­kriegs­ent­wick­lung und der demo­gra­fi­sche Wan­del führ­te in Japan zu ähn­li­chen Pro­ble­men wie bei uns in Deutschland. 

Nach dem Krieg gab es auch im zer­stör­ten Japan einen gro­ßen Bedarf an Neu­bau­ten. Schnell und mit ein­fa­chen Mit­teln wur­den soge­nann­te “Risi­ko-Häu­ser” gebaut. Den vor­wie­gend in Holz­bau­wei­se errich­te­ten Gebäu­den war von vorn­her­ein eine Lebens­dau­er von maxi­mal 30 Jah­re ange­dacht. Nun ste­hen die oft­mals nicht sanier­ba­ren Häu­ser leer, ver­fal­len und war­ten auf ihren Abbruch. 

Schrottimmobilie in Bremerhavens Kistnerstraße

Im Goe­the­stra­ßen­quar­tier  staun­ten die japa­ni­schen Gäs­te dar­über, dass in Bre­mer­ha­ven nicht nur des Leer­stand besei­tigt wird. Dort, wo eine Sanie­rung aus wirt­schaft­li­chen oder tech­ni­schen Grün­den nicht mög­lich ist, wird die hier gewon­ne­ne Frei­flä­che einer neu­en Bestim­mung – Grün­flä­che, Spiel­platz, Bau eines Mehr­ge­ne­ra­tio­nen­hau­ses – zugeführt.

Aber auch über die ver­wal­tungs­tech­ni­schen Mög­lich­kei­ten dis­ku­tier­ten die Gäs­te mit den Ver­ant­wort­li­chen der Bre­mer­ha­ve­ner Bau­be­hör­de. In den japa­ni­schen Ver­wal­tun­gen soll es nicht aus­rei­chend Spe­zia­lis­ten geben. In den dor­ti­gen Stadt­pla­nungs­äm­tern sei­en eher Gene­ra­lis­ten beschäf­tigt, Herr Dr. Nao­ta­ka Ota, Juni­or­pro­fes­sor an der Uni­ver­si­tät Tsu­ku­ba, unse­ren Gast­ge­bern wissen. 

Japanische Stadtplaner in Bremerhaven

In Japan genießt das Eigen­tum durch das dor­ti­ge Recht nicht einen so star­ken Schutz, wie das in Deutsch­land der Fall ist. Dort kön­nen die Kom­mu­nen den Eigen­tü­mer zur Sanie­rung sei­nes Gebäu­des ver­pflich­ten oder es zwangs­wei­se abrei­ßen lassen.

Nach ihrer Rück­kehr in ihre Hei­mat wol­len die Gäs­te ihre neu gewon­ne­nen Erkennt­nis­se an die dor­ti­gen Bür­ger­meis­ter und Rats­mit­glie­der wei­ter­ge­ben.
Quel­len:
R. Dons­bach: Von Lehe ler­nen für Japans Städ­te,
Nord­see-Zei­tung. v. 12.3.2015
C. Hes­ke: Leher Lösun­gen für Japans Städ­te, Sonn­tags­jour­nal vom 15.03.2015

Nordseepflege hat den Grundstein gelegt

Der Deich­SPIE­GEL hat in den Arti­keln Tra­di­ti­ons-Schuh­haus weicht Betreu­tes Woh­nen und Geest­e­mün­de in alten und neu­en Ansich­ten – Teil 5 bereits aus­führ­lich dar­über berich­tet, dass das alte Mer­kur-Gebäu­de in Geest­e­mün­de einem Neu­bau der Nord­see­pfle­ge Platz machen muss­te. Kürz­lich hat die Che­fin, Frau  Gül­sen Sari­er­gin, den Grund­stein für den sechs­ten Nord­see­pfle­ge-Stand­ort gelegt.

Nordseepflege

Bei sol­chen Gele­gen­hei­ten üblich, wur­den für die Nach­welt eine aktu­el­le Tages­zei­tung, der Grund­riss des Neu­baus, ein Klang­herz und ver­schie­de­ne Mün­zen in eine rost­freie Kup­fer­röh­re gege­ben und sym­bo­lisch mit ein­ge­mau­ert. Spä­ter soll die Kup­fer­röh­re aller­dings wie­der frei­ge­legt wer­den und ihren end­gül­ti­gen Platz gut sicht­bar in der Ein­gangs­hal­le bekommen.

Das Bau­pro­jekt ist nicht bil­lig. Gut 16 Mil­lio­nen Euro inves­tiert die Bau­her­rin Gül­sen Sari­er­gin auf dem Grund­stück, auf dem frü­her das ehe­ma­li­ge Mer­kur-Kauf­haus sei­nen Platz hatte.

Nordseepflege

Die Grund­stein­le­gung wur­de  ordent­lich gefei­ert. Natür­lich war die Stadt­bau­rä­tin Frau  Jean­ne-Marie Ehbau­er eben­so anwe­send wie der Archi­tekt Lutz Pad­berg und wei­te­re ein­hun­dert Gäs­te. Plan­mä­ßig sol­len die ers­ten Bewoh­ner Anfang 2016 ihre 78 bar­rie­re­frei­en Ein- und Zwei­zim­mer­woh­nun­gen bezie­hen können.

In Geestemünde schließt Rewe die Pforten

Als ich heu­te Vor­mit­tag im Geest­e­mün­der Rewe-Cen­ter mei­ne Ein­käu­fe erle­dig­te, schien alles so wie immer. Aber ich wuss­te, dass der Schein trügt. Am 30. Juni 2015 endet Rewes Miet­ver­trag. Rewe wird ihn auch nicht ver­län­gern und schließt hier in der Georg-See­beck-Stra­ße für immer sei­ne Pforten.

Rewe Center Geestemünde

Auf dem Grund­stück der Georg-See­beck-Stra­ße gibt es seit Anfang der 1970er Jah­re einen Super­markt. Rewe hat sich hier erst im Jah­re 2008 ange­sie­delt und auf einer 2.980 Qua­drat­me­ter gro­ßen Ver­kaufs­flä­che etwa 18.000 Arti­kel ange­bo­ten. Damit ist bald Schluss. Das Objekt ist sanie­rungs­be­dürf­tig. Laut Zei­tungs­be­rich­ten sol­len sich Rewe und Ver­mie­ter über den Inves­ti­ti­ons­be­darf nicht haben eini­gen können.

Nun soll das Gelän­de erst mal städ­te­bau­lich geord­net und ein Bebau­ungs­plan erstellt wer­den. Dann wird ent­schie­den, ob das alte Gebäu­de saniert wird oder ob es einem Neu­bau wei­chen muss. Wer danach ein­zieht, das steht noch nicht fest. Gerüch­ten zufol­ge soll der Ede­ka-Kon­zern Inter­es­se gezeigt haben.

Lei­der geht mit der Schlie­ßung des Rewe-Cen­ters auch die Still­le­gung der Q1-Tank­stel­le ein­her. Der Tank­stel­len­päch­ter soll von Rewe bereits eine Kün­di­gung erhal­ten haben. Außer­dem sind von der Schlie­ßung ein Fri­seur­ge­schäft und eine Bäcke­rei­fi­lia­le betroffen.

Für die 49 Rewe-Mit­ar­bei­ter ist das alles kei­ne gute Nach­richt. 40 Kol­le­gen sol­len schon die Kün­di­gung erhal­ten haben, weil sie mit einer Ver­set­zung nach Bre­men nicht ein­ver­stan­den gewe­sen seien.

Auch in der Nach­bar­stadt Lan­gen hat es für Rewe-Mit­ar­bei­ter im letz­ten Jahr gro­ße Ver­än­de­run­gen erge­ben. Nach 17 Jah­ren hat der Super­markt sei­ne Ver­kaufs­räu­me an der Leher-Land­stra­ße im ver­gan­ge­nen Novem­ber auf­ge­ge­ben. Die 20 Mit­ar­bei­ter sol­len aber im Rewe-Neu­bau am Lin­den­hof-Zen­trum ab Früh­jahr 2015 wei­ter­be­schäf­tigt wer­den. Die ver­las­se­ne Ver­kaufs­flä­che in der Leher-Land­stra­ße wur­de umge­stal­tet, und seit Dezem­ber letz­ten Jah­res wer­den dort Ede­ka-Pro­duk­te ver­kauft.
Quel­le:
Chris­to­pher Beschnitt: Nord­see-Zei­tung vom 21.01.2015, Sei­te 13

Die Milchbar gammelt weiter vor sich hin

Immer wie­der haben die Besit­zer der seit 2009 leer ste­hen­den Milch­bar ihre Absicht bekun­det, das Kult-Café in der Lloyd­stra­ße zu reno­vie­ren und neu zu eröff­nen. Bis heu­te hat sich nichts getan.

Milchbar in der Lloydstraße von Bremerhaven

Gut, das Pack­pa­pier wur­de ent­fernt und durch alte ver­grau­te Vor­hän­ge ersetzt. Aber sonst konn­ten weder die auf­ge­brach­ten Nach­barn noch das Drän­gen der Denk­mal­schutz­be­hör­de an dem ver­gam­mel­ten Zustand etwas ändern. Die ehe­ma­li­ge Milch­bar, schon lan­ge ein Schand­fleck in der Lloyd­stra­ße, ver­rot­tet langsam.

Laut Bericht der Nord­see-Zei­tung hat eine Fami­lie Griesch das Lokal im Jah­re 2011 über­nom­men, um es zu reno­vie­ren. Der Abschluss der Arbei­ten soll für Ende 2012 vor­ge­se­hen gewe­sen sein. Aber nichts ist pas­siert. Auch die Jah­re 2013 und 2014 zogen vor­über, ohne dass in dem Lokal mit einer Reno­vie­rung begon­nen wurde. 

Die Denk­mal­schutz­be­hör­de soll die Hoff­nung jeden­falls noch nicht auf­ge­ge­ben haben, dass es nach all der Zeit doch noch eine gemein­sa­me Lösungs­su­che mit den Eigen­tü­mern geben wird. 

Es kann ja nicht sein, dass hier ein denk­mal­ge­schütz­tes Gebäu­de dem Ver­fall preis­ge­ge­ben wird, mit dem vie­le Bre­mer­ha­ve­ner Erin­ne­run­gen an ihre Jugend­zeit ver­bin­den. An die tol­le Zeit der 1950er und 1960er, als man ein oder auch zwei  Gro­schen in die Musik­box steck­te um Twist-Musik von Chub­by Che­cker oder Rock ’n’ Roll von Bill Haley oder Elvis Pres­ley von Chuck Ber­ry oder  Fats Domi­no zu hören. Dazu saug­te man stun­den­lang — natür­lich mit sei­ner neu­en Flam­me an einem Fens­ter­platz sit­zend — durch einen Stroh­halm sei­nen Milkshake oder bestell­te sich ein Stück der berühm­ten Torten. 

So bleibt nur die Hoff­nung, dass die Stadt­ver­wal­tung den Eigen­tü­mern “Dampf unterm Hin­tern macht”, damit die­se sich end­lich um ihre Kult­gast­stät­te küm­mern.
Quel­le:
Nord­see-Zei­tung vom 07.01.2015