Kategorie: Görlitzer StadtBILD

Zum Volkstrauertag 2014

Nun ist auch er dahin, der Okto­ber, der in die­sem Jahr ganz gewiss wie­der ein gol­de­ner war. Jetzt lässt die Kraft der Son­ne merk­lich nach, und das Jahr neigt sich dem Ende zu. Und nach katho­li­scher und evan­ge­li­scher Tra­di­ti­on endet am Abend vor dem ers­ten Advent­sonn­tag auch das Kir­chen­jahr. Und zwei Sonn­ta­ge vor dem ers­ten Advent­sonn­tag bege­hen wir in Deutsch­land seit 1952 den Volkstrauertag.

Gefallenen-Ehrenmal in Rauschwalde

Der Volks­trau­er­tag gehört zu den “Stil­len Tagen”, an dem der Toten zwei­er Welt­krie­ge an den Fron­ten und in der Hei­mat” gedacht wird. Das ist auch immer ein Tag für die Poli­ti­ker, die in ihren Reden all­ge­mein zur Ver­söh­nung auf­ru­fen und um Völ­ker­ver­stän­di­gung und zum Erhalt des Frie­dens mahnen.

Lei­der fal­len die Mah­nun­gen zu sel­ten auf frucht­ba­ren Boden. Bereits im Jah­re 1926, so schrieb der His­to­ri­ker Dr. Ernst Kret­sch­mar in der Stadt­BILD Nr. 77 vom Novem­ber 2009, ver­sam­mel­ten sich am Sonn­tag, dem 5. Sep­tem­ber, in Rausch­wal­de Ein­woh­ner und Ehren­gäs­te, um ein Ehren­mal für die im Welt­krieg 1914 – 1918 gefal­le­nen Sol­da­ten ein­zu­wei­hen. Zahl­rei­che pri­va­te und mili­tä­ri­sche Ver­ei­ne nah­men am Fest­zug teil.

Frontseite Denkmal Rauschwalde

Dr. Kret­sch­mar gab in sei­nem Auf­satz auch die heroi­sche Wei­he­re­de wie­der, die Pfar­rer Ber­ne­witz an dem Sonn­tag im Jah­re 1926 hielt: “Mehr als zehn Jah­re sind ver­gan­gen seit dem Tage, an dem deut­sche Hel­den hin­aus­zo­gen, um für ihr Vater­land zu kämp­fen und ihre Hei­mat vor dem Fein­de zu schüt­zen. Sie haben es erreicht in har­tem todes­mu­ti­gem Kampf, dass der Krieg nicht auf die deut­schen Flu­ren getra­gen wur­de… Es ist geblie­ben der Glau­be an die deut­sche Zukunft…Und an uns ist die Pflicht des Dan­kes, sol­cher zu geden­ken, die im Tode das Ver­mächt­nis hin­ter­las­sen haben, die Lie­be zur deut­schen Hei­mat über alles zu stel­len und sol­che Lie­be ein eini­gen­des Band für alle wer­den zu lassen.”

Natür­lich muss­te auch der dama­li­ge Stadt­schul­rat Dr. Mayr­ho­fer eini­ge Wor­te sagen: “ Ein Sym­bol der Ein­tracht soll die­se Denk­mal sein, und wenn der Dra­che Zwie­tracht sein Haupt zu hoch erhebt, dann wol­len wir unse­re Bli­cke auf die­ses Mal rich­ten und wol­len sei­ne Mah­nung befolgen.”

Land­rat Schrö­ter hob in sei­ner Rede her­vor, “dass alle, die sich zur Wei­he ein­ge­fun­den haben, das Gefühl des Dan­kes ver­eint und in tie­fer Ergrif­fen­heit aller Gedan­ken bei jenen wei­len, die ihr Leben für das Vater­land, für die Hei­mat und auch für die Ange­hö­ri­gen… hin­ge­ge­ben haben. Ein Unrecht ist es daher, im Bru­der­zwist ein­an­der zu bekämp­fen, nur weil der ande­re eine abwei­chen­de Mei­nung vertritt…”

Ehrendenkmal Rauschwalde

Dr. Kret­sch­mar berich­tet wei­ter, dass auch der sozi­al­de­mo­kra­ti­sche Abge­ord­ne­te Hugo Eber­le anwe­send gewe­sen sei. Er unter­stütz­te die “Mah­nung, ehrend und in Dank­bar­keit der Toten zu geden­ken und die­sen Dank auch dadurch zum Aus­druck zu brin­gen, dass wir uns den Leben­den zuwen­den und den Hin­ter­blie­be­nen mit der Tat der Hil­fe, soweit es mög­lich ist, den Dank abzu­stat­ten, den wir den Toten schul­den. Wohl sol­len wir bereit sein, das Vater­land mit unse­rem Leben zu schüt­zen, aber unser Stre­ben soll sein, die Schre­cken eines neu­en Bru­der­mor­des zu verhüten.”

Ein Jahr vor­her, am 26. April 1925, wur­de Paul von Hin­den­burg im Alter von 77 Jah­ren zum Reichs­prä­si­den­ten gewählt. Und in jenen Jah­ren wur­den über­all in Deutsch­land Mahn­ma­le und Krie­ger­ge­denk­stät­ten errich­tet, ent­hüllt und ein­ge­weiht. Auch wenn sich die poli­ti­schen Par­tei­en bis aufs Mes­ser bekämpf­ten, bewahr­ten sie doch Anstand und Ehr­furcht vor den Toten.

Gleich­wohl haben die Mah­nun­gen bekannt­lich nichts bewirkt. 1933 berief Hin­den­burg Adolf Hit­ler zum Reichs­kanz­ler. Die benann­ten den Volks­trau­er­tag schon ein Jahr spä­ter in Hel­den­ge­denk­tag um und ver­än­der­ten sei­nen Cha­rak­ter. Nicht mehr der Toten wur­de gedacht, die­ser Tag galt jetzt der Hel­den­ver­eh­rung. Und damit nah­men die schreck­li­chen Ereig­nis­se ihren Lauf, und nur 25 Jah­re nach dem Ende des Ers­ten Welt­krie­ges fie­len die Natio­nal­so­zia­lis­ten wie­der über unse­re Nach­bar­län­der her.

Totengedenken

Zum dies­jäh­ri­gen Volks­trau­er­tag blickt der Prä­si­dent des Volks­bun­des, Mar­kus Meckel, auf den vor hun­dert Jah­ren begin­nen­den Ers­ten Welt­krieg zurück und bestä­tigt, dass der Krieg “zu Recht die Urka­ta­stro­phe des 20. Jahr­hun­derts genannt wird. Die zivi­li­sier­te Welt fiel in Abgrün­de. Doch damit nicht genug: Vor 75 Jah­ren begann nach dem Hit­ler-Sta­lin-Pakt der Zwei­te Welt­krieg, der Schre­cken und Gewalt ins Unfass­ba­re steigerte.”

Mar­kus Meckel mahnt auch, “dass der Blick zurück unse­re Auf­merk­sam schär­fen kann und uns war­nen, was kom­men kann, wenn wir unacht­sam wer­den… Bald aber wird es kaum noch Zeit­zeu­gen und Ange­hö­ri­ge geben. Die Fried­hö­fe wer­den mehr und mehr Orte des Geden­kens und Ler­nens und kön­nen auch so ihre gesell­schaft­li­che Bedeu­tung bewah­ren. Damit das aber mög­lich ist, müs­sen wir sie bes­ser erklä­ren, die his­to­ri­schen Zusam­men­hän­ge benen­nen, die ver­schie­de­nen Opfer und ihre Situa­ti­on stär­ker in den Blick nehmen.”

Erich Kästner

Vor dem Hin­ter­grund der zwei Welt­krie­ge soll­ten die Kri­ti­ker des Euro doch ein­mal beden­ken, dass Euro­päi­sche Uni­on mehr ist als eine Wäh­rungs­ge­mein­schaft. Was mit der Mon­tan­uni­on begann, führ­te zur Aus­söh­nung mit Frank­reich und zu einem dau­er­haf­ten und bis heu­te anhal­ten­den Frie­den.  Die Euro­päi­sche Uni­on ist ein Frie­dens- und Ver­söh­nungs­werk, das erhal­ten wer­den muss. Gera­de im Ange­sicht der Kri­sen in der Ukrai­ne, in Paläs­ti­na und in Syri­en muss uns bewusst sein und bewusst blei­ben, dass jeder von uns mit sei­nen Mög­lich­kei­ten für einen Frie­den ein­tre­ten muss, der uns Frei­heit und Unab­hän­gig­keit sichert.

Quel­len:
Dr. Ernst Kret­sch­mar, Stadt­BILD Nr. 77 vom Novem­ber 2009, Sei­ten 12 — 19

Königliche Baugewerkschule und Königliche Maschinenbauschule in Görlitz — Teil 3

Die König­li­che Bau­ge­werk­schu­le und König­li­che Maschi­nen­bau­schu­le Gör­litz befand sich jen­seits der Nei­ße am Fried­richs­platz (heu­te Par­ty­zan­tów 4, 59–900 Zgor­zel­ec) in der frü­he­ren Gör­lit­zer Ost­stadt. Aus der Ost­stadt ist nach dem 2. Welt­krieg das heu­ti­ge pol­ni­sche Zgor­zel­ec her­vor­ge­gan­gen. Die Monats­zeit­schrift Stadt­BILD hat in ihrer Aus­ga­be vom März 2013 einen Auf­satz von Wolf­gang Stil­ler ver­öf­fent­licht, in dem His­to­ri­sches über die ehe­ma­li­ge Schu­le behan­delt wird:

1905-Königliche-Baugewerkschule

Anmer­kung: Leser zum Arti­kel der Bau­ge­werk- und Maschi­nen­bau­schu­le (Teil 1) Zunächst eine Berich­ti­gung. Ein Leser infor­mier­te mich, dass der Archi­tekt der Rothen­bur­ger Ver­si­che­rung (Gebäu­de der Hoch­schu­le) nicht der Bau­ge­werk­schul­leh­rer Prof. Hugo Behr gewe­sen ist, son­dern der bekann­te Gör­lit­zer Archi­tekt Ger­hard Röhr. Natür­lich hat der Leser Recht, und ich möch­te mich für die­se Ver­wechs­lung entschuldigen.

Ein wei­te­rer Leser meint, dass vor der Inge­nieur­schu­le für Maschi­nen­bau in die­sem Hau­se die Inge­nieur­schu­le für Schie­nen­fahr­zeu­ge ansäs­sig gewe­sen sei. Dies konn­te ich nicht über­prü­fen, da mir dazu kei­ne Quel­len zur Ver­fu­gung stehen.

Nach Erschei­nen des Arti­kels im Teil 1 über die Bau­ge­werk- und Maschi­nen­bau­schu­le infor­mier­te mich Frau Star­ke von der Melan­chthon­stra­ße, dass ihr Vater Hans Beckert vom 5.3.1932 bis zum 14.2.1934 an der Tech­ni­schen Staats­lehr­an­stalt für Maschi­nen­we­sen in Gör­litz stu­diert habe und sie im Besitz einer Rei­he von Doku­men­ten sei. Bei einem Treff konn­te ich die Zeit­zeug­nis­se ein­se­hen, und Frau Star­ke gab mir die Erlaub­nis, dar­über zu berichten:

Hans Beckert wur­de 1912 gebo­ren, besuch­te von 1918 bis 1927 die Volks- bzw. Grund­schu­le und wur­de aus der Ober­klas­se entlassen.

Von 1927 bis 1931 erlern­te er bei der Fir­ma Rein­hold Hil­brich in der Hother­stra­ße 1 das Schlos­ser- und Dre­her­hand­werk, wel­ches er mit dem Prä­di­kat “sehr gut” been­de­te, und für sein Gesel­len­stück erhielt er ein Diplom. Bereits in die­ser Zeit nahm er an Abend­kur­sen der Maschi­nen­bau­schu­le teil.

Vom Dezem­ber 1931 bis Febru­ar 1932 war er Volon­tär bei der Spe­zi­al­gie­ße­rei Trab­ner und Co, Jau­er­ni­cker Stra­ße 40. Vom 5.3.1932 bis zum 14.2.1834 besuch­te Herr Beckert die Tech­ni­sche Staats­lehr­an­stalt für Maschi­nen­we­sen in Gör­litz am Fried­richs­platz. Das Stu­di­um schloss er mit dem Prä­di­kat “Mit Aus­zeich­nung bestan­den” ab.

Reifezeugnis Vorderseite

Reifezeugnis Rückseite

An die­ser Anstalt gab es auch die Tech­ni­sche Ver­ei­ni­gung Staat­li­cher Maschi­nen­bau­schü­ler “Lusa­tia” Görlitz.

Nach dem Stu­di­um war er zunächst vom 19.2.1934 bis 31.7.1935 als Maschi­nen­tech­ni­ker im tech­ni­schen Büro Abt. Zie­ge­lei­ma­schi­nen der Fir­ma Rau­pach Maschi­nen­fa­brik beschäf­tigt und wech­sel­te dann am 1.8.1935 zur Wumag, Abt. Maschi­nen­bau. Dort war er als Dampf­ma­schi­nen-Kon­struk­teur und spä­ter als Mon­tag­e­in­ge­nieur für Dampf­tur­bi­nen tätig.

Klassenfoto

Im Okto­ber 1944 wur­de er zur Wehr­macht nach Lie­gnitz ein­be­ru­fen, Anfang 1945 zum Bau von Schüt­zen­grä­ben in Deutsch Ossig ein­ge­setzt und von dort ohne Vor­ankün­di­gung und Ver­ab­schie­dung von der Fami­lie an die Front ver­la­den. Die letz­te Feld­post kam aus Neu­ham­mer bei Sagan, datiert vom 12.2.1945, erreich­te die Fami­lie aber erst  Ende Febru­ar 1945.

Burschenschaft

Bereits beim ers­ten Kampf­ein­satz am 15.2.1945 in Dober­pau­se bei Sagan am Queiß wur­de er so schwer ver­wun­det, dass er an den Fol­gen ver­starb. Wo er sei­ne letz­te Ruhe fand, ist trotz Nach­for­schun­gen nicht bekannt.

Von der König­li­chen Maschi­nen­bau­schu­le zur Tech­ni­schen Staats­lehr­an­stalt für Maschi­nen­we­sen Gör­litz zur höhe­ren Tech­ni­schen Staats­lehr­an­stalt für Maschi­nen­we­sen Gör­litz. Im Besitz der Fami­lie Star­ke befin­det sich auch die Fest­schrift zur 40-Jahr-Fei­er der Höhe­ren Tech­ni­schen Staats­lehr­an­stalt für Maschi­nen­we­sen Gör­litz 1898 — 1938. Ein ein­ma­li­ges Doku­ment über die Geschich­te der Anstalt, die nicht ein­mal in den Gör­lit­zer Archi­ven vor­han­den ist.

Mitgliedsausweis

Die Ein­rich­tung wur­de, wie bereits erwähnt, 1898 auf Anre­gung des hie­si­gen “Tech­ni­schen Ver­eins“ im neu errich­te­ten Gebäu­de am Fried­richs­platz gemein­sam mit der Bau­ge­werk­schu­le ein­ge­rich­tet. Die Stadt muss­te sich jedoch ver­pflich­ten, für die unent­gelt­li­che Unter­brin­gung der Schu­le zu sor­gen und einen erheb­li­chen Betriebs­kos­ten­zu­schuss für den Unter­halt zu zah­len. Der Staat über­nahm nur die Kos­ten für das Lehr­per­so­nal, die Unter­hal­tung des Inven­tars und der tech­ni­schen Einrichtungen.

Die Schu­le bestand zunächst aus einem 4‑klassigen Werk­meis­ter­un­ter­richt und einer Fort­bil­dung für Maschi­nen­bau­er, Schlos­ser und Schmie­de. An die­ser Ein­rich­tung wur­de bereits 1910 neben dem Direkt­stu­di­um das Abend- und Sonn­tags­stu­di­um mit 6 auf­stei­gen­den Klas­sen mit wöchent­lich 10 Unter­richts­stun­den eingeführt.

Im Som­mer 1905 wur­de mit dem Bau des maschi­nen- und elek­tro­tech­ni­schen Labo­ra­to­ri­ums begon­nen und die­ses am 1.10.1906 ein­ge­weiht. Die Stadt stell­te für des­sen Bau 50.000,- Mark bereit, und das Minis­te­ri­um für Han­del und Gewer­be bewil­lig­te für die Anschaf­fung von Maschi­nen und Appa­ra­ten 45.000,- Mark. Wei­te­re Aus­tat­tungs­ge­gen­stän­de wur­den durch Spon­so­ren zur Ver­fü­gung gestellt.

Staatslehranstalten

Im August 1914 wur­de wegen der Ein­be­ru­fun­gen die Anstalt geschlos­sen und im Som­mer­halb­jahr 1915 der Unter­richt im sehr beschränk­ten Umfan­ge wie­der auf­ge­nom­men. Tei­le der Schu­le wur­den vom Land­sturm­ba­tail­lon des IR 19 bis 1916 belegt, und spä­ter wur­de in den obe­ren Räu­men ein Reser­ve­la­za­rett des DRK ein­ge­rich­tet. Danach fand vom Novem­ber 1918 bis April 1919 noch ein­mal eine mili­tä­ri­sche Ein­quar­tie­rung durch das Frei­korps Fau­pel statt, so dass erst danach ein ordent­li­cher Schul­be­trieb wie­der mög­lich war. Im Som­mer­se­mes­ter 1919 waren es 93 Stu­den­ten. In den Jah­ren von 1924 bis 1930 war in der Ein­rich­tung die Hee­res­fach­schu­le mit 3 Klas­sen mit je 20 bis 30 Hee­res­an­ge­hö­ri­gen zusätz­lich belegt.

Mit der Welt­wirt­schafts­kri­se Anfang 1930 wur­den vie­le Schu­len auf­ge­löst, und die Gör­lit­zer Ein­rich­tung soll­te das glei­che Schick­sal erei­len. Zähl­te doch die Ober­lau­sitz durch beson­ders hohe Arbeits­lo­sig­keit zum Not­stands­ge­biet, und das führ­te zu sehr gerin­gen Ein­schrei­bun­gen an die­ser Anstalt.

Dage­gen wehr­ten sich die Stadt, die hie­si­ge Indus­trie, Post und Bahn mit Erfolg. Das Reichs­er­zie­hungs­mi­nis­te­ri­um stimm­te dem Wei­ter­be­trieb der Anstalt zu, leg­te aber fest, dass mit Wir­kung vom 1.10.1936 die Gör­lit­zer Schu­le in eine “höhe­re Tech­ni­sche Staats­lehr­an­stalt für Maschi­nen­we­sen“ umzu­ge­stal­ten sei mit dem­entspre­chend ver­än­der­ten Lehrplänen.

Indem 10% der Schul­geld­ein­nah­men für Stu­di­en­bei­hil­fen bzw. Schul­geld­be­frei­un­gen für bedürf­ti­ge Stu­den­ten ver­wen­det wer­den konn­ten und die Indus­trie Frei­stel­len und ein­ma­li­ge Unter­stüt­zun­gen zur Ver­fü­gung stell­te, stie­gen die Stu­di­en­teil­neh­mer­zah­len wie­der erheb­lich an. Ab 1937 waren dies nur an der Abend­schu­le zwi­schen 112 und 146 Teilnehmer.

Raupach

Segens­reich war von Anfang an die Unter­stüt­zung Gör­lit­zer Unter­neh­men, ins­be­son­de­re der Fir­ma Richard Rau­pach, Maschi­nen­fa­brik Gör­litz. Bereits im April 1914 wur­de der Anstalt die “Richard Rau­pach Stif­tung“ mit einem Betrag von 15.000,- Mark über­ge­ben. Aus den Zin­sen soll­ten bedürf­ti­ge Stu­den­ten mit Wohn­sitz in Gör­litz ein Sti­pen­di­um erhal­ten. Anspruch hat­ten aber in ers­ter Linie Schü­ler, die in der Fir­ma Rau­pach gelernt hat­ten. Im Jah­re 1918 errich­te­te Kom­mer­zi­en­rat Rau­pach erneut eine Stif­tung in Höhe von 20.000,- Mark, die der För­de­rung und Aus­bil­dung von Kriegs­in­va­li­den zu Werk­meis­tern und Tech­ni­kern die­nen soll­te. Lei­der ging die­ses Ver­mö­gen mit der Infla­ti­on verloren.

Dar­über hin­aus gab es für die Schu­le die “Lou­is Queiß­ner Stif­tung“, die “Ein­tracht Stif­tung“ und die “Wein­berg Stif­tung“. Wei­te­re Fir­men, Pri­va­te und Gemein­den stell­ten ein­ma­li­ge oder lau­fen­de Beträ­ge zur Ver­fü­gung, so dass ein Schul­stif­tungs­ver­mö­gen von 11.000,- Mark ent­ste­hen konn­te. Aus des­sen Zin­sen in Höhe von 800,- Mark konn­ten wei­te­re Unter­stüt­zun­gen an Bedürf­ti­ge gewährt werden.

Kofferfabrik in Moys

Als ein ganz wich­ti­ges Ziel gestal­te­te sich an die­ser Ein­rich­tung die Begab­ten­för­de­rung, indem Jugend­li­che aus nicht ver­mö­gen­den Ver­hält­nis­sen ein Stu­di­um auf­neh­men konn­ten. Die Schul­bi­blio­thek umfass­te 40.000 Lehr­bü­cher und Fach­zeit­schrif­ten zur kos­ten­lo­sen Aus­lei­he. Im Ver­lau­fe der 40 Jah­re (1898–1938) sind in 69 Semes­tern 1843 Stu­die­ren­de ein­ge­tre­ten, davon haben 1302 Stu­die­ren­de das Rei­fe­zeug­nis erhal­ten, das sind 70 % der Ein­ge­tre­te­nen. Den Fir­men, die in unei­gen­nüt­zi­ger Wei­se die Staats­lehr­an­stalt und ihre Stu­die­ren­den durch Gewäh­rung von Bei­hil­fen und der kos­ten­lo­sen Über­las­sung von Maschi­nen und Ein­rich­tun­gen unter­stützt hat­ten, wur­de aus Anlass des 40-jäh­ri­gen Bestehens der Schu­le ins­be­son­de­re gedankt.

Arnade, Koffer und Lederwarenfabrik Görlitz

Das waren unter ande­rem fol­gen­de Gör­lit­zer Ein­rich­tun­gen und Unter­neh­men: Stadt Gör­litz; Stadt­wer­ke Gör­litz; Indus­trie- und Han­dels­kam­mer Gör­litz; Wumag Abtei­lung Wag­gon­bau und Abtei­lung Maschi­nen­bau; Richard Rau­pach, Maschi­nen­fa­brik Gör­litz; Roscher Maschi­nen­fa­brik Gör­litz; Wies­ner, Maschi­nen­fa­brik Gör­litz; Fischer, Feu­er­lösch­ge­rä­te­fa­brik Gör­litz; Chris­toph & Unmack, Maschi­nen­fa­brik Nies­ky; Sau­er­stoff­werk Gör­litz; Ernst Bulow & Co, Metall­wa­ren­fa­brik Gör­litz; Ernst Bent­zin, Werk­stät­ten für pho­to­gra­phi­sche Appa­ra­te Gör­litz; Arna­de, Kof­fer und Leder­wa­ren­fa­brik Gör­litz; Mauksch, Fur­nier- und Säge­werk Gör­litz; Paul Tesch, Auto­zen­tra­le Gör­litz; Nord­mann & Sohn, Heiz- und Koch­ge­rä­te Gör­litz und andere.

Wiessner

Hier tru­gen die Unter­neh­men noch Ver­ant­wor­tung für die Aus­bil­dung des Nach­wuch­ses. Als bedeut­sam ist fol­gen­de Fest­stel­lung zu wer­ten. Die ver­hält­nis­mä­ßig kur­ze Aus­bil­dungs­zeit für das Inge­nieur­stu­di­um zwang die ver­ant­wort­li­chen Lehr­stät­ten, den Unter­richt auf das unbe­dingt not­wen­di­ge Maß zu beschrän­ken. Der jun­ge Inge­nieur muss mit dem wis­sen­schaft­li­chen Rüst­zeug aus­ge­stat­tet wer­den, mit dem er über­all die an ihn her­an­tre­ten­den Auf­ga­ben meis­tern kann. Für den Unter­richt ist des­halb nicht Aus­wei­tung, son­dern Beschrän­kung und Ver­tie­fung die For­de­rung. Bei der heu­te ver­zweig­ten Tech­nik wäre es grund­falsch, Son­der­ge­bie­te zu för­dern. Es hat sich viel­mehr der Unter­richt auf die Grund­la­gen und Haupt­fach­ge­bie­te zu beschrän­ken. Auf­ge­schrie­ben wur­de die­ses 1938 — könn­ten dar­aus Schluss­fol­ge­run­gen gezo­gen wer­den, von wel­chem Bal­last heu­te Stu­die­ren­de befreit wer­den könnten?

Autor: Wolf­gang Stil­ler, Dres­de­ner Str. 28, 02826 Görlitz
Nach­druck mit Geneh­mi­gung des Stadt­BILD-Ver­la­ges Görlitz

Nach Ver­öf­fent­li­chung des ers­ten Auf­satz­tei­les bat mich Herr Wolf­gang Stil­ler per E‑Mail, auch die Tei­le 2 und 3 sei­nes Auf­sat­zes zu ver­öf­fent­li­chen. Bis­her lie­ßen sich kei­ne Doku­men­te fin­den, ob und wie die Schu­le wäh­rend des Zwei­ten Welt­krie­ges von 1939 bis 1945 funk­tio­nier­te. Beson­ders inter­es­siert ist der Ver­ein Ober­lau­sit­zer Berg­leu­te e. V. an Mit­tei­lun­gen und Zeit­do­ku­men­ten der Berg­vor­schu­le (1901 – 1904 an die­ser Ein­rich­tung), da es auch in den Gör­lit­zer Archi­ven dazu kein Mate­ri­al gibt.

Seit 1945 steht der Stadt Gör­litz durch die Grenz­fest­le­gung nach dem 2. Welt­krieg die­se Bil­dungs­ein­rich­tung nicht mehr zur Ver­fü­gung. Heu­te beher­bergt die­ses an der Uli­ca Par­ty­zan­tów 4 (ehe­ma­li­ge Fried­richs­platz) gele­ge­ne alte Gebäu­de der frü­he­ren Bau­ge­wer­ke- und Maschi­nen­bau­schu­le das Gim­naz­jum Łuży­ckie (Gym­na­si­um) und das  Lice­um Ogól­noksz­tałcące im. Bra­ci Śnia­de­ckich (All­ge­mein­bil­den­des Lyzeum).
König­li­che Bau­ge­werk­schu­le – Teil 1
König­li­che Bau­ge­werk­schu­le – Teil 2

Königliche Baugewerkschule und Königliche Maschinenbauschule in Görlitz — Teil 2

König­li­che Bau­ge­werk­schu­le und König­li­che Maschi­nen­bau­schu­le in Gör­litz — Teil 2

Die König­li­che Bau­ge­werk­schu­le und König­li­che Maschi­nen­bau­schu­le Gör­litz befand sich jen­seits der Nei­ße am Fried­richs­platz (heu­te Par­ty­zan­tów 4, 59–900 Zgor­zel­ec) in der frü­he­ren Gör­lit­zer Ost­stadt. Aus der Ost­stadt ist nach dem 2. Welt­krieg das heu­ti­ge pol­ni­sche Zgor­zel­ec her­vor­ge­gan­gen. Die Monats­zeit­schrift Stadt­BILD hat in ihrer Aus­ga­be vom Febru­ar 2013 einen Auf­satz von Wolf­gang Stil­ler ver­öf­fent­licht, in dem His­to­ri­sches über die ehe­ma­li­ge Schu­le behan­delt wird:

Die Königliche Baugewerkschule und Königliche Maschinenbauschule Görlitz

Als ich an die­ser Schu­le stu­dier­te, woll­ten wir im Jah­re 1963 den 65. Grün­dungs­tag der Maschi­nen­bau­schu­le in einer Fei­er­stun­de bege­hen. Dies wur­de uns aber durch die dama­li­ge Füh­rung unter­sagt, da sich ja die ehe­ma­li­ge Maschi­nen­bau­schu­le auf pol­ni­schem Ter­ri­to­ri­um befindet.

Bleibt zu hof­fen, dass im Jah­re 2013 zum 115. Jubi­lä­um der Maschi­nen­bau­schu­le und im Jah­re 2014 zum 120. Jubi­lä­um der Bau­ge­werk­schu­le durch die jet­zi­ge Hoch­schu­le eine Fest­ver­an­stal­tung und eine Aus­stel­lung vor­be­rei­tet und durch­ge­führt werden.

Ingenieurschule für Elektronik und Informationsverarbeitung

Umbenennungen der Schule

Nach der Inge­nieurs­schu­le für Maschi­nen­bau gab es wei­te­re Umbe­nen­nun­gen, zunächst als Fach­schu­le für Elek­tro­nik und Infor­ma­ti­ons­ver­ar­bei­tung und nach 1990 Hoch­schu­le Zittau-Görlitz.

Hochschule Zittau-Görlitz

In die­ser Ein­rich­tung wur­de die Fach­schul­aus­bil­dung im Bau­we­sen und Maschi­nen­bau fort­ge­setzt, die am Fried­richs­platz ihren Anfang nahm. Sie kann also mit einer kur­zen Unter­bre­chung im Jah­re 2014 auf ein 120-jäh­ri­ges Bestehen zurückblicken.

Festschrift

Zeitzeugen gesucht

Viel­leicht gibt es Zeit­zeu­gen, die an die­ser staat­li­chen Bau­ge­werk- und Maschi­nen­bau­schu­le stu­diert haben und in Form von Leser­brie­fen an den Stadt­BILD-Ver­lag oder an den Deich­SPIE­GEL ihre Ein­drü­cke schil­dern kön­nen. Glei­cher­ma­ßen lie­ßen sich bis­her kei­ne Doku­men­te fin­den, ob und wie die Schu­le wäh­rend des Zwei­ten Welt­krie­ges von 1939 bis 1945 funk­tio­nier­te. Beson­ders inter­es­siert ist der Ver­ein Ober­lau­sit­zer Berg­leu­te e. V. an Mit­tei­lun­gen und Zeit­do­ku­men­ten der Berg­vor­schu­le (1901 — 1904 an die­ser Ein­rich­tung), da es in den Gör­lit­zer Archi­ven dazu kein Mate­ri­al gibt.

Autor: Wolf­gang Stil­ler, Dres­de­ner Str. 28, 02826 Görlitz
Nach­druck mit Geneh­mi­gung des Stadt­BILD-Ver­la­ges Görlitz

Ich glau­be nicht, dass sich Herrn Stil­lers Wunsch nach einer Jubi­lä­ums­fei­er erfül­len wird. Mir ist nicht bekannt, dass im Jah­re 2013 der 115. Grün­dungs­tag der König­li­chen Maschi­nen­bau­schu­le beson­ders began­gen wur­de. Und im Inter­net­auf­tritt der Hoch­schu­le Gör­litz-Zit­tau kann ich kei­nen Hin­weis fin­den, dass in die­sem Jahr der 120. Geburts­tag der König­li­chen Bau­ge­werk­schu­le gewür­digt wer­den soll. Auch in der Chro­nik der Hoch­schu­le gibt es kei­nen Hin­weis auf die könig­li­chen Schulen.

Im Jah­re 2012 fand eine Jubi­lä­ums­fei­er “20 Jah­re Hoch­schu­le Zittau/Görlitz“ statt. So kann ich nur ver­mu­ten, dass sich die Hoch­schu­le Gör­litz-Zit­tau nicht als Nach­fol­ge­rin der alt­ehr­wür­di­gen Schu­len sieht. Eigent­lich sehr schade!
König­li­che Bau­ge­werk­schu­le — Teil 1
Semi­nar­grup­pe 2114 von 1972 bis 1975

Das ländliche Wohnhaus in der sächsischen Oberlausitz

Die Monats­zeit­schrift Stadt­BILD hat in ihrer Aus­ga­be Nr. 106 vom Mai 2012 einen Auf­satz von Hubert Kreisch über “das länd­li­che Wohn­haus in der säch­si­schen Ober­lau­sitz” ver­öf­fent­licht. Der Auf­satz war illus­triert mit Zeich­nun­gen von Hans Rich­ter aus Löbau, die vor cir­ca 100 Jah­ren ent­stan­den sind.

Die Abbil­dun­gen zei­gen das eine oder ande­re Wohn­haus in der Ober­lau­sitz, was natür­lich heut nicht mehr auf­zu­fin­den ist. Der Text zu den unter­schied­lichs­ten Bau­for­men der Gebäu­de und deren Nut­zung ist aus dem Ober­lau­sit­zer Hei­mat­ka­len­der von 1913 ent­nom­men. Die ältes­ten Gebäu­de — Bau­ern- und Weber­häu­ser — sind zurück bis zum 3Ojährigen Krieg datiert, also reich­lich 300 Jah­re alt. Vor­ge­stellt wer­den Häu­ser an dem uralten Stra­ßen­ver­lauf Dres­den-Gör­litz, süd­lich bis ins Zit­tau­er Gebir­ge, Böh­men, nörd­lich in die stil­len Wäl­der der Hei­de, bis in die Aus­läu­fer der Wen­den­in­sel. So wer­den die uralte Tra­di­ti­on des länd­li­chen Bau­we­sens und eben­so Misch­for­men des Lau­sit­zer Typs vorgestellt.

sächsisches Wohnhaus

Es sind sla­wi­sche Bau­ten, Lehm­häu­ser oder ein­ge­schos­si­ge Block­werk­bau­ten mit abste­hen­den Holz­säu­len, die das Dach tra­gen. Fach­werks­bau­ten oder Umge­bin­de­häu­ser sind klei­ne bäu­er­li­che Gebäu­de mit einem “stei­ner­nen Stall” auf der rech­ten Haus­sei­te. Der For­men­reich­tum der länd­li­chen Bau­wei­se zeigt auch die sozia­le und wirt­schaft­li­che Man­nig­fal­tig­keit unse­rer Vorfahren.

säschsisches Wohnhaus

Die Anla­ge der Sied­lun­gen zeigt im Süden deut­sche Lang­dör­fer, deren Flu­ren deut­lich die alte Ver­tei­lung nach Wald­hu­fen auf­wei­sen. Außer­dem fin­den sich neue­re Grün­dun­gen (meist sol­che von böh­mi­schen Exu­lan­ten, wie Neu­gers­dorf, Schir­gis­wal­de, Neu­sal­za, usw.), deren zer­streu­te Bau­wei­se mehr an das ger­ma­ni­sche Hau­fen­dorf erinnert.

Die deut­schen Lang­dör­fer, um 1200 unge­fähr zumeist auf dem geord­ne­ten Boden des Böh­mi­schen Grenz­wal­des oder auf alt­wen­di­scher Flur ent­stan­den, zie­hen sich oft Dorf an Dorf in unun­ter­bro­che­nen Gehöf­te- und Häu­ser­rei­hen an Fluss­läu­fen ent­lang. Zwi­schen den Bau­ern­ge­höf­ten fin­den wir ein­stö­cki­ge oder zwei­stö­cki­ge Wohn­ge­bäu­de der Gärt­ner oder Gar­ten­nah­rungs­be­sit­zer, der Häus­ler, der Haus­we­ber und Fabrik­ar­bei­ter, die durch die gro­ßen, schö­nen Wohn­ge­bäu­de der Fabri­kan­ten ver­mehrt wurden.

säschsisches Wohnhaus

Die Wen­den-Dör­fer, dicht geschart im Nord­wes­ten von Löbau um ihren uralten Mit­tel­punkt Baut­zen, sind klei­ne Rund­dör­fer, die aller­dings viel­fach nicht die rei­ne Gestalt sla­wi­scher Rund­lin­ge aufweisen.

säschsisches Wohnhaus

Um die Rit­ter­gü­ter bil­de­ten sich klei­ne Grup­pen von Fach­werks- oder Lehm­bau­ten der Bau­ern, Gärt­ner und Häus­ler. Trotz des groß­in­dus­tri­el­len Auf­schwun­ges städ­ti­scher Bau­wei­se hat sich die länd­li­che Bau­wei­se in ihrer bes­ten ein­fach-schö­nen Form erhal­ten. So sind in den Jah­ren Misch­for­men ent­stan­den, die man Lau­sit­zer Typus nen­nen kann.

Die sla­wi­schen Bau­ten, jeden­falls Lehm­häu­ser oder ein­ge­schos­si­ge Block­wand­bau­ten, deren Dach etwas vor­sprang und von den abste­hen­den Holz­säu­len getra­gen wur­de, damit das Was­ser gut ablief, fin­den wir in rei­nen For­men im Wen­den­ge­biet nörd­lich des Czor­ne­bohzuges oder im nicht all­zu weit davon ent­fern­ten böh­mi­schen Grenz­ge­biet, in Tsche­chi­en am Jesch­kenzug und sei­nen nörd­li­chen Ausläufern.

Im Lau­fe der Zeit sind die Säu­len an das Haus her­an­ge­rückt und durch Kopf­bän­der mit der Holz­schwel­le des Ober­ge­schos­ses ver­bun­den wor­den. Nach und nach wur­den die Kopf­bän­der abge­run­det, und es ent­stan­den die cha­rak­te­ris­ti­schen Holz­bö­gen, die in der Lau­sitz die meist zurück­tre­ten­den Fens­ter des Boh­len­hau­ses umrah­men. Die Holz­bal­ken- oder Boh­len­tei­le mit Säu­len und Umge­bin­de, wie man jene Bögen auch nennt, sind das Cha­rak­te­ris­ti­sche, was heu­te eben noch anzu­tref­fen ist und was allen Frem­den zunächst auf­fällt. Das gan­ze Haus im Block­werks­bau gab es meis­tens nur in den Weber­häu­sern. In klein­bäu­er­li­chen Gebäu­den wur­de die Hälf­te des Hau­ses gewöhn­lich vom stei­ner­nen Stall ein­ge­nom­men, getrennt waren sie durch einen weit­räu­mi­gen Flur. Im Mit­tel­punkt des Hau­ses war die Feuerstätte.

säschsisches Wohnhaus

Viel­mals zeigt das Ober­ge­schoss des Fach­werk­hau­ses einen frän­kisch-thü­rin­gi­schen Ein­fluss. Zu erken­nen sind die­se an den Kreuz­bal­ken in den End­fel­dern. Die Lau­sit­zer Bau­wei­se bie­tet also eine Mischung aus sla­wi­schen, nie­der­deut­schen und frän­ki­schen Elementen.

Die Häu­fig­keit der Ungleich­heit der Dach­rei­ni­gung, tie­fe­re Her­ab­füh­rung des Daches nach der Hin­ter­sei­te wird auf die Lage an den Berg­leh­nen wie zum Bei­spiel im Rie­sen­ge­bir­ge zurückgeführt.

Die Beda­chung und die Ver­klei­dung der Wän­de zeigt in der Ver­schie­den­heit der Lage Unter­schie­de. Schin­del­dä­cher sind sel­te­ner als Stroh­dä­cher. Die­se nann­te man “Scho­ben­häu­ser” (Stroh­bün­del, Stroh­wi­sche), jedoch durf­ten auf Geheiß der Bau­po­li­zei in bestimm­ten Lagen Dächer nur noch in Zie­gel- und Schie­fer­einde­ckun­gen aus­ge­führt werden.

säschsisches Wohnhaus

Die Wän­de des obe­ren Stock­wer­kes, das Fach­werk, wur­den mit einem Lehm­stroh­ge­misch aus­ge­klei­det, oft auf Holz­sta­ken oder Wei­den­ge­flecht, was vor­her zwi­schen dem Holz ein­ge­spannt wur­de. Auch war die Ver­klei­dung aus Holz (Schin­deln, Bret­ter) oder Schie­fer mit hüb­schen Mus­tern ver­se­hen, vor allem die Gie­bel der Häu­ser der Wohlhabenden.

Zu den älte­ren For­men der bäu­er­li­chen Bau­wei­se gehö­ren die bemer­kens­wer­ten Holz­bau­ten, die “Gän­ge” oder “Wachen” des ers­ten Sto­ckes, oder auch “Erker”, die auf Säu­len getra­gen wer­den. Auf Typen der ein­zel­nen Bau­ern­ge­höf­te und Groß­bau­ern, Gehöf­te mit geschlos­se­nem Hofe, soll hier nicht ein­ge­gan­gen wer­den, eben­so die der Fabriken.

säschsisches WohnhausOft waren die Män­ner auf dem Hof oder in der Indus­trie beschäf­tigt, und die Frau­en und Kin­der, meist “Häus­ler”, besorg­ten das Stück Land und das Klein­vieh in den arm­se­li­gen Hüt­ten, auch “Kate” genannt. Die Weber­häu­ser in unse­rer Lau­sitz, Block­wand­bau mit Umge­bin­de und Holz­stu­ben, wei­sen auf die Haus­we­be­rei hin. Sie waren oft ganz Block­wand­bau­ten und waren von meh­re­ren Fami­li­en bewohnt. Wohl­ha­ben­de zeich­ne­ten sich mit ihren Gebäu­den durch Grö­ße in bes­se­rer Bau­wei­se aus. Es ist anzu­er­ken­nen, dass sich gera­de in der Ober­lau­sitz die Zwi­schen­händ­ler der Tex­til­in­dus­trie an die Bau­wei­se des Lau­sit­zer Stils gehal­ten haben (Ober- und Nie­der­cun­ners­dorf als Beispiel).

säschsisches Wohnhaus

Gera­de dadurch wird die Schön­heit der Ober­lau­sitz mit ihren Bau­ten her­vor­ge­ho­ben, da sie kei­ne Über­fül­le von Orna­men­ten und schmü­cken­dem Bei­werk auf­weist. Nur weni­ge Schnit­ze­rei­en an den Säu­len und Fens­ter­rah­men oder Mus­ter an den Wän­den und Gie­beln, die mit Schie­fer ver­klei­det sind, die­nen als Schmuckelemente.

Bemer­kens­wert dar­an sind an älte­ren Gebäu­den, beson­ders in Wal­ters­dorf an der Lau­sche, die schöns­ten Tore und Türen aus Sand­stein, meist aus dem 18. Jahr­hun­dert stam­mend und häu­fig mit alter Haus­mar­ke und Jah­res­zahl ver­se­hen. Hier wir­ken als Schmuck auf den Fens­tern die präch­ti­gen Blu­men­käs­ten mit Gera­ni­en und Fuch­si­en im Som­mer. Die far­ben­fro­he Gestal­tung der Häu­ser und ihrer Vor­gär­ten, beson­ders in Oybin, bekun­det ein schö­nes Land­schafts­bild im Zit­tau­er Gebir­ge für ihre Besu­cher. So eigen­ar­tig wie das äuße­re des Ober­lau­sit­zer Dorf­hau­ses ist, ist auch sein Inne­res. Vie­le alte Ein­rich­tungs­ge­gen­stän­de fin­det man heu­te nur noch in Muse­en und Hei­mat­stu­ben. Dafür hat­te sich schon vor 100 Jah­ren der Ver­ein “Für säch­si­sche Volks­kun­de” stark gemacht. So sind damals schon in Muse­en Samm­lun­gen von voll­stän­dig ein­ge­rich­te­ten Bau­ern- und Weber­stu­ben unter­ge­bracht worden.

Heu­te kön­nen wir in der gan­zen Ober­lau­sitz — von Sagar bis Lücken­dorf und von Bischofs­wer­da bis Mar­kers­dorf – Bau­ern- und Weber­häu­ser, die zu Muse­en bzw. Hei­mat­stu­ben ein­ge­rich­tet wur­den, besuchen.

In den Medi­en wird heu­te oft berich­tet, wie man sich bemüht, bei uns sowie in Polen und Tsche­chi­en vor allem Umge­bin­de­häu­ser zu retten. 

Quel­le:
Ober­lau­sit­zer Hei­mat­bund 1913

Mit freund­li­cher Geneh­mi­gung des Stadt­BILD-Ver­la­ges Görlitz

Park- und Gartenstadt Görlitz – Folge 2

Eine Serie wid­met der Deich­SPIE­GEL den Parks und Grün­an­la­gen in Gör­litz damals und heu­te. Die Monats­zeit­schrift Stadt­BILD hat in ihrer Aus­ga­be Nr.  80 vom Febru­ar 2010 einen Auf­satz von Herrn H.-D. Mül­ler über den “Park des Frie­dens” veröffentlicht:

Stadtplan

Nach Süd­wes­ten hin vom Stadt­park gese­hen, unweit des Grenz­über­gan­ges mit der Stadt­brü­cke, ent­lang der Brü­cken­stra­ße zur Pro­me­na­de, erreicht man den heu­ti­gen “Park des Frie­dens”. Die­ser Park ist mit sei­nen 2,1 Hekt­ar ein klei­ner Park. Er hat eine beweg­te Geschich­te der Ent­ste­hung. Bis ins 19. Jahr­hun­dert gab es Gar­ten­par­zel­len Gör­lit­zer Bür­ger, die der Tuch­ma­cher Ernst Geiß­ler auf­kauf­te. Bereits zu die­ser Zeit soll die um einen Teich mit Fuß­gän­ger­brü­cke gestal­te­te Parka­nalage den Bür­gern zum Besuch offen gestan­den haben.

Der Teich mit einer Fon­tä­ne wur­de nach dem 2. Welt­krieg zuge­schüt­tet. 1904 wur­de die Anla­ge ver­kauft, danach erwarb der Schirm­sei­de-Fabri­kant und Gehei­me Kom­mer­zi­en­rat Otto Mül­ler (1829 – 1908) das Gelän­de. Er bewohn­te mit sei­ner Fami­lie die Vil­la Schüt­zen­stra­ße 8. Für sei­ne Ver­diens­te um die Stadt erhielt er 1905 den “Roten-Adler-Orden IV. Klas­se” ver­lie­hen.

Im Zen­trum des Parks ist nicht zu ver­ges­sen das Denk­mal des preu­ßi­schen Gene­ral­feld­mar­schalls und Poli­ti­kers Albrecht Graf von Roon (1803 – 1879). Einst war die­ses Denk­mal 1895 auf dem Wil­helms­platz ein­ge­weiht wor­den. Die­ses schuf wie­der­um Johan­nes Pfuhl. 1859 war er Kriegs­mi­nis­ter und 1873 erfolg­te die Beru­fung als Minis­ter­prä­si­dent. A. v. Roon hat­te sei­nen Ver­dienst bei der Vor­be­rei­tung und Voll­endung der Reichs­ei­ni­gung mit Otto von Bis­marck (1815 – 1895) und Hel­muth v. Molt­ke (1800 – 1891). Den Alters­sitz fand er in Krobnitz bei Gör­litz, wo er auch im Fami­li­en­grab bei­gesetzt wurde.

1945 war der Hun­ger ein stän­di­ger Beglei­ter, vor allem für die her­an­wach­sen­de Jugend in Gör­litz. Erschwert wur­de dies nach dem 2. Welt­krieg durch den nicht enden­den Flücht­lings­strom in der Stadt öst­lich der Nei­ße. Ein Mit­glied der Roten Armee ver­teil­te Brot an die Kin­der der Blu­men­stra­ße und des Mühl­wegs im Park.

Die Umbe­nen­nung in “Park des Frie­dens” mit Kund­ge­bung fand am 1. Sep­tem­ber 1957 aus Anlass des Welt­frie­dens­ta­ges statt.

Geht man vom Stadt­park zur Lou­is-Braille-Stra­ße (einst Schmidt­stra­ße – so benannt 1855) links­sei­tig, erblickt man in der Ein­mün­dung zum Park einen spitz­wink­li­gen Stein aus der ehe­ma­li­gen Berz­dor­fer Braunkohlengrube.

Jacob-Böhme-Denkmal

1972 wur­de das ursprüng­lich als Brun­nen kon­zi­pier­te Denk­mal Jacob Böh­mes (1575 – 1624) von der Stadt­brü­cke in die­sen Park umge­setzt, da es an der alten Stel­le dem Bau der Grenz­an­la­ge im Wege stand. Die Bron­ze­sta­tue wur­de 1898 in Lauch­ham­mer gegos­sen, und das Brun­nen­be­cken ist heu­te mit Erde auf­ge­füllt und bepflanzt. Seit 1997 erstrahlt die Sta­tue wie­der in neu­em Glanz. Die Bän­ke an die­sem denk­mal­la­den zum Ver­wei­len ein und bie­ten einen Blick auf die schö­ne Parkanlage.

Denkmal Jacob Böhme

Jacob Böh­me war Phi­lo­soph und kam bereits als 24jähriger Schuh­ma­cher­meis­ter nach Gör­litz. Er war wegen sei­ner mys­ti­schen – spe­ku­la­ti­ven Theo­lo­gie Angrif­fen und Publi­ka­ti­ons­ver­bot sei­tens der ortho­do­xen Geist­lich­keit aus­ge­setzt. Sei­ne ers­te Schrift war “Mor­gen­rö­te im Auf­gang” 1613. Er ver­fass­te eine Anzahl wei­te­rer Schrif­ten. Er wur­de auf dem Niko­lai­fried­hof bei­gesetzt. Erst 1922 erhielt sei­ne Grab­stel­le die heu­ti­ge Gestalt.

Park­an­la­gen sol­len für Eltern und Kin­der nicht nur die Mög­lich­keit der Ent­span­nung bie­ten son­dern auch das Ken­nen­ler­nen ande­rer Fami­li­en die­ser Gegend.

Text mit freund­li­cher Geneh­mi­gung des Stadt­BILD-Ver­la­ges Görlitz

Wer war Martin Ephraim?

Die Monats­zeit­schrift Stadt­BILD hat in ihrer Aus­ga­be Nr. 82 vom April 2010 einen Auf­satz von Dr. Ernst Kretz­schmar über Mar­tin Ephra­im veröffentlicht.

Im Ein­gangs­be­reich der Ober­lau­sit­zer Gedenk­hal­le mit Kai­ser-Fried­rich-Muse­um (Ruh­mes­hal­le) in der Gör­lit­zer Ost­stadt befand sich eine Tafel ‚”Den Wohl­tä­tern die­ses Muse­ums zum Ehren­ge­dächt­nis“. Unter den fünf Namen las man an ers­ter Stel­le Mar­tin Ephra­im (neben Dr. Wil­helm Klee­feld, Ernst von Was­serschle­ben, Gus­tav Hen­ne­berg und Erwin Lüders). Heu­te fin­det man dort nur noch das dar­über ange­brach­te (nach 1945 unkennt­lich gemach­te) Gör­lit­zer Stadtwappen.

Das Grab des Vaters, Kom­mer­zi­en­rat Les­ser Ephra­im (1820–1900), ist mit sei­nem gut erhal­te­nen Gedenk­stein auf dem Fried­hof der jüdi­schen Gemein­de zu sehen.

Nach der Gleich­stel­lung der Juden in Preu­ßen kam der in Posen gebo­re­ne Kauf­mann 1852 nach Gör­litz und eröff­ne­te Neiß­stra­ße 25 eine Eisen­wa­ren­hand­lung. Er lie­fer­te unter ande­rem die Eisen­bahn­schie­nen für die Stre­cke Ber­lin-Gör­litz-Zit­tau. 1860 erwarb er das Grund­stück Jakobstra­ße 5 für Woh­nung und Kon­tor; noch heu­te wird es von Tou­ris­ten wegen sei­nes präch­ti­gen Por­tals bewundert.

Lager­hal­le und Lager­platz an der Bahn­hof­stra­ße kamen 1885 hin­zu, ver­legt 1902 an einen Platz mit Gleis­an­schluss hin­ter dem Schüt­zen­haus an der Zit­tau­er Stra­ße. Belie­fert wur­den Eisen­bahn­bau, Schiffs­bau, Brü­cken­bau sowie die Säch­si­sche und Preu­ßi­sche Staats­bahn. Bau­ei­sen und Eisen­kon­struk­tio­nen fan­den bei uns Ver­wen­dung auch für bekann­te Neu­bau­ten vor 1914 (Kran­ken­haus, Neue Kaser­ne, Ruh­mes­hal­le, Akti­en­braue­rei, Stadt­hal­le, Kauf­haus, Stadttheater).

Martin Ephraim

Der Sohn des Betriebs­grün­ders, Mar­tin Ephra­im (1860–1944), wur­de am 23. März 1860 in Gör­litz gebo­ren, besuch­te hier das Gym­na­si­um Augus­tum und hielt sich nach der Lehr­zeit im väter­li­chen Unter­neh­men (ab 1878) meh­re­re Jah­re in Brüs­sel und Eng­land auf, um die neu­en Erfah­run­gen der Bran­che ken­nen­zu­ler­nen. 1883 trat er als Teil­ha­ber in die Gör­lit­zer Fir­ma ein, 1891 bis 1911 war er Inha­ber, nach der Umwand­lung in eine GmbH eini­ge Zeit deren Geschäfts­füh­rer. Seit 1921 leb­te er in Schrei­ber­hau im Riesengebirge.

1884 hei­ra­te­te er Hil­de­gard Rau­the, Toch­ter eines evan­ge­li­schen Stadt­ra­tes in Gör­litz. Die Ehe­leu­te hat­ten vier Kin­der, die Töch­ter Dora, Mari­an­ne und Vera und den Sohn Her­bert. Als königs­treu­er Preu­ße und Mit­glied der libe­ra­len jüdi­schen Gemein­de in Gör­litz nahm er am gesell­schaft­li­chen Leben der Stadt regen Anteil. Als Vor­stands­mit­glied im Musik­ver­ein berei­te­te er die Schle­si­schen Musik­fes­te mit vor, 1905 gehör­te er zu den Orga­ni­sa­to­ren der erfolg­rei­chen Nie­der­schle­si­schen Indus­trie- und Gewer­be­aus­stel­lung. Er för­der­te Sport­ver­ei­ne, ins­be­son­de­re in dem noch jun­gen Auto­mo­bil­sport. Als Stadt­ver­ord­ne­ter setz­te er sich ins­be­son­de­re für die gedie­ge­ne Ent­wick­lung der Süd­stadt ein.

Villa Ephraim Foto: Mys­li | Lizenz: GFDL

Mit sei­nem neu­en Wohn­haus Goe­the­stra­ße 17 (1907) setz­te er Maß­stä­be für die hohe Bau­kul­tur der Stadt Gör­litz vor 1914. Sei­ne außer­ge­wöhn­li­che beruf­li­che Erfah­rung und sei­ne kul­tu­rel­le Bil­dung mach­ten ihn zu einem gefrag­ten Mit­ge­stal­ter kom­mu­nal­po­li­ti­scher Fortschritte.

Sei­ne beson­de­re Lie­be galt dem Bau und der Aus­ge­stal­tung des neu­en städ­ti­schen Muse­ums (Ruh­mes­hal­le). Er stif­te­te eine der zwei Figu­ren­grup­pen von Hugo Lede­rer, die den Ein­gang flan­kie­ren, und die Mar­mor-Stand­bil­der von Bis­marck, Molt­ke und Roon von Har­ro Magnus­sen auf der Gale­rie, gab für den Ankaufs­fonds eine hohe Sum­me, kauf­te die Aus­stel­lungs­schrän­ke und eine wert­vol­le Samm­lung künst­le­ri­scher und kunst­ge­werb­li­cher Gegen­stän­de, die den Grund­be­stand des Muse­ums bil­de­ten. Gemäl­de und Skulp­tu­ren, Mess­ge­wän­der und Kel­che, Zunftal­ter­tü­mer, Waf­fen und Fah­nen, Glä­ser und Fay­en­cen, Schmuck und Möbel.

Zu sei­nem 70. Geburts­tag über­sand­te ihm der Ober­bür­ger­meis­ter Dr. Georg Wies­ner ein Glück­wunsch­schrei­ben, in dem es hieß: “Möge Ihnen in den kom­men­den Lebens­jah­ren Glück und Gesund­heit in rei­chem Maße beschie­den sein!“ Nach 1933 wur­de Mar­tin Ephra­im mehr­mals ver­haf­tet und noch 1944 aus dem jüdi­schen Alters­heim in Ber­lin nach The­re­si­en­stadt depor­tiert, wo er bereits am 4. April starb (wie wenig spä­ter sein Schwie­ger­sohn, der erblin­de­te Musik­wis­sen­schaft­ler Hans Neu­mey­er, des­sen Frau in Mai­danek umkam).

Spä­tes­tens in den 1980er Jah­ren wur­de in Aus­stel­lun­gen, Vor­trä­gen und Ver­öf­fent­li­chun­gen der Städ­ti­schen Kunst­samm­lun­gen Gör­litz Mar­tin Ephra­im gewür­digt. Seit den 1990er Jah­ren tragt eine Stra­ße in Gör­litz-Wein­hü­bel sei­nen Namen, immer­hin. So wirkt sein Lebens­werk in die­ser Stadt und für die­se Stadt den­noch fort.

Sein frü­he­res Wohn­haus in der Goe­the­stra­ße 17 kauf­te 1975 die Stadt Gör­litz und bau­te es zu einer Jugend­her­ber­ge um. 1987 wur­de die Jugend­her­ber­ge, die mitt­ler­wei­le unter Denk­mal­schutz gestellt wur­de, mit den Titel “Schöns­te Jugend­her­ber­ge der DDR“ aus­ge­zeich­net. Im Okto­ber 2010 wur­de der Jugend­her­bergs­be­trieb ein­ge­stellt und die WBG Sanie­rungs- und Ent­wick­lungs­ge­sell­schaft Gör­litz begann mit umfang­rei­chen Sanie­rungs­ar­bei­ten. Seit Mai 2011 betreibt die “Alte Her­ber­ge” in der Vil­la Ephra­im ein Über­nach­tungs- und Gastronomiebetrieb.
Quel­le:
Mit freund­li­cher Geneh­mi­gung des Stadt­BILD-Ver­la­ges Görlitz.

175 Jahre Photographie und Streit um die Kundschaft

Der Begriff Pho­to­gra­phie wur­de erst­mals am 25. Febru­ar 1839 von Johann Hein­rich von Mäd­ler ver­wen­det. Bis ins 20. Jahr­hun­dert bezeich­ne­te Foto­gra­fie alle Bil­der, wel­che rein durch Licht auf einer che­misch behan­del­ten Ober­flä­che entstehen.

Zum 170. Jah­res­tag der Foto­gra­fie hat die Monats­zeit­schrift Stadt­BILD in ihrer Aus­ga­be Nr.  70 vom April 2009 den Auf­satz “170 Jah­re Pho­to­gra­phie” von Herrn Hans Brett­schnei­der veröffentlicht:

175 Jahre Photographie

Es trug sich zu in den Jah­ren der Grün­der­zeit und des Jugend­stils. Pho­to­gra­phen oder sol­che, die sich dafür hielten,schossen wie Pil­ze aus dem Erd­bo­den und ver­gin­gen auch so schnell, wie sie gekom­men waren. Eini­ge blie­ben aber davon in den Städ­ten hän­gen und mach­ten den alt­ein­ge­ses­se­nen Licht­bild­ge­stal­tern, Malern oder Por­trä­tis­ten mit ihren Bil­lig­an­ge­bo­ten das Leben sehr schwer.

Die Zeit der Visit- und Cabi­net­photo­gra­phien stand in vol­ler Blü­te bzw. war gera­de, ange­sichts der sich immer mehr breit­ma­chen­den Post­kar­ten, kurz vor dem Ver­blü­hen. Und hier stie­gen, heu­te wür­de man sagen Dis­coun­ter, einer Bil­lig­ket­te ange­hö­ren­de Pho­to­gra­phen ein und über­bo­ten sich mit eben die­sen Bil­lig-Visit- und Cabi­net­kar­ten. Die­se Bil­lig­ket­te war über ganz Deutsch­land ver­streut, es gab kei­ne grö­ße­re Stadt, in der “Sam­son & Comp” oder “Sam­son & Cie” nicht ver­tre­ten war.

Und auch in Gör­litz, Ber­li­ner Stra­ße 29, eta­blier­te sich die­se, zuerst mit dem Pho­to­gra­phen Otto Fried­heim, und danach arbei­te­te dort der Gör­lit­zer Pho­to­graph Fritz Haa­se. Fritz Haa­se war Pho­to­gra­phen­meis­ter und Mit­glied der Photographeninnung.

Der eigent­li­che Streit brach aus anläss­lich der Neu­eröff­nung des pho­to­gra­phi­schen Ate­liers “Sam­son & Co.” ab dem 11.Marz 1905. Da wur­den z.B. 12 Visit­kar­ten zu 1,90 Mark oder 12 Kabi­netts zu 4,90 Mark ange­bo­ten. Dazu gab es noch als Gra­tis­ge­schenk eine Bro­sche oder eine Kra­wat­ten­na­del mit “eige­ner Pho­to­gra­phie“ in Semi-Email­le. Zu Ostern 1905 gab es gra­tis eine ele­gan­te Por­zel­lan­va­se mit eige­ner Pho­to­gra­phie, eine fei­ne Por­zel­lan-Kaf­fee­tas­se mit Unter­tas­se und eige­ner Pho­to­gra­phie oder einen Bier­be­cher mit Gold­rand und eige­ner Pho­to­gra­phie! Na, ist das nichts? Da muss man sich doch ablich­ten las­sen!!! Es wur­de aber aus­drück­lich dar­auf hin­ge­wie­sen: ”Wir bit­ten genau auf unse­re Fir­ma und Haus­num­mer 29 zu ach­ten.” Zu die­ser Zeit gab es in fast jedem Haus er Ber­li­ner Stra­ße einen oder meh­re­re Pho­to­gra­phen, die sich förm­lich um jeden Kun­den ris­sen und stritten.

175 Jahre Photographie

Aus einem Geschäfts­buch geht her­vor, dass eine Visit­kar­te bei dem uns lei­der unbe­kann­ten Pho­to­gra­phen mit 1,75 Mark und 3 Kabi­netts mit 4,50 Mark gehan­delt wur­den. Eine Kabi­nett­kar­te bekam der Kun­de dort für 2,50 Mark, und eine Oblong­kar­te kos­te­te gar 3,50 Mark. Das war natür­lich sehr viel Geld, und ein ein­fa­cher Fabrik­ar­bei­ter konn­te sich solch eine Aus­ga­be nur ein­mal im Jahr leisten.

Ein Ruck und ein Auf­schrei gin­gen durch die Gör­lit­zer Pho­to­gra­phen­gil­de ob sol­cher Preis­ma­ni­pu­la­tio­nen in ihrem Gewer­be und vor ihrer Nase. 12 Pho­to­gra­phen, dar­un­ter Robert Schulz, Adolf Wink­ler, Hans Ucko, Lou­is Pen­zel und Gan­zel & Fran­ckes Nach­foig. R. Mül­ler, schlos­sen sich zusam­men und ver­fass­ten im Foto abge­bil­de­te Peti­ti­on am 30.11.1905 an den Neu­en Gör­lit­zer Anzei­ger. Dar­in beschwer­ten sich die unter­zeich­nen­den Pho­to­gra­phen über die Arbeits­wei­se die­ser ‚”Dis­coun­ter“ und deren Geschäfts­ge­ba­ren. Zum Abschluss wird noch dar­auf hin­ge­wie­sen: “Ähn­lich ver­hält es sich auch mit den zu Schleu­der­prei­sen ange­prie­se­nen Ver­grö­ße­run­gen. Auch die­se sind Mas­sen­pro­duk­te und ent­beh­ren jedes künst­le­ri­schen Wertes.“

175 Jahre Photographie

Natür­lich fehlt in die­ser Peti­ti­on auch nicht die Eigen­wer­bung der Unter­zeich­ner, die da lau­te­te: “Unter­zeich­ne­te Ate­liers emp­feh­len sich zur Anfer­ti­gung pho­to­gra­phi­scher Bild­nis­se jeder Art und Grö­ße in der Neu­zeit ent­spre­chen­der künst­le­ri­scher Aus­füh­rung und bit­ten für das Weih­nachts­ge­schäft in Aus­sicht genom­me­ne Auf­trä­ge bald­mög­lichst ertei­len zu wollen.“

Die Wogen glät­te­ten sich aber bald wie­der, Visit‑, Kabi­net- oder Oblong­kar­ten wur­den durch die heu­te noch gebräuch­li­che Post­kar­te abge­löst. Rei­ne Post­kar­ten­ver­la­ge sie­del­ten sich auch in Gör­litz an. Hier sei erin­nert an den Post­kar­ten­ver­lag Franz Piet­sch­mann, der über­wie­gend Moti­ve aus dem Rie­sen­ge­bir­ge anbot und ver­mark­te­te oder auch den Post­kar­ten­ver­lag von Lothar Mat­tu­scheck, wel­cher auch Kar­ten aus dem Nach­lass der Fir­ma Robert Scholz anbot.

Quel­len:
Archiv Foto­mu­se­um Gör­litz
Zei­tungs­ar­chiv der Ober­lau­sitz­schen Wis­sen­schaf­ten
Pho­to­samm­lung Hans Brettschneider

Mit freund­li­cher Geneh­mi­gung des Stadt­BILD-Ver­la­ges Görlitz

Mehr als 210 Jahre Görlitzer Zeitungswesen

Die Geschich­te der Zei­tun­gen beginnt nach der Erfin­dung des Buch­drucks durch Johan­nes Guten­berg (1445) am Beginn des 17. Jahr­hun­derts. Um 1615 ent­stand in Deutsch­land die “Frank­fur­ter Post­zei­tung”  — wohl eine der ers­ten Zei­tun­gen über­haupt. Das Blatt, das in ganz Euro­pa abon­niert wur­de, erschien bis 1866.

Einkommende Zeitungen Die ers­te Tages­zei­tung der Welt erschien aller­dings ab 1. Juli 1650 in Leip­zig. Hier ver­öf­fent­lich­te der Dru­cker Timo­theus Ritzsch sechs­mal die Woche die “Ein­kom­men­den Zei­tun­gen” mit einer Auf­la­ge von etwa 200 Exem­pla­ren. Ursprüng­lich benutz­te man das Wort “Zei­tung” für eine belie­bi­ge Nach­richt. So ist wohl auch “Ein­kom­men­de Zei­tun­gen” als ein­ge­hen­de Nach­rich­ten zu verstehen.

Doch blie­ben bis zum Ende des 18. Jahr­hun­derts Tages­zei­tun­gen eine Ausnahme. 

Über das Gör­lit­zer Zei­tungs­we­sen hat die Zeit­schrift Stadt­bild in ihrer Aus­ga­be Nr. 79 im Janu­ar 2010 einen Auf­satz von Herrn Claus Bern­hard ver­öf­fent­licht. Herr Bern­hard ist Mit­glied im Zir­kel Gör­lit­zer Heimatforscher.

Von den im 18. Jahr­hun­dert in Gör­litz erschie­ne­nen Zeit­schrif­ten wies das Lau­sit­zi­sche Maga­zin in sei­nem Wesen schon Züge einer Zei­tung auf. Trotz aller Ver­su­che, die gelehr­ten Schrif­ten zu ver­all­ge­mei­nern, blie­ben sie aus­schließ­lich in den Hän­den der Gebil­de­ten. Eine gro­ße Kluft trenn­te die­se Krei­se von der sons­ti­gen Bevöl­ke­rung, obwohl das Bedürf­nis nach bes­se­rer Bil­dung bestand. Welt­po­li­ti­sche Ereig­nis­se wur­den kaum wahr­ge­nom­men. Dazu bedurf­te es aus­wär­ti­ger poli­ti­scher Blät­ter. Die Inter­es­sen des ein­fa­chen Bür­gers und Land­man­nes in aus­rei­chen­der Wei­se zu ver­tre­ten und ihnen gleich­zei­tig Auf­klä­rung und Beleh­rung in ein­fa­cher Form zukom­men zu las­sen, war der Beweg­grund, für einen begrenz­ten Bezirk, in die­sem Fall die Stadt Gör­litz, eine eige­ne Zei­tung her­aus­zu­ge­ben. Dr. Imma­nu­el Ver­trau­gott Rothe ent­schloss sich 1799 zu die­sem Expe­ri­ment und schrieb damit Gör­lit­zer Geschich­te. Er wur­de am 24. August 1768 in Sohra gebo­ren, stu­dier­te nach der Absol­vie­rung des Gör­lit­zer Gym­na­si­ums in Leip­zig und Wit­ten­berg und pro­mo­vier­te 1792 zum Dr. med.. Noch im glei­chen Jahr ließ er sich in Gör­litz nie­der. Sei­ne Vor­lie­be zur Schrift­stel­le­rei hat­te ihn auf den Gedan­ken gebracht, eine Wochen­schrift her­aus­zu­ge­ben, in der er sein rei­ches Wis­sen sei­nen Mit­bür­gern über­mit­teln konn­te. Rothe nann­te sei­ne Wochen­schrift “Der Anzei­ger” mit dem Zusatz “Chro­nik Lausitz‘scher Ange­le­gen­hei­ten im Jah­re 1799, nebst Auf­sät­ze zur Beleh­rung und Unter­hal­tung der Leser über gemein­nüt­zi­ge Gegen­stän­de aller Art”. In Num­mer 1 waren fol­gen­de Rubri­ken ent­hal­ten: Gebur­ten, Hoch­zei­ten, Beför­de­run­gen, Kauf- und Han­dels­sa­chen und unter “Aller­hand” die ers­te Hei­rats­an­zei­ge. Als Arzt trat Rothe für die Hebung der Volks­ge­sund­heit durch eine ver­nünf­ti­ge Gesund­heits­pfle­ge ein, für Ver­bes­se­run­gen im Heb­am­men­we­sen, pro­pa­gier­te die Kuh­po­cken­imp­fung und ver­lang­te vor­beu­gen­de Maß­nah­men zur Unfall­ver­hü­tung. “Der Anzei­ger” brach­te Rothe nicht den Erfolg, den er sich wünschte.

"Der Anzeiger"1803 über­trug er die Lei­tung an den Gör­lit­zer Buch­händ­ler Trau­gott Fer­di­nand Schi­rach, der das Über­le­ben des Anzei­gers sicher­te. Dr. Immau­el Ver­trau­gott Rothe hielt sich noch eini­ge Zeit in Gör­litz auf, ver­zog dann nach Prachwitz in Schle­si­en. Sei­ne letz­ten Lebens­jah­re ver­brach­te Rothe in Herrn­stadt, wo er am 6. April 1813 starb. Die Gör­lit­zer Zei­tungs­land­schaft wur­de im 19. Jahr­hun­dert durch die viel­fäl­tigs­ten Titel immer bun­ter. Neben ”Ein­tags­flie­gen” bestimm­ten gro­ße Blät­ter über Jahr­zehn­te das Gör­lit­zer Zeitungswesen.

Der Anzei­ger 1799 bis 1943
Her­aus­ge­ber: Dr. Imma­nu­el Ver­trau­gott Rothe
Dru­cke­rei: Burg­hart
”Chro­nik Lausitz‘scher Ange­le­gen­hei­ten, nebst Auf­sät­zen zur Beleh­rung und Unter­hal­tung der Leser über gemein­nüt­zi­ge Gegen­stän­de aller Art“.

"Görlitzer Anzeiger" 1848

Ziel war es, das Blatt “zum all­ge­mei­nen Sprach­werk­zeug für jeden und zu einem Lau­sit­zer Natio­nal­blatt zu machen, durch Bei­trä­ge Auf­klä­rung zu ver­brei­ten, Miss­bräu­che abzu­stel­len, die Ein­füh­rung nütz­li­cher Ein­rich­tun­gen vor­zu­be­rei­ten“. Von die­sem Vor­ha­ben wur­de immer wei­ter abge­rückt, poli­ti­sche Nach­rich­ten wur­den so gut wie nicht ver­öf­fent­licht. ”Der Anzei­ger“ wur­de zum rei­nen Intel­li­genz­blatt. Als ein­zi­ges Lokal­blatt erschie­nen hier die Ver­ord­nun­gen und Bekannt­ma­chun­gen. Der häu­fi­ge Wech­sel der Ver­le­ger änder­te auch den Cha­rak­ter des Blat­tes. Um 1840 lag das Haupt­au­gen­merk auf dem Gebiet der Unter­hal­tung, his­to­ri­sche und lokal­ge­schicht­li­che Abhand­lun­gen herrsch­ten vor. Ab 1848 erfolg­ten für das gesam­te deut­sche Zei­tungs­we­sen umwäl­zen­de Ver­än­de­run­gen hin zur poli­ti­schen Mei­nungs­pres­se. 1875 erfolg­te die Ver­ei­ni­gung mit den “Gör­lit­zer Nach­rich­ten“, 1929 die Ver­ei­ni­gung mit der “Nie­der­schle­si­schen Zeitung“.

Gör­lit­zer Weg­wei­ser 1832 bis 1842
Her­aus­ge­ber: Gott­hold Hein­ze & Co

Das Blatt galt als Wochen­schrift für die Ober­lau­sitz zur zweck­mä­ßi­gen Beleh­rung und Unter­hal­tung, ab 1834 Volks­blatt für die Ober- und Nie­der­lau­sitz. Es erschie­nen Nach­rich­ten aus allen Gegen­den der Ober- und Nie­der­lau­sitz, über Stadt- und Dorf-Gemein­de­sa­chen, Kir­chen und Schul­an­ge­le­gen­hei­ten so- wie das Merk­wür­digs­te, Nütz­lichs­te und Neu­es­te aus der Volks- und Natur­ge­schich­te, der Land­wirt­schaft und der Gewer­be­kun­de, die neu­es­ten Erfin­dun­gen und Ent­de­ckun­gen, Berich­te der Ober­lau­sit­zi­schen Gesell­schaft der Wis­sen­schaf­ten, der Natur­for­schen­den Gesell­schaft und der Gewer­be­ver­ei­ne, Unter­hal­tungs­lek­tü­re durch Auf­sät­ze, Anek­do­ten, Kurio­si­tä­ten und his­to­ri­sche Erin­ne­run­gen, zweck­mä­ßi­ge Bei­la­gen von Stein­dru­cken und Bücher­an­zei­gen. Wegen sei­ner geschickt gewähl­ten Geschich­ten aus dem alten und geich­zei­ti­gen Gör­litz gilt das Blatt auch heu­te noch als Fund­gru­be für den Historiker.

Gör­lit­zer Fama 1840 bis 1853
Her­aus­ge­ber: Buch­dru­cke­rei­be­sit­zer J.G. Dreßler

Görlitzer Fama mit AnzeigerEs erschie­nen Lokal­nach­rich­ten, Zei­tungs­nach­rich­ten, Ver­misch­tes sowie die Kir­chen­lis­te und die Getrei­de­prei­se der Regi­on. Erzäh­lun­gen, Gedich­te, Anek­do­ten, Rat­schlä­ge und Land­wirt­schaft­li­ches wur­den wie­der­ge­ge­ben. Thea­ter­kri­ti­ken soll­ten die Leser­schaft für die Büh­ne inter­es­sie­ren. Über die Tages­ge­schich­te und die Poli­tik zu berich­ten, war dem Blatt nicht gestat­tet. Die Leser­schaft kam vor­nehm­lich aus dem Mit­tel­stand, ver­tre­ten durch Hand­wer­ker, Bau­ern und Gewer­be­trei­ben­de, deren Exis­tenz durch die auf­stre­ben­de Indus­tria­li­sie­rung in Gefahr war. Die “Fama“ mahn­te die Erwach­se­nen, zu ein­fa­cher Lebens­wei­se zu fin­den und gegen Alko­hol­miss­brauch und Unsit­ten anzukämpfen.

Gör­lit­zer Tage­blatt 1856 bis 1862
Nie­der­schle­si­sche Zei­tung ab 1863 bis 1929
Her­aus­ge­ber: Otto­mar Vier­ling
Dru­cke­rei: G. A. Rämisch

Das Blatt galt als poli­ti­sche Rund­schau mit Tages­be­ge­ben­hei­ten sowie Loka­lem und Ver­misch­tem, Organ für die Publi­ka­ti­on der amt­li­chen Ver­ord­nun­gen und Bekannt­ma­chun­gen und all­ge­mei­ner Anzei­ger. Ab 1.1.1863 folg­te die Umbe­nen­nung in “Nie­der­schle­si­sche Zei­tung“. Es ging um die Ein­füh­rung des Leit­ar­ti­kels zu aktu­el­len Fra­gen, För­de­rung der Bil­dung und Beleh­rung zum öffent­li­chen Woh­le. Poli­tisch unab­hän­gig und unpar­tei­isch ver­trat die Zei­tung den “Stand­punkt des gemä­ßig­ten und beson­ne­nen Fort­schritts“. Sie befass­te sich mit sozia­len Fra­gen, wie z.B.: Arbei­ter­ver­si­che­rungs­we­sen, poli­ti­sche Gleich­heit aller Stän­de, Aus­glei­chung der Gegen­sät­ze zwi­schen Arbeit­ge­bern, Arbeit­neh­mern und ihren Orga­ni­sa­tio­nen, kri­ti­sier­te das Kom­mu­nal­we­sen, deck­te Miss­bräu­che auf und wag­te posi­ti­ve Vor­schlä­ge zum Woh­le der Stadt. Ab 1.2.1929 folg­te die Ver­ei­ni­gung mit den “Gör­lit­zer Nach­rich­ten und Anzei­ger“ zu “Ver­ei­nig­te Gör­lit­zer Nach­rich­ten und Nie­der­schle­si­sche Zeitung“.

Gör­lit­zer Zei­tung für die Lau­sitz 1862 bis 1867
Her­aus­ge­ber: Prof. Dr. August Til­lich
Dru­cke­rei: G. A. Rämisch

Es war Par­tei­or­gan der Kon­ser­va­ti­ven und dien­te zum “Ver­mit­teln der poli­ti­schen Bil­dung und Ver­fas­sungs­rei­fe”, vor allem unter der Land­be­völ­ke­rung”. Der Aus­brei­tung der libe­ra­len und demo­kra­ti­schen Pres­se soll­te ein Rie­gel vor­ge­scho­ben wer­den. Die Leit­ar­ti­kel dien­ten den Par­tei­in­ter­es­sen und als Kampf­mit­tel gegen die Libe­ra­len. Der Oppo­si­ti­ons­cha­rak­ter des Blat­tes führ­te zu Dif­fe­ren­zen mit der Stadt­ver­wal­tung. Bei­trä­ge zu Gör­lit­zer Thea­ter­ver­hält­nis­sen, aus den Land­tags­ver­hand­lun­gen, Gör­lit­zer Kir­chen­lis­ten, Markt­prei­se und amt­li­che Bekannt­ma­chun­gen wur­den immer sel­te­ner, die Par­tei­in­ter­es­sen stan­den im Vor­der­grund. Die feh­len­de finan­zi­el­le Grund­la­ge zur Selb­stän­dig­keit führ­te im März 1867 zur Ein­stel­lung der Zeitung.

Neu­er Gör­lit­zer Anzei­ger 1877 bis 1941
Hrsg: Buch­dru­cke­rei­be­sit­zer Gus­tav Hoff­mann & Emil Reiber

Es wur­de die auf­la­gen­stärks­te Zei­tung Nie­der­schle­si­ens, wur­de im gesam­ten fort­schritt­li­chen Bür­ger­tum und auch in Intel­li­genz­krei­sen zur meist­ge­le­se­nen Tages­zei­tung, ver­trat den libe­ra­len Geist, indes frei von jeder Par­tei­en- Scha­blo­ne. Man las promp­te und gedie­ge­ne Bespre­chung der Tages­fra­gen in ihren Leit­ar­ti­keln, aus­führ­li­che Berich­te aus Reichs- und Land­tag, reich­hal­ti­ge und zuver­läs­si­ge Mit­tei­lun­gen aus der Lau­sitz und Schle­si­en. Man fand Pfle­ge der loka­len Tei­le, spe­zi­ell der städ­ti­schen Ange­le­gen­hei­ten. Noti­zen über Han­del, Indus­trie und Ver­kehr sowie Bör­sen- und Markt­nach­rich­ten, amt­li­che Erlas­se und stan­des­amt­li­che Nach­rich­ten von Gör­litz und Umge­bung. Das Feuil­le­ton ent­hielt gedie­ge­ne Novel­len, natur­wis­sen­schaft­li­che und kul­tur­ge­schicht­li­che Erör­te­run­gen. Der Ein­satz der damals moderns­ten Druck­tech­nik (Setz­ma­schi­nen und Rota­ti­ons­ma­schi­nen) wur­de mög­lich. Ein bekann­ter Mit­ar­bei­ter von 1925 bis 1932 war Johan­nes Wüsten.

Gör­lit­zer Zei­tung — Unab­hän­gi­ges Organ für Jeder­mann 1891 bis 1892
Her­aus­ge­ber: Buch­dru­cke­rei H. Kret­schmer, Mein­hardt & Co.

Sie nahm sich vor, zum Woh­le, zur Beleh­rung und Unter­hal­tung der Bewoh­ner von Gör­litz, der Lau­sitz und Schle­si­ens nach dem Mot­to “Bie­te jedem etwas, und du befrie­digst alle“ bei­zu­tra­gen, Auf­klä­rung über wich­ti­ge poli­ti­sche und mate­ri­el­le Zeit­fra­gen zu leis­ten, täg­lich Bericht zu erstat­ten über die den Poli­ti­ker und Kauf­mann inter­es­sie­ren­den Tages­de­pe­schen. Tages­er­eig­nis­se aus Gör­litz, den Nach­bar­or­ten, der schle­si­schen Haupt­stadt und der könig­li­chen Resi­denz Ber­lin zu brin­gen, außer­dem Bör­sen­be­rich­te, Kurs­no­tie­run­gen und Wet­ter­be­ob­ach­tun­gen. Unter­hal­tung durch Novel­len, Roma­ne, Kunst­kri­ti­ken und Kunst­no­ti­zen, Humo­ris­ti­sches und popu­lär gehal­te­ne Arti­kel über tech­ni­sche und wis­sen­schaft­li­che Fra­gen. Ab Febru­ar 1892 erfolg­te die Ver­öf­fent­li­chung der “Offi­zi­el­len Gör­lit­zer Fremden-Liste“.

Gör­lit­zer Volks­zei­tung 1899 bis 1933
Her­aus­ge­ber: SPD
Eige­ne Dru­cke­rei Lui­sen­stra­ße 8

Es war die sozi­al­de­mo­kra­ti­sche Zei­tung, Organ für die werk­tä­ti­ge Bevöl­ke­rung der Ober­lau­sitz, nann­te sich “beru­fe­ne Ver­tre­te­rin der Arbei­ter­inter­es­sen, um das Volk über den wah­ren Zustand der Gesell­schaft auf­zu­klä­ren“, ableh­nend “gegen­über dem nie­de­ren Klatsch wie Hof­be­rich­te und Hei­rats­ge­su­che“. 1910 erfolg­te die Schaf­fung einer eige­nen Dru­cke­rei durch den Auf­bau der Genos­sen­schaft “Arbei­ter­dru­cke­rei“ und des Spar­ver­eins “Gör­lit­zer Volks­zei­tung“. Ihre Geschich­te ende­te 1933 durch Ver­bot der Zei­tung durch die NSDAP, 13.3.1933 Beset­zung der Redak­ti­on und Dru­cke­rei durch SA und Poli­zei. Bekann­te Redak­teu­re waren: Paul Löbe, spä­ter Reichs­tags­prä­si­dent, Her­mann Mül­ler, spä­ter Reichs­kanz­ler, Paul Taub­a­del, Reichstagsabgeordneter.

Ober­lau­sit­zer Früh­post 1932 bis 1934
Ober­lau­sit­zer Tages­post ab 1934 bis 1945
Her­aus­ge­ber: Hel­muth Brück­ner (bis 1934)

Verbot der VolkszeitungNach der Beset­zung der Dru­cke­rei der Gör­lit­zer Volks­zei­tung 1933 in der Lui­sen­str. 8 wur­de die Zei­tung dort gedruckt als Organ der NSDAP. Sie war gekenn­zeich­net durch Ver­herr­li­chung des Natio­nal­so­zia­lis­mus, Het­ze gegen alle exis­tie­ren­den Zei­tun­gen. Ab 1. Mai 1934 wur­de die “Früh­post“ in “Tages­post“ umbe­nannt mit der Maß­ga­be, dass die gesam­ten Zei­tun­gen der schle­si­schen Ober­lau­sitz fort­an täg­lich nur in einer Aus­ga­be zu erschei­nen haben. 1933, 1941 und 1943 haben alle ande­ren Gör­lit­zer Zei­tun­gen ihr Erschei­nen ein­ge­stellt. Am 5. Mai 1945 erschien die letz­te Aus­ga­be der “Tages­post“.

Zei­tun­gen nach 1945 mit Gör­lit­zer Lokal­teil
Amt­li­che Bekanntmachungen

Es begann mit Amt­li­chen Bekannt­ma­chun­gen der Stadt Gör­litz, wel­che von 1945 bis 1950 erschie­nen. Nach der Wen­de wur­den die amt­li­chen Bekannt­ma­chun­gen der Stadt Gör­litz als “Amts­blatt“ wie­der­be­lebt. 1991 wur­den sie im Gör­lit­zer-Mosa­ik ver­öf­fent­licht. Von 1992 bis 1994 erschie­nen sie im Gör­lit­zer Wochen­spie­gel. Ab 1. Febru­ar 1994 wird das “Amts­blatt“ als eigen­stän­di­ge Publi­ka­ti­on herausgegeben.

NS-Propaganda 1933

Tages­zei­tun­gen
1946 wur­den die “Volks­stim­me“ der SPD und die “Säch­si­sche Volks­zei­tung“ der KPD zusam­men­ge­schlos­sen zur “Säch­si­schen Zei­tung“. Sie erschien vom 13.4. bis 20.5.1946 in Gör­litz. Nach Grün­dung der SED 1946 wur­de die “Säch­si­sche Zei­tung“ nur noch zwi­schen Dres­den und Baut­zen ver­trie­ben. Für Gör­litz war die “Lau­sit­zer Rund­schau“ zustän­dig, wel­che bis 13.8.1952 in Gör­litz erschien. Mit der Schaf­fung der Bezir­ke 1952 wur­de auch die Pres­se neu geord­net. Die “Lau­sit­zer Rund­schau“ wur­de dem Bezirk Cott­bus zuge­ord­net und die “Säch­si­sche Zei­tung“, als Organ der Bezirks­lei­tung Dres­den der SED, dem Bezirk Dres­den. Seit dem 15.8.1952 wur­de die “Säch­si­sche Zei­tung“ in Gör­litz ver­trie­ben. Sie hat­te sehr vie­le Abon­nen­ten. Im Regio­nal­teil berich­te­te sie über die SED- Par­tei­po­li­tik in allen gesell­schaft­li­chen Berei­chen und pro­pa­gier­te die Linie der Sächsische ZeitungPar­tei­füh­rung für die Stadt und den Land­kreis. Sie stütz­te sich auf zahl­rei­che “Volks­kor­re­spon­den­ten“. Auch die Tages­zei­tun­gen “Die Uni­on“ (CDU) und ”Säch­si­sches Tage­blatt“ (LDP) unter­hiel­ten in Gör­litz eige­ne Kreis­re­dak­tio­nen; sie wand­ten sich vor allem an die Mit­tel­schich­ten. Im Dezem­ber 1989 trat die Chef­re­dak­ti­on zurück, und die Säch­si­sche Zei­tung ändert ihren Unter­ti­tel, und die Kopf­zei­le “Pro­le­ta­ri­er aller Län­der ver­ei­nigt Euch“ ent­fiel. Im Janu­ar 1990 erklär­te die Zei­tung ihre Unabhängigkeit.

Von 1961 bis 1967 war das “LANDSKRON echo“ die Hei­mat­zei­tung für die Stadt und den Kreis Gör­litz. 1991 erschien der “Wochen­spie­gel“, in wel­chem von 1992 bis 1994 das Görlitzer AmtsblattGör­lit­zer Amts­blatt ver­öf­fent­licht wur­de. 1994 erfolg­te die Umbe­nen­nung in “Wochen­ku­rier“, und die amt­li­chen Mit­tei­lun­gen des Land­rats­am­tes erschei­nen hier. Wäh­rend der poli­ti­schen Umwäl­zung nach 1989 erschien die “Gör­lit­zer Zei­tung“, die den Ver­än­de­rungs­pro­zess kri­tisch beglei­te­te und furcht­los Skan­da­le auf­deck­te. Sie muss­te bald ihr Erschei­nen ein­stel­len. Seit 1993 gibt es den “Nie­der­schle­si­schen Niederschlesischer KurierKurier“ für die Stadt und den Land­kreis Gör­litz als Ergän­zung zum “Ober­lau­sit­zer Kurier“. Mit Schaf­fung des Nie­der­schle­si­schen Ober­lau­sitz-Krei­ses wur­de die Zei­tung kurz­zei­tig in “Gör­lit­zer Kurier“ umbe­nannt. Aber der Name “Nie­der­schle­si­scher Kurier“ hat sich durchgesetzt.

Das Mei­nungs­mo­no­pol einer ein­zi­gen regio­na­len Tages­zei­tung mit Kreis­teil wird von vie­len Ein­woh­nern bedau­ert. Zahl­rei­che Leser­brie­fe tra­gen jedoch dazu bei, unter­schied­li­che Stand­punk­te vorzutragen.

Claus Bern­hard, Zir­kel Gör­lit­zer Heimatforscher

Bild­nach­wei­se:
Bild 1: wikipedia.org

Bild 4: Staats­bi­blio­thek Ber­lin
Bil­der 2,3, 5 und 6: Stadt­BILD Aus­ga­be Nr. 79 aus 1/2010
Bild 7: Titel­sei­te Säch­si­sche Zei­tung Aus­ga­be 30.4.2011
Bild 8: Titel­sei­te Amts­blatt Gör­litz Aus­ga­be 18 aus 8/2012
Bild 9: Titel­sei­te Nie­der­schle­si­scher Kurier Aus­ga­be 37/2010