175 Jahre Photographie und Streit um die Kundschaft

Der Begriff Pho­to­gra­phie wur­de erst­mals am 25. Febru­ar 1839 von Johann Hein­rich von Mäd­ler ver­wen­det. Bis ins 20. Jahr­hun­dert bezeich­ne­te Foto­gra­fie alle Bil­der, wel­che rein durch Licht auf einer che­misch behan­del­ten Ober­flä­che entstehen.

Zum 170. Jah­res­tag der Foto­gra­fie hat die Monats­zeit­schrift Stadt­BILD in ihrer Aus­ga­be Nr.  70 vom April 2009 den Auf­satz “170 Jah­re Pho­to­gra­phie” von Herrn Hans Brett­schnei­der veröffentlicht:

175 Jahre Photographie

Es trug sich zu in den Jah­ren der Grün­der­zeit und des Jugend­stils. Pho­to­gra­phen oder sol­che, die sich dafür hielten,schossen wie Pil­ze aus dem Erd­bo­den und ver­gin­gen auch so schnell, wie sie gekom­men waren. Eini­ge blie­ben aber davon in den Städ­ten hän­gen und mach­ten den alt­ein­ge­ses­se­nen Licht­bild­ge­stal­tern, Malern oder Por­trä­tis­ten mit ihren Bil­lig­an­ge­bo­ten das Leben sehr schwer.

Die Zeit der Visit- und Cabi­net­photo­gra­phien stand in vol­ler Blü­te bzw. war gera­de, ange­sichts der sich immer mehr breit­ma­chen­den Post­kar­ten, kurz vor dem Ver­blü­hen. Und hier stie­gen, heu­te wür­de man sagen Dis­coun­ter, einer Bil­lig­ket­te ange­hö­ren­de Pho­to­gra­phen ein und über­bo­ten sich mit eben die­sen Bil­lig-Visit- und Cabi­net­kar­ten. Die­se Bil­lig­ket­te war über ganz Deutsch­land ver­streut, es gab kei­ne grö­ße­re Stadt, in der “Sam­son & Comp” oder “Sam­son & Cie” nicht ver­tre­ten war.

Und auch in Gör­litz, Ber­li­ner Stra­ße 29, eta­blier­te sich die­se, zuerst mit dem Pho­to­gra­phen Otto Fried­heim, und danach arbei­te­te dort der Gör­lit­zer Pho­to­graph Fritz Haa­se. Fritz Haa­se war Pho­to­gra­phen­meis­ter und Mit­glied der Photographeninnung.

Der eigent­li­che Streit brach aus anläss­lich der Neu­eröff­nung des pho­to­gra­phi­schen Ate­liers “Sam­son & Co.” ab dem 11.Marz 1905. Da wur­den z.B. 12 Visit­kar­ten zu 1,90 Mark oder 12 Kabi­netts zu 4,90 Mark ange­bo­ten. Dazu gab es noch als Gra­tis­ge­schenk eine Bro­sche oder eine Kra­wat­ten­na­del mit “eige­ner Pho­to­gra­phie“ in Semi-Email­le. Zu Ostern 1905 gab es gra­tis eine ele­gan­te Por­zel­lan­va­se mit eige­ner Pho­to­gra­phie, eine fei­ne Por­zel­lan-Kaf­fee­tas­se mit Unter­tas­se und eige­ner Pho­to­gra­phie oder einen Bier­be­cher mit Gold­rand und eige­ner Pho­to­gra­phie! Na, ist das nichts? Da muss man sich doch ablich­ten las­sen!!! Es wur­de aber aus­drück­lich dar­auf hin­ge­wie­sen: ”Wir bit­ten genau auf unse­re Fir­ma und Haus­num­mer 29 zu ach­ten.” Zu die­ser Zeit gab es in fast jedem Haus er Ber­li­ner Stra­ße einen oder meh­re­re Pho­to­gra­phen, die sich förm­lich um jeden Kun­den ris­sen und stritten.

175 Jahre Photographie

Aus einem Geschäfts­buch geht her­vor, dass eine Visit­kar­te bei dem uns lei­der unbe­kann­ten Pho­to­gra­phen mit 1,75 Mark und 3 Kabi­netts mit 4,50 Mark gehan­delt wur­den. Eine Kabi­nett­kar­te bekam der Kun­de dort für 2,50 Mark, und eine Oblong­kar­te kos­te­te gar 3,50 Mark. Das war natür­lich sehr viel Geld, und ein ein­fa­cher Fabrik­ar­bei­ter konn­te sich solch eine Aus­ga­be nur ein­mal im Jahr leisten.

Ein Ruck und ein Auf­schrei gin­gen durch die Gör­lit­zer Pho­to­gra­phen­gil­de ob sol­cher Preis­ma­ni­pu­la­tio­nen in ihrem Gewer­be und vor ihrer Nase. 12 Pho­to­gra­phen, dar­un­ter Robert Schulz, Adolf Wink­ler, Hans Ucko, Lou­is Pen­zel und Gan­zel & Fran­ckes Nach­foig. R. Mül­ler, schlos­sen sich zusam­men und ver­fass­ten im Foto abge­bil­de­te Peti­ti­on am 30.11.1905 an den Neu­en Gör­lit­zer Anzei­ger. Dar­in beschwer­ten sich die unter­zeich­nen­den Pho­to­gra­phen über die Arbeits­wei­se die­ser ‚”Dis­coun­ter“ und deren Geschäfts­ge­ba­ren. Zum Abschluss wird noch dar­auf hin­ge­wie­sen: “Ähn­lich ver­hält es sich auch mit den zu Schleu­der­prei­sen ange­prie­se­nen Ver­grö­ße­run­gen. Auch die­se sind Mas­sen­pro­duk­te und ent­beh­ren jedes künst­le­ri­schen Wertes.“

175 Jahre Photographie

Natür­lich fehlt in die­ser Peti­ti­on auch nicht die Eigen­wer­bung der Unter­zeich­ner, die da lau­te­te: “Unter­zeich­ne­te Ate­liers emp­feh­len sich zur Anfer­ti­gung pho­to­gra­phi­scher Bild­nis­se jeder Art und Grö­ße in der Neu­zeit ent­spre­chen­der künst­le­ri­scher Aus­füh­rung und bit­ten für das Weih­nachts­ge­schäft in Aus­sicht genom­me­ne Auf­trä­ge bald­mög­lichst ertei­len zu wollen.“

Die Wogen glät­te­ten sich aber bald wie­der, Visit‑, Kabi­net- oder Oblong­kar­ten wur­den durch die heu­te noch gebräuch­li­che Post­kar­te abge­löst. Rei­ne Post­kar­ten­ver­la­ge sie­del­ten sich auch in Gör­litz an. Hier sei erin­nert an den Post­kar­ten­ver­lag Franz Piet­sch­mann, der über­wie­gend Moti­ve aus dem Rie­sen­ge­bir­ge anbot und ver­mark­te­te oder auch den Post­kar­ten­ver­lag von Lothar Mat­tu­scheck, wel­cher auch Kar­ten aus dem Nach­lass der Fir­ma Robert Scholz anbot.

Quel­len:
Archiv Foto­mu­se­um Gör­litz
Zei­tungs­ar­chiv der Ober­lau­sitz­schen Wis­sen­schaf­ten
Pho­to­samm­lung Hans Brettschneider

Mit freund­li­cher Geneh­mi­gung des Stadt­BILD-Ver­la­ges Görlitz

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