Das ländliche Wohnhaus in der sächsischen Oberlausitz

Die Monats­zeit­schrift Stadt­BILD hat in ihrer Aus­ga­be Nr. 106 vom Mai 2012 einen Auf­satz von Hubert Kreisch über “das länd­li­che Wohn­haus in der säch­si­schen Ober­lau­sitz” ver­öf­fent­licht. Der Auf­satz war illus­triert mit Zeich­nun­gen von Hans Rich­ter aus Löbau, die vor cir­ca 100 Jah­ren ent­stan­den sind.

Die Abbil­dun­gen zei­gen das eine oder ande­re Wohn­haus in der Ober­lau­sitz, was natür­lich heut nicht mehr auf­zu­fin­den ist. Der Text zu den unter­schied­lichs­ten Bau­for­men der Gebäu­de und deren Nut­zung ist aus dem Ober­lau­sit­zer Hei­mat­ka­len­der von 1913 ent­nom­men. Die ältes­ten Gebäu­de — Bau­ern- und Weber­häu­ser — sind zurück bis zum 3Ojährigen Krieg datiert, also reich­lich 300 Jah­re alt. Vor­ge­stellt wer­den Häu­ser an dem uralten Stra­ßen­ver­lauf Dres­den-Gör­litz, süd­lich bis ins Zit­tau­er Gebir­ge, Böh­men, nörd­lich in die stil­len Wäl­der der Hei­de, bis in die Aus­läu­fer der Wen­den­in­sel. So wer­den die uralte Tra­di­ti­on des länd­li­chen Bau­we­sens und eben­so Misch­for­men des Lau­sit­zer Typs vorgestellt.

sächsisches Wohnhaus

Es sind sla­wi­sche Bau­ten, Lehm­häu­ser oder ein­ge­schos­si­ge Block­werk­bau­ten mit abste­hen­den Holz­säu­len, die das Dach tra­gen. Fach­werks­bau­ten oder Umge­bin­de­häu­ser sind klei­ne bäu­er­li­che Gebäu­de mit einem “stei­ner­nen Stall” auf der rech­ten Haus­sei­te. Der For­men­reich­tum der länd­li­chen Bau­wei­se zeigt auch die sozia­le und wirt­schaft­li­che Man­nig­fal­tig­keit unse­rer Vorfahren.

säschsisches Wohnhaus

Die Anla­ge der Sied­lun­gen zeigt im Süden deut­sche Lang­dör­fer, deren Flu­ren deut­lich die alte Ver­tei­lung nach Wald­hu­fen auf­wei­sen. Außer­dem fin­den sich neue­re Grün­dun­gen (meist sol­che von böh­mi­schen Exu­lan­ten, wie Neu­gers­dorf, Schir­gis­wal­de, Neu­sal­za, usw.), deren zer­streu­te Bau­wei­se mehr an das ger­ma­ni­sche Hau­fen­dorf erinnert.

Die deut­schen Lang­dör­fer, um 1200 unge­fähr zumeist auf dem geord­ne­ten Boden des Böh­mi­schen Grenz­wal­des oder auf alt­wen­di­scher Flur ent­stan­den, zie­hen sich oft Dorf an Dorf in unun­ter­bro­che­nen Gehöf­te- und Häu­ser­rei­hen an Fluss­läu­fen ent­lang. Zwi­schen den Bau­ern­ge­höf­ten fin­den wir ein­stö­cki­ge oder zwei­stö­cki­ge Wohn­ge­bäu­de der Gärt­ner oder Gar­ten­nah­rungs­be­sit­zer, der Häus­ler, der Haus­we­ber und Fabrik­ar­bei­ter, die durch die gro­ßen, schö­nen Wohn­ge­bäu­de der Fabri­kan­ten ver­mehrt wurden.

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Die Wen­den-Dör­fer, dicht geschart im Nord­wes­ten von Löbau um ihren uralten Mit­tel­punkt Baut­zen, sind klei­ne Rund­dör­fer, die aller­dings viel­fach nicht die rei­ne Gestalt sla­wi­scher Rund­lin­ge aufweisen.

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Um die Rit­ter­gü­ter bil­de­ten sich klei­ne Grup­pen von Fach­werks- oder Lehm­bau­ten der Bau­ern, Gärt­ner und Häus­ler. Trotz des groß­in­dus­tri­el­len Auf­schwun­ges städ­ti­scher Bau­wei­se hat sich die länd­li­che Bau­wei­se in ihrer bes­ten ein­fach-schö­nen Form erhal­ten. So sind in den Jah­ren Misch­for­men ent­stan­den, die man Lau­sit­zer Typus nen­nen kann.

Die sla­wi­schen Bau­ten, jeden­falls Lehm­häu­ser oder ein­ge­schos­si­ge Block­wand­bau­ten, deren Dach etwas vor­sprang und von den abste­hen­den Holz­säu­len getra­gen wur­de, damit das Was­ser gut ablief, fin­den wir in rei­nen For­men im Wen­den­ge­biet nörd­lich des Czor­ne­bohzuges oder im nicht all­zu weit davon ent­fern­ten böh­mi­schen Grenz­ge­biet, in Tsche­chi­en am Jesch­kenzug und sei­nen nörd­li­chen Ausläufern.

Im Lau­fe der Zeit sind die Säu­len an das Haus her­an­ge­rückt und durch Kopf­bän­der mit der Holz­schwel­le des Ober­ge­schos­ses ver­bun­den wor­den. Nach und nach wur­den die Kopf­bän­der abge­run­det, und es ent­stan­den die cha­rak­te­ris­ti­schen Holz­bö­gen, die in der Lau­sitz die meist zurück­tre­ten­den Fens­ter des Boh­len­hau­ses umrah­men. Die Holz­bal­ken- oder Boh­len­tei­le mit Säu­len und Umge­bin­de, wie man jene Bögen auch nennt, sind das Cha­rak­te­ris­ti­sche, was heu­te eben noch anzu­tref­fen ist und was allen Frem­den zunächst auf­fällt. Das gan­ze Haus im Block­werks­bau gab es meis­tens nur in den Weber­häu­sern. In klein­bäu­er­li­chen Gebäu­den wur­de die Hälf­te des Hau­ses gewöhn­lich vom stei­ner­nen Stall ein­ge­nom­men, getrennt waren sie durch einen weit­räu­mi­gen Flur. Im Mit­tel­punkt des Hau­ses war die Feuerstätte.

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Viel­mals zeigt das Ober­ge­schoss des Fach­werk­hau­ses einen frän­kisch-thü­rin­gi­schen Ein­fluss. Zu erken­nen sind die­se an den Kreuz­bal­ken in den End­fel­dern. Die Lau­sit­zer Bau­wei­se bie­tet also eine Mischung aus sla­wi­schen, nie­der­deut­schen und frän­ki­schen Elementen.

Die Häu­fig­keit der Ungleich­heit der Dach­rei­ni­gung, tie­fe­re Her­ab­füh­rung des Daches nach der Hin­ter­sei­te wird auf die Lage an den Berg­leh­nen wie zum Bei­spiel im Rie­sen­ge­bir­ge zurückgeführt.

Die Beda­chung und die Ver­klei­dung der Wän­de zeigt in der Ver­schie­den­heit der Lage Unter­schie­de. Schin­del­dä­cher sind sel­te­ner als Stroh­dä­cher. Die­se nann­te man “Scho­ben­häu­ser” (Stroh­bün­del, Stroh­wi­sche), jedoch durf­ten auf Geheiß der Bau­po­li­zei in bestimm­ten Lagen Dächer nur noch in Zie­gel- und Schie­fer­einde­ckun­gen aus­ge­führt werden.

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Die Wän­de des obe­ren Stock­wer­kes, das Fach­werk, wur­den mit einem Lehm­stroh­ge­misch aus­ge­klei­det, oft auf Holz­sta­ken oder Wei­den­ge­flecht, was vor­her zwi­schen dem Holz ein­ge­spannt wur­de. Auch war die Ver­klei­dung aus Holz (Schin­deln, Bret­ter) oder Schie­fer mit hüb­schen Mus­tern ver­se­hen, vor allem die Gie­bel der Häu­ser der Wohlhabenden.

Zu den älte­ren For­men der bäu­er­li­chen Bau­wei­se gehö­ren die bemer­kens­wer­ten Holz­bau­ten, die “Gän­ge” oder “Wachen” des ers­ten Sto­ckes, oder auch “Erker”, die auf Säu­len getra­gen wer­den. Auf Typen der ein­zel­nen Bau­ern­ge­höf­te und Groß­bau­ern, Gehöf­te mit geschlos­se­nem Hofe, soll hier nicht ein­ge­gan­gen wer­den, eben­so die der Fabriken.

säschsisches WohnhausOft waren die Män­ner auf dem Hof oder in der Indus­trie beschäf­tigt, und die Frau­en und Kin­der, meist “Häus­ler”, besorg­ten das Stück Land und das Klein­vieh in den arm­se­li­gen Hüt­ten, auch “Kate” genannt. Die Weber­häu­ser in unse­rer Lau­sitz, Block­wand­bau mit Umge­bin­de und Holz­stu­ben, wei­sen auf die Haus­we­be­rei hin. Sie waren oft ganz Block­wand­bau­ten und waren von meh­re­ren Fami­li­en bewohnt. Wohl­ha­ben­de zeich­ne­ten sich mit ihren Gebäu­den durch Grö­ße in bes­se­rer Bau­wei­se aus. Es ist anzu­er­ken­nen, dass sich gera­de in der Ober­lau­sitz die Zwi­schen­händ­ler der Tex­til­in­dus­trie an die Bau­wei­se des Lau­sit­zer Stils gehal­ten haben (Ober- und Nie­der­cun­ners­dorf als Beispiel).

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Gera­de dadurch wird die Schön­heit der Ober­lau­sitz mit ihren Bau­ten her­vor­ge­ho­ben, da sie kei­ne Über­fül­le von Orna­men­ten und schmü­cken­dem Bei­werk auf­weist. Nur weni­ge Schnit­ze­rei­en an den Säu­len und Fens­ter­rah­men oder Mus­ter an den Wän­den und Gie­beln, die mit Schie­fer ver­klei­det sind, die­nen als Schmuckelemente.

Bemer­kens­wert dar­an sind an älte­ren Gebäu­den, beson­ders in Wal­ters­dorf an der Lau­sche, die schöns­ten Tore und Türen aus Sand­stein, meist aus dem 18. Jahr­hun­dert stam­mend und häu­fig mit alter Haus­mar­ke und Jah­res­zahl ver­se­hen. Hier wir­ken als Schmuck auf den Fens­tern die präch­ti­gen Blu­men­käs­ten mit Gera­ni­en und Fuch­si­en im Som­mer. Die far­ben­fro­he Gestal­tung der Häu­ser und ihrer Vor­gär­ten, beson­ders in Oybin, bekun­det ein schö­nes Land­schafts­bild im Zit­tau­er Gebir­ge für ihre Besu­cher. So eigen­ar­tig wie das äuße­re des Ober­lau­sit­zer Dorf­hau­ses ist, ist auch sein Inne­res. Vie­le alte Ein­rich­tungs­ge­gen­stän­de fin­det man heu­te nur noch in Muse­en und Hei­mat­stu­ben. Dafür hat­te sich schon vor 100 Jah­ren der Ver­ein “Für säch­si­sche Volks­kun­de” stark gemacht. So sind damals schon in Muse­en Samm­lun­gen von voll­stän­dig ein­ge­rich­te­ten Bau­ern- und Weber­stu­ben unter­ge­bracht worden.

Heu­te kön­nen wir in der gan­zen Ober­lau­sitz — von Sagar bis Lücken­dorf und von Bischofs­wer­da bis Mar­kers­dorf – Bau­ern- und Weber­häu­ser, die zu Muse­en bzw. Hei­mat­stu­ben ein­ge­rich­tet wur­den, besuchen.

In den Medi­en wird heu­te oft berich­tet, wie man sich bemüht, bei uns sowie in Polen und Tsche­chi­en vor allem Umge­bin­de­häu­ser zu retten. 

Quel­le:
Ober­lau­sit­zer Hei­mat­bund 1913

Mit freund­li­cher Geneh­mi­gung des Stadt­BILD-Ver­la­ges Görlitz

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