Kategorie: Bremerhaven damals und heute

Bürgerhaus Lehe

Bür­ger­haus Lehe

Der im Jah­re 1862 opu­lent gestal­te­te Saal des Bür­ger­haus Lehe wur­de im Jah­re 1896 mit einer Büh­ne aus­ge­stat­tet. in die­sen Jah­ren hat der Saal vie­le fest­li­che Zei­ten erlebt. Er war Ball­saal und Treff­punkt der Leher Hono­ra­tio­nen. Und seit etwa 1922 für vie­le Jah­re auch Ver­samm­lungs­ort des Schüt­zen­ver­ein Lehe von 1848 e. V. Bürgerhaus LeheNach dem Zwei­ten Welt­krieg war das an der Fried­hof­stra­ße gele­ge­ne Bür­ger­haus Lehe für die Bür­ge­rin­nen und Bür­ger ein Ort, an dem sie die Müh­sal die­ser Zeit für ein paar Stun­den ver­ges­sen konn­ten. So führ­te das Stadt­thea­ter hier im Okto­ber 1945 Zuck­may­ers Volks­stück “Katha­ri­na Knie” auf. Und noch in den spä­ten 1950er Jah­ren beka­men die jun­gen Leu­te hier ihren Tanz­un­ter­richt. Beim Abtanz­ball wur­de das Erlern­te vor­ge­führt. Und sonn­tags lud das Bür­ger­haus zum Tanz­tee ein. Wäh­rend die einen das Tanz­bein schwan­gen, erfreu­ten sich neben­an die ande­ren am Kegeln.

Doch der eins­ti­ge Glanz des Saa­les im Bür­ger­haus Lehe an der Eisen­bahn­stra­ße war ver­blasst. Mehr als 50 Jah­re wur­de der rund 400 Qua­drat­me­ter gro­ße Saal nicht mehr genutzt. Dann aber mach­te sich eine Leher Fir­ma dar­an, den Saal in dem his­to­ri­schen Grün­der­zeit­ge­bäu­de zu ent­ker­nen. Dabei wur­de auch die gut erhal­te­ne alte Decke freigelegt.
Quel­le: Mar­ti­na Löw­ner, “Der Glanz längst ver­gan­ge­ner Tage”, Sonn­tags­jour­nal vom 27.05.2012

Bürgerhaus Lehe
Nach­trag vom 10.02.2019
Die Umbau- und Sanie­rungs­ar­bei­ten in der Leher Fried­hofs­stra­ße 15 för­der­ten vie­le Über­ra­schun­gen zuta­ge. So muß­te der zunächst für den 1. Sep­tem­ber 2018 geplan­te Eröff­nungs­ter­min ver­scho­ben wer­den. Auch der Okto­ber­ter­min war nicht zu rea­li­sie­ren. Aber alle Schwie­rig­kei­ten konn­ten gemeis­tert wer­den, und seit 16. Novem­ber 2018 ist das Bür­ger­haus Lehe wie­der in Betrieb. Der Inha­ber Niko­laj Grom­berg bie­tet auf sei­ner Inter­net­sei­te einen “hel­len und groß­zü­gig gestal­te­ten Tanz­saal” als “Raum für fest­li­che Anläs­se, Ver­an­stal­tun­gen und sons­ti­ge Fei­ern” an. Und auch die Sport­keg­ler sind wie­der da. Die  22 moder­nen Kegel­bah­nen wer­den vom Keg­ler­ver­ein Bre­mer­ha­ven e. V. genutzt, ste­hen aber auch für pri­va­te Ver­an­stal­tun­gen zur Verfügung.

Das Apollo-Kino in Bremerhaven

Das Apol­lo-Kino in Bremerhaven

In den Jah­ren von 1946 bis 1956 erlebt das deut­sche Kino eine Blü­te­zeit. 1956 errei­chen in West­deutsch­land die Zuschau­er­zah­len mit 817 Mil­lio­nen Kino­be­su­chern ihren Zenit. Das Apollo-Kino in BremerhavenDer Erfolg wird mit deut­schen Hei­mat­fil­men gene­riert. Son­ja Zie­mann und Rudolf Prack stel­len 1950 das Traum­paar im Nach­kriegs­farb­film “Schwarz­wald­mä­del” dar. Es fol­gen die Kitsch­fil­me “Grün ist die Hei­de” (1951), “Der Förs­ter vom Sil­ber­wald” (1954) und “Das Schwei­gen im Wal­de” (1955). 

Das Apollo-Kino in Bremerhaven

In den 1950er Jahren lohnen sich Kinos noch

In die­sen Jah­ren wer­den Kinos zu loh­nen­den Inves­ti­ti­ons­ob­jek­ten. So ent­ste­hen gro­ße Kino­neu­bau­ten mit geschwun­ge­nen asym­me­tri­schen Sälen. Die ange­strahl­ten Wän­de sind mit Stoff bespannt. Bogen­för­mi­ge Trep­pen füh­ren hin­auf zu weit in den Raum ragen­de Gale­rien. In den Foy­ers die­ser Kinos gibt es ele­gan­te Süß­wa­ren­stän­de. Das Kino wird zum Palast der Wirt­schafts­wun­der-Gesell­schaft.Das Apollo-Kino in BremerhavenAuch in Bre­mer­ha­ven ent­ste­hen in die­sen Jah­ren an jeder Ecke neue Kinos. Boten 1950 acht Kinos mit 4221 Plät­zen ihre Fil­me an, waren es Ende der 1950er Jah­re sechs­zehn “Licht­spiel­thea­ter” mit 9678 Plät­zen. Das Kino wur­de bald zum Treff­punkt und zum Ort für ers­te zärt­li­che Berührungen. 

Das Apollo-Kino in Bremerhaven

Neueröffnung in Geestemünde

In Geest­e­mün­de eröff­net in der Georg­stra­ße 73 am 25. Dezem­ber 1953 Wil­fried Spring­brunn sein neu­es Kino “Euro­pa” und lädt mit 649 Plät­zen zu  ein paar schö­ne Stun­den ein. Vor­bei an den Kas­sen­be­reich und der Pop­corn­ma­schi­ne gelangt der Besu­cher durch das groß­zü­gi­ge Foy­er zum Saaleingang.

Das Apollo-Kino in Bremerhaven

Zum Eröff­nungs­tag laden Wil­fried Spring­brunn und sei­ne Frau zu einem Film “für Ver­lieb­te, Ver­lob­te und Ver­hei­ra­te­te” ein: “Ich und Du” ist ein deut­scher Spiel­film mit Har­dy Krü­ger und Lie­se­lot­te Pul­ver. Die Ein­la­dungs­kar­ten sind für zwei Per­so­nen gültig.Das Apollo-Kino in Bremerhaven

Theo Marseille übernimmt das “Europa”

1963 ver­stirbt der Kino­be­trei­ber Wil­fried Spring­brunn, und Kino-Zar Theo Mar­seil­le über­nimmt das Kino “Euro­pa”. Theo Mar­seil­le, Spröss­ling einer Sei­den­we­ber­fa­mi­lie, stammt aus Kre­feld. Mit sei­ner Frau Ilse baut er nach dem Zwei­ten Welt­krieg ein flo­rie­ren­des Film­thea­ter­un­ter­neh­men auf.

Das Apollo-Kino in Bremerhaven

Theo Mar­seil­le besitzt bereits die Bre­mer­ha­ve­ner Kinos “Ala­din” in der Rick­mer­stra­ße 13 — 15, “Atlan­tis” in der Hafen­stra­ße 144 und “City” in der Hafen­stra­ße 127, als er im Jah­re 1963 auch das “Euro­pa” über­nimmt und moder­ni­siert. Er will das Kino zum Fami­li­en­thea­ter Geest­e­mün­des machen.

PopcornautomatNach dem Umbau trennt eine Glas­schei­be die Loge unter­halb des Vor­führ­rau­mes vom übri­gen Kino­saal, und fort­an ver­fügt das Kino über die ers­te Rau­cher­lo­ge im Land Bre­men. Zur Wie­der­eröff­nung im Früh­jahr 1963 erhält das Kino auch einen neu­en Namen: “Apol­lo”. Vie­le Jah­re ist das “Apol­lo” neben dem “Ala­din” das gro­ße Erst­auf­füh­rungs­haus Bremerhavens. 

Treppe

Legen­dä­re Fil­me wer­den hier gespielt. Jahr­zehn­te­lang ist das “Apol­lo” in Bre­mer­ha­ven Inbe­griff für gro­ßes Kino. Im Jah­re 1964 war es “James Bond 007 – Gold­fin­ger” mit Sean Con­nery und dem unver­gess­li­chen Gerd Frö­be, 1968 kam der Italo-Wes­tern “Spiel mir das Lied vom Tod” von Ser­gio Leo­ne, 1971 die “Love Sto­ry” mit Ali Mac­Graw und Ryan O’Ne­al und 1972 der Mafia­film “Der Pate” mit Mar­lon Bran­do und Al Paci­no. Die­se Film-Klas­si­ker ste­hen für vie­le ande­re gro­ße Fil­me, die vor­her oder nach­her auf­ge­führt wer­den. Es ist unmög­lich, sie an die­ser Stel­le alle aufzuzählen.

entkerntes Kino

Immer wieder Umbauten

In den Fol­ge­jah­ren wird im Apol­lo immer wie­der umge­baut. Die Decken wur­den ver­än­dert und Wän­de mit Tep­pi­chen ver­klei­det. Nach der Reno­vie­rung im Jah­re 1979 ist abseh­bar, dass auch in Bre­mer­ha­ven nicht mehr genü­gend Nach­fra­ge nach gro­ßen Licht­spiel­häu­sern vor­han­den ist. Theo Mar­seil­le schließt zum 1. August 1980 trotz einer gera­de abge­schlos­se­nen Reno­vie­rung sein Kino “Capi­tol” in der Hafen­stra­ße 156. 

Zeitungsanzeige

Mar­seil­le ent­schließt sich, das Kino “Apol­lo” zu tei­len. In den Mona­ten Juni und Juli 1980 wer­den die Arbei­ten aus­ge­führt. Der ehe­mals gro­ße Saal bekommt nun den Namen “Apol­lo 1” zuge­wie­sen, das neue klei­ne Kino heißt “Apol­lo 2”. In bei­den Kinos darf geraucht wer­den. Klei­ne Abla­gen vor den Sit­zen neh­men die Geträn­ke auf.

Eintrittskarten

Im Jah­re 1993 wird wie­der reno­viert. Im “Apol­lo 1” wer­den die bei­den Bal­ko­ne geschlos­sen und fort­an als Abstell­räu­me genutzt. Das Rau­chen ist nun verboten.Treppe zur Empore

Apollo” gibt auf

Am 28. April 2007 wird in Bre­mer­ha­ven, Karls­burg 1, das “Cin­eMo­ti­on Bre­mer­ha­ven” mit sechs Kino­sä­le eröff­net. Im April 2007 läuft im “Apol­lo” die letz­te Spiel­wo­che an, danach schließt das Kino für immer die Pforten.

Kino im Umbau

Für das Apol­lo-Kino in Bre­mer­ha­ven fin­det sich kei­ne wei­te­re Ver­wen­dung. Den ver­schwun­de­nen Glanz des ehe­ma­li­gen Licht­spiel­hau­ses, den Schein der Kron­leuch­ter und den Anblick der roten Samt­vor­hän­ge kann man nur noch erah­nen. Der lecke­re Geruch des süßen Pop­corns hat sich längst in den stau­bi­gen Man­tel der Ver­gan­gen­heit ver­flüch­tigt. Nur die opu­len­te Decken­ge­stal­tung, zwei groß­zü­gi­ge Empo­ren, lee­re Kino­sit­ze und der Pop­corn­au­to­mat zeu­gen noch heu­te vom Glanz & Glo­ria der Wirtschaftswunderjahre.Kino-Eingang

Neue Verwendung für das Apollo-Kino in Bremerhaven

Heu­te gehört das Apol­lo-Kino in Bre­mer­ha­ven in der Georg­stra­ße 73 Lars Wüb­ben, Geschäfts­füh­rer der Wüb­ben GmbH. Ideen­reich hat er das ehe­ma­li­ge Kino ent­kernt und in ein mul­ti­funk­tio­na­les Ver­an­stal­tungs­zen­trum umbau­en las­sen. Die noch vor­han­de­nen für 1950er und 1960er Jah­re typi­schen Bau­ele­men­te hat Wüb­ben frei­ge­legt. Auf der Empo­re ste­hen wie­der die alten Kinosessel.

Das Apollo-Kino in Bremerhaven

Hoch­zei­ten, Tagun­gen, Trau­er­fei­ern, Aus­stel­lun­gen und ande­re Events sol­len für bis zu 400 Per­so­nen hier in Geest­e­mün­de statt­fin­den. Das ehe­ma­li­ge Foy­er wird vom Mul­ti­funk­ti­ons­raum abge­trennt und klei­ne­re Gesell­schaf­ten zur Ver­fü­gung ste­hen. Für das Jahr 2019 steht ein Neu­an­strich der Außen­fas­sa­de auf der Agen­da. Das alte Apol­lo-Schild über dem Ein­gangs­be­reich bleibt erhalten.

Das Apollo-Kino in Bremerhaven

Am Abend des 14. Dezem­ber 2018 kehrt im alten Kino “Apol­lo” wie­der Leben ein. Nach ein­ein­halb Jah­ren Umbau­ar­bei­ten wird mit einer Elvis Pres­ley Cover Band die ers­te gro­ße öffent­li­che Ver­an­stal­tung in den sanier­ten Räu­men statt­fin­den. Ein aus­ge­klü­gel­tes Licht- und Ton­kon­zept soll “kei­ne Wün­sche offen lassen”.

Quel­le:
www.filmportal.de “Die 1950er Jah­re – Vom Kino in Trüm­mern zum Wirt­schafts­wun­der
Hans E. Hap­pel: “Kinos in Bre­mer­ha­ven
Klaus Weber: alle Kinos
Nord­see-Zei­tung vom 30.07.1980, 29.03.2011 und 08.12.2018
radio-bremen.de: “Das Apol­lo-Kino in Bre­mer­ha­ven”, 21.09.2016
Apol­lo Pres­se­mit­tei­lung vom 22.10.2017
Hei­ner Otto: “aus­ge­schla­fen: ‘Apol­lo’ erwacht”, nwzonline.de vom 21.10.2017

Abschied vom Modehaus Jelden

Abschied vom Mode­haus Jelden

Zum Jah­res­en­de muss Bre­mer­ha­ven Abschied vom Mode­haus Jel­den neh­men. Am Theo­dor-Heuss-Platz hat der Räu­mungs­ver­kauf bereits begon­nen. Nach 73 Jah­ren schließt das Tra­di­ti­ons­un­ter­neh­men für exklu­si­ve Damen- und Her­ren­mo­de. Damit geht wie­der ein Stück Bre­mer­ha­ve­ner Geschich­te zu Ende.

Abschied vom Modehaus Jelden

Im Mai des Jah­res 1945 endet der Zwei­te Welt­krieg, und die Nach­kriegs­zeit beginnt. In Nord­deutsch­land über­nimmt 1945 die bri­ti­sche Mili­tär­re­gie­rung die Regie­rungs­ge­walt. Die Mili­tär­gou­ver­neu­re dür­fen kei­ne Schrit­te unter­neh­men, die zum wirt­schaft­li­chen Wie­der­auf­bau Deutsch­lands füh­ren könn­ten oder geeig­net sind, die deut­sche Wirt­schaft zu erhal­ten oder zu stär­ken. Die Unsi­cher­heit über die Zukunft der deut­schen Wirt­schaft lähmt. Hand­wer­ker und klei­ne Fabri­ken scheu­en sich, ihre Vor­rä­te an Roh­ma­te­ri­al zu ver­ar­bei­ten. Sie wis­sen nicht, ob sie Nach­schub kau­fen können.

Abschied vom Modehaus Jelden

Das Jahr 1945 ist aber auch das Jahr, in dem in Cux­ha­ven Ger­da und Her­mann Jel­den in der Alten­wal­der Chaus­see 69 im väter­li­chen Eltern­haus ein Laden­ge­schäft eröff­nen. Vor den Wid­rig­kei­ten, die das Kriegs­en­de mit sich bringt, schre­cken sie nicht zurück.

Ab dem 19. Okto­ber 1945 kau­fen die Kun­den bei Jel­den Sicher­heits- und Steck­na­deln, Perl­mutt­knöp­fe, Stof­fe und Wol­le. Auch Schu­he und Pup­pen hat das Laden­ge­schäft im Sor­ti­ment, das Ger­da Jel­den auf­grund ihrer guten Kon­tak­te nach Ham­burg immer wie­der auf­fül­len kann. Ange­stell­te Schnei­de­rin­nen und Stri­cke­rin­nen fer­ti­gen Tex­ti­li­en aller Art.  Die Kun­den bezah­len mit Reichs­mark, an die Wäh­rungs­re­form denkt noch nie­mand. Die Geschäf­te lau­fen anschei­nend gut, denn schon im Fol­ge­jahr erfolgt der Umzug in Cux­ha­vens Hols­ten­stra­ße 4.

Abschied vom Modehaus Jelden

Vie­le Bau­lü­cken zeu­gen davon, dass der Wie­der­auf­bau Bre­mer­ha­vens noch nicht abge­schlos­sen ist. Und doch beweist Ger­da Jel­den im Jah­re 1952 aber­mals Mut und Weit­sicht: Sie eröff­net in der Bür­ger­meis­ter-Smidt-Stra­ße 77 als Filia­le des Cux­ha­ve­ner Stamm­hau­ses  ein Modegeschäft.

Abschied vom Modehaus Jelden

Am 1. August 1968 über­gibt Ger­da Jel­den das Bre­mer­ha­ve­ner Mode­haus an ihre Toch­ter Hei­de­ma­rie. Sie hat gute Kon­tak­te zu Pari­ser Lie­fe­ran­ten, und schnell wächst die Zahl der bekann­ten Mode­mar­ken, die das Ange­bot von Hei­de­ma­rie Jel­den berei­chern. Selbst aus der Mode­stadt Ham­burg kom­men die Kun­den nach Bre­mer­ha­ven, um sich bei Hei­de­ma­rie Jel­den  einzukleiden.

Unter­des­sen zieht sich die Fir­men­grün­de­rin zurück. 1980 über­nimmt die gelern­te Schnei­de­rin Frau­ke Calo­gi­rou gemein­sam mit ihrem Ehe­mann das von ihrer Mut­ter Ger­da Jel­den gegrün­de­te Cux­ha­ve­ner Mode­haus an der Hols­ten­stra­ße. Für ihre anspruchs­vol­le Kund­schaft kauf­te Ehe­paar Calo­gi­rou auf inter­na­tio­na­len Mes­sen qua­li­ta­tiv hoch­wer­ti­ge indi­vi­du­el­le Mode von Bogner, Jobis und Jil San­der ein.

Abschied vom Modehaus Jelden

Auch Schwes­ter Hei­de­ma­rie Jel­den agiert über­aus erfolg­reich. So erfolg­reich, dass die Räum­lich­kei­ten in der Bür­ger­meis­ter-Smidt-Stra­ße 77 zu eng wer­den. Das Geschäft zieht im Jah­re 1987 in die Fähr­stra­ße 1 — 3 um. Gleich­zei­tig wird das Sor­ti­ment durch die Auf­nah­me von geho­be­ner Her­ren­ober­be­klei­dung erweitert.

Mit einem wei­te­ren Umzug im Jah­re 1999 in das Eck­haus Theo­dor-Heuss-Platz 3 geht eine aber­ma­li­ge Ver­grö­ße­rung der Geschäfts­flä­che einher.

Im Jah­re 2005, nach ihrem 65. Geburts­tag, schließt Frau­ke Calo­gi­rou das Stamm­haus an der Hols­ten­stra­ße in Cux­ha­ven. Die geplan­te Geschäfts­über­ga­be an eine inter­es­sier­te Nach­fol­ge­rin schei­tert, und so endet in Cux­ha­ven eine 60-jäh­ri­ge Einzelhandelsgeschichte.

Abschied vom Modehaus Jelden

In Bre­mer­ha­ven wer­den die Zei­ten schwie­ri­ger. Hei­de­ma­rie Jel­den ent­schließt sich im Jah­re 2008, ihr Laden­lo­kal “Fähr­haus No. 1” mit ihrem Mode­haus Jel­den zu ver­ei­nen und in eine GmbH umzu­wan­deln. Die neu gegrün­de­te Jel­den GmbH bezieht die Räu­me am Theo­dor-Heuss-Platz 1. Das tra­di­ti­ons­rei­che Mode­haus Jel­den hat nun sei­ne end­gül­ti­ge Hei­mat gefunden.

Vor weni­gen Wochen konn­te Hei­de­ma­rie Jel­den fei­ern. Von den 73 Jah­ren, die das Tra­di­ti­ons­un­ter­neh­men in Bre­mer­ha­ven Mode anbie­tet, hat sie das Unter­neh­mens­schiff 50 Jah­re erfolg­reich gesteu­ert und man­che Klip­pe umschifft. Nun möch­te Hei­de­ma­rie Jel­den sich zur Ruhe set­zen. Die Suche nach einem Nach­fol­ger ver­lief erfolg­los. Schwe­ren Her­zens und mit größ­tem Bedau­ern wird sie das Mode­haus Jel­den am Theo­dor-Heuss-Platz 1 zum  Ende des Jah­res 2018 schlie­ßen. Dann muss Bre­mer­ha­ven Abschied vom Mode­haus Jel­den nehmen.
Quel­len:
Wo Indi­vi­dua­li­tät ganz im Vor­der­grund steht, Cux­ha­ve­ner Nach­rich­ten vom 12.4.2005
Fir­men­chro­nik  des Mode­hau­ses Jel­den auf der Internetseite

Mode­haus Jel­den in Bre­mer­ha­ven schließt, NORD24

Lernen wie im Kaiserreich

Ler­nen wie im Kaiserreich

Da sit­zen sie in ihrer Mäd­chen­klas­se dicht neben­ein­an­der auf den alten Holz­bän­ken, mucks­mäus­chen­still, die Hän­de gefal­tet. “Wir dür­fen nur rein­ge­wa­schen, ordent­lich gekämmt und sau­ber geklei­det zur Schu­le kom­men”, for­dern die Regeln an der Wand. Wil­helm II. schrieb 1890, was er von der Schu­le erwar­tet: “Wir wol­len natio­na­le jun­ge Deut­sche erzie­hen.“Lernen wie im KaiserreichEs gab vie­le Regeln im Kai­ser­reich, und ganz beson­ders in der Schu­le: “Hän­de fal­ten, Schna­bel hal­ten, Kopf nicht stüt­zen, Ohren spit­zen”, das war eine wei­te­re Ver­hal­tens­vor­schrift, die den Kin­dern zu Kai­sers Zei­ten ein­ge­bläut wur­de. Die Leh­rer spra­chen die Kin­der im Befehls­ton wie auf dem Kaser­nen­platz an: “Set­zen!”, “Steh auf”, “Ruhe!”, “Hef­te zeigt!”. Die Kin­der hat­ten höf­lich und respekt­voll zu sein und wehe dem, der das nicht war.

Schule damals

In der Schu­le herr­sche Zucht und Ord­nung”, so lau­te­te ein Leit­spruch für Erzie­her. Kin­der soll­ten schon früh­zei­tig an Gehor­sam und Dis­zi­plin gewöhnt wer­den. Bei vie­len Leh­rern lag daher die Rute zur Züch­ti­gung immer griff­be­reit. Erzie­hung vor hun­dert Jah­ren  war eben ganz anders als heute.

Schule damals

Die Klas­sen­zim­mer waren eher trist ein­ge­rich­tet: Har­te Holz­bän­ke, Schie­fer­ta­feln und Tin­ten­fäs­ser waren das “Hand­werks­zeug” der Schü­ler. Geschrie­ben wur­de in Süt­ter­lin. Zunächst auf die Schie­fer­ta­fel, spä­ter mit einer Stahl­fe­der und Tin­te in das Schul­heft. Und Kai­ser Wil­helm schau­te zu — an der Wand hing natür­lich ein Por­trait von ihm.

Auszug aus einer alten Schulfibel

Über­haupt die Kai­ser­fa­mi­lie. Sie war in der Gesell­schaft sehr beliebt. Die Leh­rer lie­ßen den Kai­ser hoch­le­ben und Lob­lie­der auf ihn sin­gen. “Der Kai­ser ist ein lie­ber Mann, er wohnet in Ber­lin…”, mit die­sen Wor­ten beginnt ein Lied, das in den Volks­schu­len um 1900 viel gesun­gen wur­de. Es soll­te gera­de die Kin­der der ein­fa­chen Volks­schich­ten für die Mon­ar­chie begeis­tern. Auf­ga­be der Schu­le war es näm­lich, zu vater­län­di­scher Gesin­nung zu erzie­hen. Das hieß vor allem, die Treue zum Mon­ar­chen fes­ti­gen und Lie­be zum Vater­land wecken.

historisches Klassenzimmer

In der Fich­te­schu­le hat der 1985 gegrün­de­te “För­der­ver­ein der Schul­his­to­ri­schen Samm­lung” ein his­to­ri­sches Klas­sen­zim­mer ein­ge­rich­tet. Wer die­ses Klas­sen­zim­mer betritt, der begibt sich auf eine Zeit­rei­se weit über 100 Jah­re zurück in die Ver­gan­gen­heit. Die ältes­ten Expo­na­te, die der För­der­ver­ein lie­be­voll zusam­men­ge­tra­gen hat, stam­men aus der Mit­te des 19. Jahrhunderts.

Fichteschule

In dem his­to­ri­schen Klas­sen­zim­mer in der Fich­te­schu­le kön­nen Schü­ler aller Jahr­gangs­stu­fen – aber nach vor­he­ri­ger Anmel­dung auch Erwach­se­ne – erle­ben, wie unse­re Vor­fah­ren lern­ten. Das Wis­sen um ver­gan­ge­ne Schul­kul­tu­ren möch­te der “För­der­ver­ein der Schul­his­to­ri­schen Samm­lung” bewah­ren. Und so fin­det der inter­es­sier­te Besu­cher nicht nur das kom­plett ein­ge­rich­te­te Klas­sen­zim­mer vor. Auch authen­ti­sche Klei­dung, Arbeits­ma­te­ri­al, ech­te Schul­müt­zen und –ran­zen ver­voll­stän­digt die Samm­lung eben­so wie unzäh­li­ge Bücher. Und im Kel­le lie­gen noch vie­le unge­ho­be­ne Schät­ze, die vor allem aus den Schu­len der Stadt stammen.

Fichteschule Bild: HeinzSlominski.blogspot.de

Noch sind die meis­ten der 46 akti­ven Ver­eins­mit­glie­der im Schul­dienst tätig. Aber die Mit­glie­der wer­den weni­ger, die jun­gen Leh­rer fin­den kei­ne Zeit mehr, sich für die Samm­lung zu enga­gie­ren. So wür­de der Ver­ein ger­ne neue Mit­glie­der begrü­ßen kön­nen, damit das Wis­sen über die Geschich­te der See­stadt und ihre Ein­woh­ner immer wie­der wei­ter­ge­ge­ben wer­den kann.
Quel­len:
Schul­his­to­ri­sche Samm­lung Bremerhaven
Fly­er “Schul­his­to­ri­sche Samm­lung” als PDF-Datei
Nord­see-Zei­tung vom 16.12.2013

Ein Weserstrandbad ohne Badeerlaubnis

Die Dis­kus­si­on um das Weser­strand­bad ohne Bade­er­laub­nis ist bis heu­te nicht zur Ruhe gekom­men. Vor zwei Wochen ist Harm Ahlers, Mit­glied der “Weser­schwim­mer-Bewe­gung”, gemein­sam mit den bei­den FDP-Stadt­ver­ord­ne­ten Jens Gro­te­lüschen und Pro­fes­sor Hau­ke Hilz in die Weser gestie­gen. Wei­te­re „Bade­gäs­ten“ schlos­sen sich an. Sie schwam­men um das Absperr­ge­län­der her­um und erreich­ten beim ers­ten Ver­bots­schild das Ufer. 

Die anhal­ten­de Dis­kus­si­on habe ich zum Anlass genom­men, mei­nen Arti­kel vom 14. Juli 2014 in Erin­ne­rung zu rufen:

Je nach­dem wen man fragt, ist es nun also per­fekt – oder auch nicht. Jeden­falls haben die Stadt­ver­ord­ne­ten der See­stadt Bre­mer­ha­ven mit 26 zu 16 Stim­men ein­deu­tig beschlos­sen, dass das Weser­strand­bad ohne Bad bleibt. Allen­falls ein Sand­bad kann man dort neh­men.Ein Weserstrandbad ohne BadeerlaubnisMeh­re­re Gut­ach­ter haben davor gewarnt, dass bestehen­de Bade­ver­bot auf­zu­he­ben. Auf­grund der unbe­re­chen­ba­ren Strö­mungs­ver­hält­nis­se im Bereich des Weser­strand­ba­des sei das Baden dort unkal­ku­lier­bar gefähr­lich. Selbst mit erheb­li­chen Sicher­heits­maß­nah­men  möch­ten die Poli­ti­ker daher eine Auf­he­bung des Bade­ver­bo­tes nicht ver­ant­wor­ten. Und so wird es auch kei­ne Ein­rich­tung eines abge­grenz­ten und gesi­cher­ten Bade­be­reichs geben.  Eine Ganz­tags-Bade­auf­sicht soll nicht finan­zier­bar sein. Und auch der Vor­schlag, über die Hoch- und Nied­rig­was­ser­zei­ten per Warn­ta­feln zu infor­mie­ren, wur­de gleich mit ver­wor­fen.Ein Weserstrandbad ohne BadeerlaubnisDas Baden im Bereich des Weser­strand­ba­des wäre eigent­lich auch durch die Ver­ord­nung zur Rege­lung des Gemein­ge­brauchs an Gewäs­sern im Land Bre­men nicht ver­bo­ten. Aller­dings erlaubt Para­graf 6 der Ver­ord­nung, dass die Was­ser­be­hör­de unter Umstän­den zusätz­li­che Beschrän­kun­gen des Gemein­ge­brauchs vor­neh­men darf. Und da das Grund­stück Weser­strand­bad im Besitz der Stadt ist, kann sie als Eigen­tü­me­rin ohne­hin frei ent­schei­den, ob geba­det wer­den darf. Nun, sie hat ent­schie­den, das alles blei­ben soll wie es ist: Bade­ver­bot und – natür­lich! — wei­ter­hin Ein­tritts­geld.Ein Weserstrandbad ohne BadeerlaubnisDa hilft es auch nicht, dass die Deut­sche Lebens-Ret­tungs-Gesell­schaft (DLRG) bereits im ver­gan­ge­nen Früh­jahr grund­sätz­lich für eine Auf­he­bung des Bade­ver­bo­tes plä­diert hat. Sie waren zwar auch der Mei­nung, dass das Schwim­men in der Weser auf­grund der vor­herr­schen­den Strö­mungs­ver­hält­nis­se nicht unge­fähr­lich sei, wären aber bereit gewe­sen, sich etwa an den Wochen­en­den tags­über mit einem Was­ser­ret­tungs­dienst im Strand­be­reich zu enga­gie­ren. Aller­dings wäre die Bereit­stel­lung eines Motor-Ret­tungs­boo­tes unab­ding­bar gewe­sen. Nun, die­se Aus­ga­ben blei­ben dem Stadt­käm­me­rer nun auch erspart.Ein Weserstrandbad ohne BadeerlaubnisBade­ver­bot in der Weser – das war nicht immer so. Vie­le Bre­mer­ha­ve­ner erin­nern sich noch ger­ne an die Zeit, als man im Weser­strand­bad noch ein Bad neh­men konn­te. Man­che haben als Kind den gan­zen Som­mer im Weser­strand­bad ver­bracht und ihre Sand­bur­gen gebaut. Damals, als man noch schwim­men durf­te. Als die Schif­fe noch nicht so dicht am Strand vor­bei­fuh­ren und für die Baden­den gefähr­lich wur­den.Ein Weserstrandbad ohne BadeerlaubnisIn den 1950er Jah­ren waren die Som­mer beschei­den, nur weni­ge konn­ten sich eine Rei­se in den Süden leis­ten. So blieb man daheim, bade­te in der Weser und genoss einen Sand­strand wie an der Adria.

Begon­nen hat aber alles sehr viel frü­her. Schon im Jah­re 1866 ent­stand in der Nähe des Alten Hafens eine Män­ner­ba­de­an­stalt. Frau­en muss­ten noch vie­le Jah­re war­ten, bis auch ihnen der Sprung in die Flu­ten erlaubt war – aber abseits von den Män­nern, bit­te schön! Und wen es nicht in die Weser­flu­ten zog, der fla­nier­te über die Pro­me­na­de.Ein Weserstrandbad ohne BadeerlaubnisWer in das Was­ser stieg wuss­te, dass er den im Jah­re 1903 vom Was­ser- und Schiff­fahrts­amt auf­ge­stell­ten Was­ser­stands­an­zei­ger nicht aus den Augen ver­lie­ren durf­te. Auf dem Bild wird ein Was­ser­stand von 3,40 Meter ange­zeigt: Für jeden Meter ein run­der Korb und je 20 Zen­ti­me­ter ein Kegel. Oben war ein Zei­ger ange­bracht, der über Ebbe oder Flut infor­mier­te. Stand ein Sturm bevor, setz­te man einen schwar­zen Ball. Nachts zeig­ten rote Lam­pen die Höhe des Was­ser­stan­des an.Ein Weserstrandbad ohne Badeerlaubnis1926 wur­de aus dem Strand das heu­ti­ge Weser­strand­bad. Man spül­te kräf­tig Sand auf und fer­tig war Bre­mer­ha­vens gern besuch­te Tou­ris­ten­at­trak­ti­on. Ein Steg erlaub­te, auch tro­cke­nen Fußes an das Was­ser zu gelan­gen.Ein Weserstrandbad ohne BadeerlaubnisDas blieb so bis 1967, da bestand die Weser nur noch aus Kloa­ke und Koli­bak­te­ri­en. Das Baden wur­de aus gesund­heit­li­chen Grün­den ver­bo­ten. Heu­te ist die Was­ser­qua­li­tät wie­der ein­wand­frei – aber das Bade­ver­bot bleibt bestehen.

Quel­len:
Nord­see-Zei­tung vom

18.03.2014  | Weser-Strand­bad: Gut­ach­ten liegt vor
25.03.2014 | Stadt will Bade­ver­bot kippen
27.03.2014 | Gro­ße Mehr­heit für Badespaß
03.04.2014 | DLRG bereit zur Weserwache
17.04.2014 | Schnell mal in der Weser abtauchen
19.05.2014 | Ent­schei­dung erneut vertagt
03.06.2014 | Im Strom der Bedenken
24.06.2014 | Die Mehr­heit schwimmt davon
25.06.2014 | Jetzt sind die NZ-Leser dran
10.07.2014 | Das Schwimm­ver­bot bleibt
10.07.2014 | Geteil­te Mei­nung am Strand

100 Jahre Schullandheim Barkhausen

Für Gene­ra­tio­nen von Bre­mer­ha­ve­ner Schü­lern ist das geschichts­träch­ti­ge Schul­land­heim Bark­hausen ein Ort vol­ler Erin­ne­run­gen. Zahl­rei­che Gäs­te­bü­cher geben dar­über Aus­kunft, wie prä­gend die unver­gess­li­chen Klas­sen­fahr­ten für die Jugend­li­chen waren. 

Schullandheim Barkhausen

Clamor Ehlert wohn­te in der Bre­mer­ha­ve­ner Bogen­stra­ße 17 und war Rek­tor der nahe­ge­le­ge­nen Goe­the­schu­le in der Grenz­stra­ße. Das Schul­ge­bäu­de gibt es schon lan­ge nicht mehr. Und nach dem Tode des Rek­tors geriet auch sein Name lang­sam in Ver­ges­sen­heit. Aber sei­ne Idee lebt wei­ter – das Schul­land­heim Barkhausen.

Das Schul­land­heim Bark­hausen liegt im 170 Kilo­me­ter ent­fern­ten Weser­berg­land. Dort, wo die Hun­te durch das Wie­hen­ge­bir­ge fließt, fin­det man die Dör­fer Bar­hau­sen und Lin­ne. Clamor Ehlert erblickt im Jah­re 1869 in Lin­ne das Licht der Welt und erlebt in die­ser Idyl­le glück­li­che Kind­heits­ta­ge. Als er nach Bre­mer­ha­ven zieht, um hier sein Lehr­amt anzu­tre­ten, lässt er sei­ne Kon­tak­te im Wie­hen­ge­bir­ge nicht abreißen.

Anfang des Jah­res 1917 erfährt Clamor Ehlert, dass die Pfar­rei in Bark­hausen ver­kauft wer­den soll. Die alte Dorf­pfar­rei befin­det sich auf einem 18.000 Qua­drat­me­ter gro­ßem Grund­stück mit einem üppi­gen Obst­baum­be­stand. Schul­di­rek­tor Clamor Ehlert hat die Idee, das 1780 erbau­te Pfarr­haus mit­samt dem gro­ßen Grund­stück zu erwer­ben und einem neu­en Zweck zuzu­füh­ren – aus dem Pfarr­haus soll ein Jugend­heim für Bre­mer­ha­vens Schü­ler wer­den. Die Stadt­kin­der sol­len das Land ken­nen­ler­nen, Pflan­zen- und Tier­ar­ten ent­de­cken, Ber­ge und Fluss­tä­ler erkun­den und mit Leib und See­le einen inten­si­ven Kon­takt zur Natur erleben.

Schullandheim Barkhausen

Drei Jah­re bevor die­se Idee in Clamor Ehlert her­an­reift, hat der letz­te Deut­sche Kai­ser in den Ers­ten Welt­krieg geführt. 1917 ist die Ver­sor­gung mit Lebens­mit­teln zusam­men­ge­bro­chen – in Bre­mer­ha­ven wird gehun­gert. Clamor Ehlert hat zwei Söh­ne ver­lo­ren – Opfer des Krie­ges, der nun schon fast drei Jah­re wütet.

Das Glück der eige­nen Kind­heit und die Trau­er um den Tod sei­ner Söh­ne trei­ben ihn an, für die Bre­mer­ha­ve­ner Jugend etwas Blei­ben­des zu schaf­fen. 15.000 Reichs­mark möch­te der Kir­chen­vor­stand von Bark­hausen für das Grund­stück mit der dar­auf ste­hen­den 130 Jah­re alten Pfar­rei haben. Soviel Geld hat Clamor Ehlert nicht zur Ver­fü­gung. Allei­ne kann er sei­ne Idee nicht realisieren.

Schullandheim Barkhausen

In Bre­mer­ha­ven gibt es seit 1884 den “Ver­ein zur För­de­rung des Volks­wohls”. Er betreibt in der Deich­stra­ße einen Kin­der­hort, in der Schif­fer­stra­ße ein Arbei­ter­heim, eine Volks­kü­che in der Geest­e­mün­der Anker­stra­ße und das Mari­en­bad. Da die Stadt am Ver­ein betei­ligt ist, trägt Clamor Ehlert sei­ne Idee Ober­bür­ger­meis­ter Wal­de­mar Becke vor. Am 4. März 1917 fährt eine Dele­ga­ti­on der Stadt nach Bark­hausen, besich­tigt die Lie­gen­schaf­ten und kehrt sicht­lich beein­druckt heim.

Am 12. Okto­ber 1917 wird die “Wie­ting-Stif­tung” aus dem Nach­lass des Kauf­manns Ernst Wie­ting gegrün­det und mit einem Stif­tungs­ka­pi­tal von 25.000 Reichs­mark aus­ge­stat­tet. Zweck der Stif­tung ist die “Errich­tung eines Jugend­hei­mes zur Erin­ne­rung an die im Welt­krieg gefal­le­nen Söh­ne Bre­mer­ha­ve­ner Eltern”. Die Ver­wal­tung des Hei­mes soll der “Ver­ein zur För­de­rung des Volks­wohls” über­neh­men. Die Stadt Bre­mer­ha­ven ver­pflich­tet sich, den Betrieb des Hei­mes mit jähr­lich 1.000 Reichs­mark zu bezuschussen.

Auch in der Bevöl­ke­rung erfährt Ehlert viel Zustim­mung und sam­melt uner­müd­lich Spen­den ein.  End­lich kann die Pfar­rei gekauft wer­den. Am 25. Juni 1918 öff­net das Schul­land­heim Bark­hausen sei­ne Türen für die ers­ten Besu­cher. Zur Ein­wei­hung trifft Clamor Ehlers mit 31 Bre­mer­ha­ve­ner Schü­lern ein. Für die meis­ten Kin­der war es die ers­te Ferienreise.

Kom­fort gibt es nicht. Die Toi­let­ten bestehen aus Plumps­klos zwi­schen Scheu­ne und Hüh­ner­stall. Das Was­ser wird aus dem Brun­nen gepumpt und in Ton­krü­ge ins Haus getra­gen. Die Zim­mer sind mit har­ten Feld­bet­ten aus­ge­stat­tet, dazu aus­ran­gier­te Mili­tär­spin­de und eiser­ne Waschgestelle.

Schullandheim Barkhausen

Wäh­rend ganz Deutsch­land Hun­ger lei­det, wer­den die ers­ten Besu­cher mor­gens, mit­tags und abends in der Die­le mit Zwie­back und Brot, Milch­sup­pe und Kek­sen, Grau­pen, Kohl und Steck­rü­ben, Sau­er­kraut, Salz­boh­nen und sonn­tags manch­mal mit Fleisch ver­wöhnt. Anna Kne­fel­kamp ist die ers­te “Heim­mut­ter” und bleibt es 40 Jahre.

Vier Wochen wer­den die Kin­der ver­wöhnt und neh­men zwei bis drei Kilo zu. “Wir wur­den hier herr­lich ver­pflegt,” ist im Gäs­te­buch zu lesen. Und ein 11-jäh­ri­ger Jun­ge ver­kün­det dort, “fast über fünf Kilo” zuge­legt zu haben.

Als am 18. Sep­tem­ber 1944 Bre­mer­ha­ven bom­bar­diert wird, ster­ben vie­le Kin­der in den ver­meint­lich siche­ren Luft­schutz­räu­men. Aber eini­ge weni­ge Schul­kin­der, fast alle neun Jah­re jung, sind in Sicher­heit: Sie hal­ten sich gera­de im Schul­land­heim Bark­hausen auf. Auch wäh­rend des Zwei­ten Welt­krie­ges besuch­ten Schul­klas­sen regel­mä­ßig das Heim.

Im Juni 1988 wird drei Tage lang das Bark­hausen-Jubi­lä­um gefei­ert. In 70 Jah­ren waren hier 70.000 Schü­ler zu Gast. Doch das Inter­es­se der jun­gen Leu­te an die länd­li­che Idyl­le schwin­det. Es droht die Schließung.

Schullandheim Barkhausen

Das Schul­land­heim Bark­hausen liegt im gleich­na­mi­gen Orts­teil Bark­hausen in der Gemein­de Bad Essen. Es wur­de bereits mehr­mals moder­ni­siert und bie­tet heu­te 64 Bet­ten an, ver­teilt auf vier Ein­zel­zim­mer und zehn Mehr­bett­zim­mer mit 4 – 10 Bet­ten. Mitt­ler­wei­le fah­ren aus dem gan­zen Bun­des­ge­biet Grup­pen in das Wiehengebirge.

Scha­de, dass das einst städ­ti­sche Schul­land­heim in den Bre­mer­ha­ve­ner Schu­len kaum noch Beach­tung zu fin­den scheint. Im ver­gan­ge­nen Jahr bega­ben sich nur noch acht Bre­mer­ha­ve­ner Klas­sen an die gemäch­lich dahin­plät­schern­de Hun­te, um die Dino­sau­ri­er­fähr­ten zu erkunden.

Ehe­ma­li­ge Bre­mer­ha­ve­ner Schü­ler dage­gen schwär­men noch heu­te von ihrer Klas­sen­fahrt in das Schul­land­heim Barkhausen.

Mike J. schwärmt: “Ich war drei­mal da, ein­mal von der Grund­schu­le (Goe­the­schu­le), ein­mal mit der OS (Pau­la-Moder­sohn-Schu­le) und ein­mal mit der Real­schu­le (auch Pau­la). Dino-Spu­ren, Flie­ger­quel­le, Extern-Stei­ne, Her­manns-Denk­mal, Adler­war­te, Jun­ker­haus, Bür­ger­meis­ter­he­xen­haus… Viel wan­dern, Son­nen­schein, Regen, kur­ze Näch­te — gute und schlech­te Erin­ne­run­gen. Das waren noch Zeiten!”

Schullandheim Barkhausen

Auch Lin­da Astrid B. ist im Schul­land­heim Bark­hausen gewe­sen: “Wir (Gaußschule/Herr Scholz), 5. oder 6. Klas­se, fuh­ren zusam­men mit zwei ame­ri­ka­ni­schen Schul­klas­sen. Die haben immer das Lied ‘Do, re, mi, fa, so, la,ti,do’ gesun­gen. Es wur­de viel gewan­dert, in der Hun­te Was­ser­müh­len gebaut und vom Leh­rer Ärger bekom­men, weil es zu ‘kalt’ für uns wäre. Wan­de­rung zu den Dino­sau­ri­er­spu­ren, Exstern­stei­ne erklom­men, Nacht­wan­de­run­gen. Das Adler­horst war lei­der geschlossen.”

Ein wei­te­rer Schü­ler erin­nert sich, dass er wohl 1974 dort gewe­sen ist. Die ver­stei­ner­ten Dino­sau­ri­er­spu­ren haben ihn fas­zi­niert. Aber er und sei­ne Schul­ka­me­ra­den zwei­fel­ten doch sehr die Echt­heit der Spu­ren an: “Damals waren wir Kids uns ziem­lich sicher, dass die “gefaket” waren. Die Plat­te mit den Spu­ren rag­te ja auf­recht aus dem Boden. Wel­cher Dino läuft die Wän­de hoch, frag­ten wir uns.”

Auch Horst-Die­ter B. denkt ger­ne an sei­ne Zeit im Schul­land­heim Bark­hausen zurück: “Wir waren 1963 dort, und unse­re Band ‘The Wuls­dor­fer Beat­les’ hat­te ihren ers­ten Auf­tritt. Damals muss­te jede Klas­se einen bun­ten Abend bestrei­ten. Unser Bei­trag war eben ein Auf­tritt der Fab Four, an den ich mich aller­dings nur sche­men­haft erin­nern kann. ‘I want to hold your Hand’ war gera­de her­aus gekom­men. Früh übt sich, denn aus die­ser Trup­pe ent­stand 2 Jah­re spä­ter eine klei­ne unschein­ba­re Band mit dem ‘Namen Black Beats’.”

Schullandheim Barkhausen

Regi­na Sch. weiß noch heu­te, wie ent­täuscht alle waren, als sie mit der 5. oder 6. Klas­se eine hal­be Tages­wan­de­rung zu den Flie­ger­quel­len unter­wegs war, um dann nur einen klei­nen Bach vorzufinden.

Im Jah­re 1975 fuhr Sil­ke St. mit der 5. Klas­se (Klas­sen­leh­rer Herr Schul­ze) der Gorch-Fock-Schu­le in das Wie­hen­ge­bir­ge: “Ich erin­ne­re mich an ein Mäd­chen­zim­mer zu sechst und unzäh­li­ge Mücken, die Frau Schul­ze (Ehe­frau des Klas­sen­leh­rers) immer mit Essig­was­ser behan­del­te, ohne gro­ßen Erfolg; der Juck­reiz war uner­träg­lich. Zu den Mahl­zei­ten gab es immer Hage­but­ten­tee, den ich seit damals nicht mehr getrun­ken habe. Lus­tig waren die Gemein­schafts­du­schen der Mädels mit Frau Schul­ze. Wir sind auch immer viel gewan­dert; am liebs­ten moch­te ich die Nacht­wan­de­run­gen mit Lager­feu­er, wo Würst­chen am Stock gegrillt wurden.”

Schullandheim Barkhausen

Vie­le wei­te­re Schü­ler aus Bre­mer­ha­ven erin­nern sich ger­ne an die Fahrt in das Schul­land­heim Bark­hausen. Eri­ka Sp. kann sich kaum noch erin­nern: “Ich war auch da, aber das war so lan­ge her, die Erin­ne­run­gen sind anschei­nend begra­ben. Es war aber eine schö­ne Zeit.” Eri­ka hat ganz tief gegra­ben und ein paar schö­ne Bil­der aus ihrem Kar­ton ans Tages­licht gebracht.

Arthur T. war bereits in den 1960er Jah­ren mit sei­ner Klas­se von der Pes­ta­loz­zi­schu­le dort (Klas­sen­leh­rer war Herr Scheidt­mann). Und Andre­as B. war Mit­te der 1970er Jah­re mit sei­ner Klas­se im Schul­land­heim Bark­hausen und hat mir eine Ansichts­kar­te von damals zur Ver­fü­gung gestellt:

Schullandheim Barkhausen

In die­sem Jahr kann das Schul­land­heim Bark­hausen sein 100-jäh­ri­ges Bestehen fei­ern. Die Zei­ten waren nicht immer ein­fach. 1996 woll­te die Stadt Bre­mer­ha­ven die belieb­te Ein­rich­tung end­gül­tig schließen. 

1999 kau­fen Ingrid und Karl Ehler­ding der Stadt Bre­mer­ha­ven das Schul­land­heim ab, nach­dem sie zuvor erfolg­los ver­sucht haben, das tra­di­tio­nel­le Haus durch Geld­spen­den zu ret­ten. Im Jah­re 2000 über­ga­ben sie die Trä­ger­schaft in die neu gegrün­de­te Ehler­ding-Stif­tung. Die Stif­tung ließ das Schul­land­heim umfang­reich umbauen.

Quel­len:
A. Kro­ne: Die Ret­ter des Schul­land­hei­mes in Bark­hausen, Nord­see-Zei­tung v. 4.8.2006
A. Kro­ne: Bark­hausen: Die gute Idee in schlech­ter Zeit, Nord­see-Zei­tung v. 22.7.2009
T. Brock­mann: Herr­li­che Tage in Bark­hausen, Nord­see-Zei­tung v. 16.6.2018

Die Leher Hartsteinwerk GmbH

Wann die Leher Hart­stein­werk GmbH gegrün­det wur­de, konn­te ich bis­her nicht in Erfah­rung brin­gen. Trotz inten­si­ver Recher­che in der Bre­mer­ha­ve­ner Stadt­bi­blio­thek fand ich in den dor­ti­gen Büchern nir­gend­wo einen Hin­weis auf die Leher Hart­stein­werk GmbH.

Die Leher Hartsteinwerk GmbH

Von einem Leser des Deich­SPIE­GEL habe ich eine Ansichts­kar­te bekom­men, auf der die Gebäu­de der Leher Hart­stein­werk GmbH abge­bil­det sind. Das Unter­neh­men muss es also gege­ben haben.

Eine glei­che Ansichts­kar­te wird im Online­han­del angeboten.

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Auf der Rück­sei­te gra­tu­lie­ren L. und A. Suhr einem in Bre­mer­ha­ven woh­nen­den Herrn Joh. Stuye zum Geburts­tag, datiert mit 13.04.08 (also 1908).

Nun ver­such­te ich mein Glück im Bre­mer­ha­ve­ner Stadt­ar­chiv. Der dor­ti­ge Archi­var konn­te mir eben­falls ein glei­ches Bild prä­sen­tie­ren. Wir bemüh­ten zunächst die Adress­bü­cher der Jah­re 1905, 1906 und 1907. Das Ergeb­nis war dürftig:

Im Adress­buch von 1907 ist vermerkt:
Leher Hart­stein­werk GmbH, Spa­de­n­er­stra­ße, Tele­fon 253

Im Adress­buch von 1906 ist vermerkt:
Leher Hart­stein­werk GmbH, Spadenerstraße
Leher Säge- und Hobel­werk GmbH, Spadenerstraße
Direk­tor J. Suhr, Spa­de­n­er­stra­ße, Tele­fon 253

Außer­dem ver­riet mir das Adress­buch, dass in der Spa­de­n­er­stra­ße 50 jeweils ein Zim­me­rer und ein Tech­ni­ker namens Suhr gemel­det waren. Ob die­se Per­so­nen iden­tisch oder ver­wandt mit Direk­tor J. Suhr waren, das konn­te ich nicht veri­fi­zie­ren. Schließ­lich ver­sprach mir der Archi­var, mit mir Kon­takt auf­zu­neh­men, wenn er wei­te­re Infor­ma­tio­nen bekom­men sollte.

Ich über­prüf­te noch unter genealogy.net, ob auf einem Leher Fried­hof ein Suhr bestat­tet wur­de. Zwar wur­de ich fün­dig, aber jahr­gangs­mä­ßig pass­te es nicht.

Mei­ne letz­te Hoff­nung sind nun mei­ne Leser! Wer Infor­ma­tio­nen über die ehe­ma­li­ge Leher Hart­stein­werk GmbH hat, möge sich bit­te mit mir in Ver­bin­dung set­zen. Ich wür­de mich sehr freuen.

Die Hafen-Apotheke in Bremerhaven-Lehe

Als im Jah­re 1827 Bre­mer­ha­ven gegrün­det wur­de, wohn­ten nur 19 Per­so­nen in dem neu­en Hafen­ort. Dann began­nen die Bau­ar­bei­ten am Alten Hafen, und aus ganz Deutsch­land ström­ten die Bau­ar­bei­ter nach Bre­mer­ha­ven. Nach einem hal­ben Jahr waren bis zu 900 Män­ner an der Rie­sen­bau­stel­le beschäftigt.

Bremerhaven-Lehe

Zu jener Zeit hat­te der Fle­cken Lehe, der  vor­wie­gend aus der Lan­ge Stra­ße mit den Neben­stra­ßen bestand, etwa 1.600 Ein­woh­ner, die ihrem Brot­er­werb in den ansäs­si­gen Braue­rei­en, Müh­len und Zie­ge­lei­en nach­gin­gen. Mit den Hafen‑, Häu­ser- und Stra­ßen­bau­ten in Bre­mer­ha­ven begann der Auf­stieg Lehes zum Vor­ort der neu­en Hafen­stadt. Im Jah­re 1829 wur­de die heu­ti­ge Hafen­stra­ße als Chaus­see nach Bre­mer­ha­ven ange­legt. Sie mün­de­te dort in die Leher Stra­ße ein. Die­se erhielt spä­ter den Namen Bürgermeister-Smidt-Straße.

Auszug aus Apotheker-Verordnung

Bre­mer­ha­vens Wirt­schaft flo­rier­te und der Fle­cken Lehe nahm dar­an teil. Nicht nur Hand­wer­ker und ein­fa­che Arbei­ter wur­den in Bre­mer­ha­ven benö­tigt. Auch Bau­ma­te­ri­al, Frisch­was­ser für die Schif­fe, Vieh­fut­ter und Nah­rungs­mit­tel konn­te Lehe zur Ver­fü­gung stel­len. Und der güns­ti­ge Wohn­raum zog die in Bre­mer­ha­ven arbei­ten­den Men­schen an. Im Jah­re 1894 leb­ten bereits um die 18.000 Ein­woh­ner im Fle­cken Lehe.

Bremerhaven-Lehe Hafenstrasse um 1910

Die “Lehe-Bre­mer­ha­ve­ner Chaus­see” ent­wi­ckel­te sich zu einer reprä­sen­ta­ti­ven Wohn- und Geschäfts­stra­ße, in der sich Beklei­dungs­ge­schäf­te, Möbel­ge­schäf­te und auch Manufaktur‑, Haus­halts- und Kolo­ni­al­wa­ren­hand­lun­gen ansie­del­ten. Auch Ärz­te, Apo­the­ker, Rechts­an­wäl­te und Foto­gra­fen boten hier zuneh­mend ihre Diens­te an. Einst als Wohn­häu­ser genutz­te Gebäu­de wur­den umge­stal­tet. Schau­fens­ter mit dahin­ter lie­gen­den Ver­kaufs­räu­men präg­ten nun das Straßenbild.

Gründer der Hafen-Apotheke

In den 1870er Jah­ren ließ sich der Schiffs­zim­mer­mann und Gast­wirt Mar­tin Heu­er vom Leher Mau­rer­meis­ter See­dorf das Haus Hafen­stra­ße 91 (heu­te Num­mer 106) Ecke Aue­stra­ße erstel­len. Im Jah­re 1893 ver­kauf­te Mar­tin Heu­er das Grund­stück an den aus Ost­preu­ßen stam­men­den Apo­the­ker Emil Raa­be. Die­ser ließ aus dem Gast­raum den Ver­kaufs­raum der Apo­the­ke gestal­ten. Die Fens­ter rechts des Ein­gan­ges wur­den zu klei­nen Schau­fens­tern umgestaltet.

Hafen-Apotheke vor der Zerstörung

Im Jah­re 1894 eröff­ne­te Emil Raa­be sei­ne Hafen-Apo­the­ke, zog sich aber aus gesund­heit­li­chen Grün­den mehr und mehr zurück. Die Geschäfts­füh­rung über­ließ er sei­nem Stief­sohn Alfred Hackh. Doch bereits im Jah­re 1907 ging Alfred Hackh nach Ess­lin­gen und eröff­ne­te dort eine eige­ne Apotheke.

Eröffnungsanzeige der Hafen-Apotheke

Am 27. März 1907 eröff­ne­te in Ber­lin das Kauf­haus des Wes­tens, und einen Tag spä­ter, am 28. März 1907, ver­kauf­te in Lehe der kran­ke Emil Raa­be sei­ne Hafen-Apo­the­ke an den Apo­the­ker Otto Schmidt­mann.  Danach ver­ließ der Apo­the­ken­grün­der Bre­mer­ha­ven. und ver­starb eini­ge Jah­re spä­ter in Hannover.

Alfred Hackh in der Hafen-Apotheke

Otto Schmidt­mann, am 5. Sep­tem­ber 1877 in Alfeld an der Lei­ne gebo­ren, absol­vier­te in den Jah­ren 1896 bis 1899 erfolg­reich eine Aus­bil­dung zum Apo­the­ker. Sei­ne Gehil­fen­jah­re ver­brach­te er in Uel­zen, in Cot­ta bei Dres­den und in Han­no­ver. Schließ­lich leg­te er im Jah­re 1904 an der Uni­ver­si­tät Leip­zig das phar­ma­zeu­ti­sche Staats­examen ab. In den Fol­ge­jah­ren ver­tief­te und erwei­ter­te er sein Wis­sen, bis er Emil Raa­be im Jah­re 1907 die Hafen-Apo­the­ke ein­schließ­lich der Kon­zes­si­on für stol­ze 300.000 Mark  abkaufte.

Bremerhaven-Lehe Hafenstrasse um 1950

Schiff­fahrt und Indus­trie bescher­ten dem Fle­cken Lehe wei­ter­hin ein bestän­di­ges Wachs­tum. 14.690 Ein­woh­ner wur­den hier im Jah­re 1890 gezählt, im Jah­re 1914 waren es bereits 41.950 Ein­woh­ner. Vor die­sem Hin­ter­grund ver­lie­fen für den Apo­the­ker Otto Schmidt­mann die ers­ten Geschäfts­jah­re sehr zufriedenstellend.

Im Jah­re 1911 wan­del­te Otto Schmidt­mann auf Frei­ers­fü­ßen und hei­ra­te­te Marie Jans­sen. Aus der Ehe gin­gen in den Jah­ren 1912 bis 1914 zwei Töch­ter und Sohn Wal­ter hervor.

Otto Schmidtmann Inhaber der Hafen-Apotheke

Dann brach der Ers­te Welt­krieg aus, und plötz­lich war es vor­bei mit der posi­ti­ven Ent­wick­lung. Schon mit Beginn des Krie­ges gelang­ten kei­ne aus­län­di­schen Dro­gen mehr in das Deut­sche Reich. Zuneh­men­der Roh­stoff­man­gel und Import­ver­bo­te bedroh­ten immer mehr die Ver­sor­gung der Men­schen mit Arz­nei­mit­tel. Wie vie­le ande­re Apo­the­ker in die­sen Not­jah­ren ver­such­te auch Otto Schmidt­mann, dem Man­gel durch Impro­vi­sa­ti­on und Erfin­dungs­reich­tum zu begeg­nen. Aus ein­hei­mi­schen Heil­pflan­zen her­ge­stell­te Medi­ka­men­te hal­fen, die Arz­nei­mit­tel­ver­sor­gung wäh­rend der Kriegs­jah­re aufrechtzuerhalten.

004-Hafenapotheke

Otto Schmidt­manns Gehil­fen wur­den zum Kriegs­dienst  ein­ge­zo­gen wur­den, und er stand plötz­lich allein in sei­ner Apo­the­ke. Arbeits­zei­ten von täg­lich bis zu 12 Stun­den und  vie­le zusätz­li­che Nacht­diens­te waren nun an der Tages­ord­nung. Die Sor­gen lie­ßen auch nach Kriegs­en­de nicht nach. Nun zerr­ten die Infla­ti­on und die damit ein­her­ge­hen­den Wert­ver­lus­te an die Ner­ven und an die Gesund­heit des Apothekers. 

Heinrich Suermann Pächter der Hafen-Apotheke

Als Otto Schmidt­mann am 2. Janu­ar 1936 starb, befand sich Sohn Wal­ter erst am Anfang sei­ner Aus­bil­dung zum Apo­the­ker. So muss­te die Hafen-Apo­the­ke am 1. Okto­ber 1936 an den lang­jäh­ri­gen Ver­wal­ter der Les­sing-Apo­the­ke, Apo­the­ker Hein­rich Suer­mann, ver­pach­tet wer­den. Zu Beginn des Zwei­ten Welt­krie­ges wur­de Hein­rich Suer­mann zum Wehr­dienst ein­ge­zo­gen. Als Ober­stabs­apo­the­ker lei­te­te er bis zum 1. April 1943 die Laza­rett-Apo­the­ke Wesermünde.

Zwi­schen­zeit­lich hat Wal­ter Schmidt­mann im Jah­re 1938 mit sei­nem Stu­di­um zum Apo­the­ker begon­nen. Nach bestan­de­nem Examen erhielt er im Jah­re 1942 sei­ne Bestal­lung zum Apo­the­ker und ver­trat den Päch­ter Hein­rich Suer­mann in der Apo­the­ke sei­nes ver­stor­be­nen Vaters.

zerstörte Hafen-Apotheke

Als am 18. Juni 1944 Bre­mer­ha­ven bom­bar­diert wur­de, zer­stör­ten Brand­bom­ben das Apo­the­ken­haus Hafen­stra­ße 106. Ein gro­ßer Teil des Inven­tars und der Vor­rä­te konn­te aus dem bren­nen­den Haus geret­tet wer­den. Schnell räum­te der Haus­nach­bar Bur­dorf die Räu­me im Erd­ge­schoß sei­nes Hau­ses Hafen­stra­ße 108 für eine Notapotheke.

Am 18. Sep­tem­ber 1944 star­te­ten Bom­ber der Roy­al Air Force erneut einen Luft­an­griff auf Bre­mer­ha­ven. Inner­halb von 20 Minu­ten wur­den die heu­ti­gen Stadt­tei­le Mit­te und Geest­e­mün­de fast völ­lig zer­stört. Vie­le aus­ge­bomb­te Men­schen fan­den in Lehe eine neue Blei­be. So war es ein Segen, dass die Hafen-Apo­the­ke die medi­ka­men­tö­se Ver­sor­gung leis­ten konnte.

017-Hafenapotheke

Wal­ter Schmidt­mann über­nahm am 1. Janu­ar 1949 die väter­li­che Hafen-Apo­the­ke, die noch immer in den Räu­men der Hafen­stra­ße 108 unter­ge­bracht war.

018-Hafenapotheke

Kurz nach­dem er sei­ne Frau Lucie gehei­ra­tet hat, ließ er das aus­ge­bomb­te Apo­the­ken­hau­ses Hafen­stra­ße 106 wie­der aufbauen.

Hafen-Apotheke nach dem Wiederaufbau 1950

Archi­tekt Voss­hans über­nahm zwar den ursprüng­li­chen Grund­riss, gleich­wohl gab es eini­ge Veränderungen:

Innenansicht der Hafen-Apotheke

Der Archi­tekt glie­der­te das Lager­haus dem Haupt­haus an und ließ den Ein­gang zur Hafen­stra­ße Ecke Aue­stra­ße ver­le­gen. Die neu­en Innen­räu­me wur­den hell und modern gestaltet.

Innenansicht der Hafen-Apotheke

Im Jah­re 1969 konn­te die Hafen-Apo­the­ke ihr 75-jäh­ri­ges Jubi­lä­um fei­ern. Die in der dama­li­gen Jubi­lä­ums­schrift zum Aus­druck gebrach­te Hoff­nung, eine drit­te Gene­ra­ti­on möge die Hafen-Apo­the­ke wei­ter­hin­füh­ren, hat sich erfüllt.

Hafen-Apotheke Apothekerin Viktoria Volz-Schmidtmann

Am 1. April 1987 hat der Sohn von Wal­ter Schmidt­manns die Lei­tung der Apo­the­ke, die zwi­schen­zeit­lich an Herrn Kull­man ver­pach­tet war, übernommen.

Hafen-Apotheke Apotheker Volker Schmidtmann

Seit­her ste­cken Apo­the­ker Vol­ker Schmidt­mann und sei­ne Ehe­frau, Apo­the­ke­rin Vik­to­ria Volz-Schmidt­mann, den Kurs des nun­mehr 124 Jah­re alten Schif­fes Hafen-Apo­the­ke ab und steu­ern das Schiff sehr erfolg­reich durch oft­mals schwie­ri­ges Fahrwasser.

Hafen-Apotheke 2001

Wird es mit dem Sohn der Ehe­leu­te Schmidt­mann eines Tages eine vier­te Apo­the­ker­ge­nera­ti­on geben? Das wäre sehr wünschenswert.

Hafen-Apotheke heute

Über­all in Deutsch­land geben Apo­the­ker auf, und der Weg zur nächs­ten Apo­the­ke wird immer län­ger. Die Zahl der Apo­the­ken in Deutsch­land hat­te im Jah­re 2008 mit 21.602 ihren Höchst­stand erreicht. Mit­te 2017 waren es nur noch 19.880 Apo­the­ken – der nied­rigs­te Stand seit 1988. In dem Jahr hat­ten in West­deutsch­land und der DDR zusam­men noch 19.781 Apo­the­ken geöffnet.

Nach­trag vom 16.12.2018
Lei­der hat sich der Wunsch nach einer vier­ten Apo­the­ker­ge­nera­ti­on für die Hafen­apo­the­ke nicht erfüllt. 125 Jah­re hat sich die Hafen­apo­the­ke um die medi­ka­men­tö­se Ver­sor­gung der Leher Bür­ger ver­dient gemacht. Nun wer­den Ehe­leu­te Schmidt­mann in den ver­dien­ten Ruhe­stand gehen. Ihre Apo­the­ke wer­den sie am 31.12.2018 für immer schlie­ßen. Ein Nach­fol­ger konn­te nicht gefun­den werden.

Quel­len:
Jubi­lä­ums­schrift: “Hafen-Apo­the­ke Bre­mer­ha­ven-Lehe 1894–1969”
Hart­mut Bickel­mann: „Zwi­schen Gewer­be­an­sied­lung und Woh­nungs­bau“, aus Bre­mer­ha­ve­ner Bei­trä­ge zur Stadt­ge­schich­te II
Har­ry Gab­cke: „Bre­mer­ha­ven in zwei Jahr­hun­der­ten – 1827–1918
Her­mann Schrö­der: “Geschich­te der Stadt Lehe”, Sei­te 256
www.pharmazeutische-zeitung.de “Ers­ter Welt­krieg — Man­gel­wa­re  Arzneimittel”
www.pharma4u.de “Zah­len und Fak­ten — Wie vie­le Apo­the­ken und Apo­the­ker gibt es eigent­lich in Deutsch­land?
amp.n‑tv.de “Es tut weh – Exper­ten bekla­gen Apothekensterben”
B. Hirsch­berg: “Am Jah­res­en­de ist Schluß”, Sonn­tags­jour­nal vom 23.12.2018