Kategorie: Firmengeschichten

Die Nordstraße verändert ihr Gesicht

Die Nord­stra­ße ver­än­dert ihr Gesicht.

Eine Stra­ße ver­än­dert ihr Gesicht, wenn alt­ein­ge­ses­se­ne Geschäf­te auf­ge­ben, wenn die Spar­kas­sen­fi­lia­le ver­schwin­det oder wenn der lang­jäh­ri­ge Arzt sei­ne Pra­xis schließt. Und wenn ein gan­zer Gebäu­de­kom­plex abge­ris­sen wird, erkennt man das Vier­tel oft nicht wieder.

Thams  & Garfs eröff­ne­te bereits im Jah­re 1910 in Bre­mer­ha­ven eine Zweig­nie­der­las­sung. Nach dem 2. Welt­krieg wur­de das Haupt­ge­schäft in der in der Bür­ger­meis­ter-Smidt-Str. 93  als ers­tes Lebens­mit­tel­ge­schäft in Bre­mer­ha­ven  als Selbst­be­die­nungs­la­den aus­ge­stat­tet. Hier stell­te man schon Ende der 1950er Jah­re sei­ne Ein­käu­fe selbst zusam­men. Fri­sche Eier, Milch in Fla­schen, But­ter, Sah­ne Obst und Süßig­kei­ten wur­den in einen Draht­korb gelegt, dann ging man zur Kas­se. In Bre­mer­ha­ven gibt es im Jah­re 1970 neben der Fili­al­ver­wal­tung in der Gra­zer Stra­ße 50 neun Thams & Garfs-Filialen.

Die Nordstraße verändert ihr Gesicht

Die Thams & Garfs-Filia­le in der Nord­stra­ße 67 lei­tet Gün­ter Cor­des. Rück­ge­hen­de Umsät­ze ver­an­las­sen die Geschäfts­lei­tung, immer Filia­len zu schlie­ßen. Als Thams & Garfs im Jah­re 1986 end­gül­tig auf­ge­löst wird, über­nimmt Gün­ter Cor­des das Geschäft und  führt es in eige­ner Regie wei­ter. Der Laden flo­riert, und die Kun­den lie­ben “ihren” Kauf­mann. Alex­an­der stellt lako­nisch fest: “In die­sem Super­markt wur­de der Ser­vice groß geschrie­ben! Scha­de drum… .”

Auch Anja erin­nert sich: “Ja wirk­lich… sogar in der Obst- und Gemü­se­ab­tei­lung wur­de man per­sön­lich bedient! Und die Fleisch- und Wurst­the­ke war sehr gut sor­tiert und immer schön frisch… das war sehr gemüt­li­ches Ein­kau­fen, wie frü­her mit Mutti.”

Die Nordstraße verändert ihr Gesicht

Tan­ja, die in der Nord­stra­ße groß gewor­den ist, beschreibt sehr plas­tisch, wel­che Ein­kaufs­er­leb­nis­se sie hat­te: “Mei­ne Mut­ter hat­te einen Schre­ber­gar­ten kurz hin­ter Cor­des, und somit hab ich bereits als Kind mein Eis dort bei “Tham­mel & Gam­mel” geholt. Erst als Jugend­li­che und spä­ter als jun­ge Erwach­se­ne habe ich dann wei­ter­hin bei Cor­des eingekauft.

Die Kin­der beka­men dort immer ein Würst­chen oder ’ne Schei­be Wurst in die Hand gedrückt, wenn Mut­ti dort ein­kauf­te. Ich weiß noch, wie mei­ne Toch­ter als Klein­kind im Laden ein­mal einen ful­mi­nan­ten Wut­an­fall bekam, — und ich mich soooo geär­gert hab, als sie trotz­dem “ihre” Wurst an der Fleisch­the­ke bekam.

Ich habe sehr ger­ne dort ein­ge­kauft und beson­ders den “alten” Flei­scher ver­mis­se ich heu­te noch. Fleisch in der Qua­li­tät habe ich seit­dem kaum wie­der bekom­men. Und es war so prak­tisch! Eben bei der Spar­kas­se einen Scheck ein­lö­sen (Geld­au­to­ma­ten gab es noch nicht), bei Cor­des ein­kau­fen, und auf dem Rück­weg eben bei der Post Brief­mar­ken raus­ho­len! Über­all einen kur­zen Schnack hal­ten, weil jeder sich kann­te, und dann zufrie­den nach Hau­se dackeln.”

An die Wurst­ge­schen­ke erin­nert sich auch Uwe ger­ne: “Immer wenn ich mit mei­ner Mut­ter bei Thams & Garfs (Tam­mel und Gam­mel) ein­kau­fen war, gab es für mich ein Würst­chen an der Fleisch­the­ke. Auf die ging man direkt zu, wenn man den Gang vom Ein­gang aus lang­ge­gan­gen ist… .”

Günter Cordes bei der Arbeit

Über dem Super­markt resi­dier­te ein Uro­lo­ge. Mit­te der 1970er-Jah­re beglei­tet Ter­ry sei­ne Mut­ter dort­hin. Er schau­te aus dem Fens­ter und zähl­te die Autos, “die aus Rich­tung Flö­ten­kiel her­an­ge­fah­ren kamen — wobei mich am meis­ten inter­es­siert hat, wie oft ein Mer­ce­des dar­un­ter war. Im Schnitt waren es 36 % , dar­an erin­ne­re ich mich noch… .”

Rechts neben dem Fri­schemarkt emp­fängt die Städ­ti­sche Spar­kas­se ihre Kun­den und ver­sorgt sie mit Bar­geld und ande­ren Finanz­ge­schäf­ten. Jule hat dort von 1979 bis 1983 ihre Aus­bil­dung absol­viert: “Die Städ­ti­sche Spar­kas­se hat­te damals 15 Filia­len, ver­teilt über das gesam­te Stadt­ge­biet. Die Filia­le Nord­stra­ße befand sich in dem glei­chen mit Wasch­be­ton ver­klei­de­ten Gebäu­de, in dem auch der Super­markt befand.”

Ter­ry gefiel der Innen­raum der Spar­kas­sen­fi­lia­le gut und Uwe Z. weiß noch: “Jeden Welt­spar­tag habe ich auf der Spar­kas­se mei­ne säu­ber­lich geroll­ten Mün­zen abge­ge­ben und auf mein Spar­buch eingezahlt… .”

Gün­ter Cor­des macht mit sei­nem 300-Qua­drat­me­ter-Frisch­markt gute Umsät­ze – bis die Städ­ti­sche Spar­kas­se im August 2002 die Nord­stra­ße ver­lässt und fort­an ihre Geld­ge­schäf­te an der Pfer­de­ba­de betreibt. “Das Kun­den­ver­hal­ten hat sich in den letz­ten Jah­ren erheb­lich ver­än­dert”, erklär­te damals ein Spar­kas­sen-Vor­stands­mit­glied der Nord­see-Zei­tung. “Wir sind da, wo der Kun­de ist. Die expo­nier­te Lage und die kos­ten­in­ten­si­ve Reno­vie­rung der alten Räum­lich­kei­ten in der Nord­stra­ße mach­ten uns die Ent­schei­dung leicht”, war im sel­ben Arti­kel zu lesen.

Die Nordstraße verändert ihr Gesicht

Auch die in der Nähe gele­ge­ne Post schließt, und für Gün­ter Cor­des beginnt “das Ster­ben auf Raten” – “ganz lang­sam.” Es wird fort­an schwer für ihn. Nicht die Nähe zum Real-Markt ist das Pro­blem. Die Bil­lig-Dis­coun­ter sind es. Am Blink haben gleich meh­re­re Dis­coun­ter eröff­net, und vie­le Kun­den gehen nun dort ein­kau­fen. Etwa ein Drit­tel der Kun­den hal­ten “ihrem” Kauf­mann die Treue und erle­di­gen ihre kom­plet­ten Ein­käu­fe wei­ter­hin bei Gün­ter Cor­des. Die ande­ren – vor­wie­gend jün­ge­re Leu­te – kau­fen in der Nord­stra­ße nur noch das ein, was sie beim Dis­coun­ter ver­ges­sen haben.

Am 31. Juli 2013 schließt der 66-Jäh­ri­ge Gün­ter Cor­des nach 27 Jah­ren sei­nen Fri­schemarkt. “Rea­lis­tisch betrach­tet hät­te ich schon vor zehn Jah­ren schlie­ßen müs­sen. Seit­dem habe ich nur rein­but­tern müs­sen und dadurch mei­ne Alters­vor­sor­ge ver­lo­ren”, erklärt er der Nord­see-Zei­tung. Sei­ne Mit­ar­bei­ter, eine Halb­tags­kraft, zwei Voll­zeit­be­schäf­tig­te und sie­ben 400-Euro-Mit­ar­bei­ter, müs­sen sich eine neue Beschäf­ti­gung suchen.

Lehe

Die Nord­stra­ße wur­de im Jah­re 1904 ange­legt. Sie soll die Lan­ge Stra­ße ent­las­ten, über die damals der Ver­kehr in bei­de Rich­tun­gen geführt wird. Die Nord­stra­ße ver­bin­det den Flö­ten­kiel mit der Hafenstraße.

Nicht nur der Auto­ver­kehr fließt durch die Nord­stra­ße. Auf den Schlacht­fel­dern Euro­pas tobt der Ers­te Welt­krieg, als die Arbei­ter­ju­gend sich auf den Weg zu einem Wald­fest macht und durch die Nord­stra­ße läuft.

Als der Zwei­te Welt­krieg vor­bei ist, kom­men Jeeps der 51. High­land Divi­si­on die Nord­stra­ße her­un­ter­ge­fah­ren, um die Stadt zu beset­zen. Karl Will­ms beschreibt in der Nord­see-Zei­tung: “Da kamen sie aus der Nord­stra­ße her­an. Autos, Jeeps, die saßen da drin mit Waf­fe im Anschlag, wir drück­ten uns die Nasen platt am Türglas.“

Und es gibt auch Erin­ne­run­gen an Kar­ne­vals­um­zü­ge oder an Demons­tra­tio­nen gegen die Sta­tio­nie­rung der Pers­hing-II-Rake­ten im Okto­ber 1983. Damals zie­hen tau­sen­de Demons­tran­ten durch die Nord­stra­ße. Wem es zu eng wird, der spa­ziert ein­fach über die gepark­ten Autos.

05a_Nordstrasse

Trotz­dem wohnt man ger­ne in der Nord­stra­ße. Zwi­schen dem Atlan­tic-Hotel und dem Gericht gibt es schö­ne Alt­bau­woh­nun­gen. Es ist eng hier und gemüt­lich. Bus­li­ni­en, Spar­kas­se und Post, Ärz­te und Super­märk­te – alles ist fuß­läu­fig erreich­bar. Sogar ein klei­nes Knei­pen­vier­tel gibt es.

Heu­te hat sich vie­les ver­än­dert. Eine Post ist gibt es hier nicht mehr, und das ehe­ma­li­ge Wasch­be­ton­ge­bäu­de war lan­ge ver­waist. Der Super­markt hat geschlos­sen, die Ärz­te sind ver­schwun­den, und die Spar­kas­se ist auch längst nicht mehr da. Fünf Jah­re rot­tet der ehe­ma­li­ge Fri­sche-Markt vor sich hin.

Die Nordstraße verändert ihr Gesicht

Im Jah­re 2016 kauft ein Inves­tor das 700 Qua­drat­me­ter gro­ße Grund­stück und läßt die 1965 erstell­te Hal­le abrei­ßen. Auch die Tief­ga­ra­ge wird nicht ver­schont. Für 3,8 Mil­lio­nen Euro soll hier ein neu­er pyra­mi­den­för­mi­ger Gebäu­de­kom­plex ent­ste­hen: 17 Woh­nun­gen, zwei Pent­house­woh­nun­gen, Arzt­pra­xis, Tief­ga­ra­ge. Die Zufahrt wird in die Tor­gau­er Stra­ße verlegt.

Eine Stra­ße ver­än­dert ihr Gesicht!

Nach­trag vom 28.12.2019
Ein Haus­arzt und ein Phy­sio­the­ra­peut sind die ers­ten, die am 1. Juli 2019 trotz Bau­stel­le in das Erd­ge­schoss des neu­en Miets­hau­ses ein­zie­hen.Die Nordstraße verändert ihr GesichtDie ande­ren Woh­nun­gen sind seit 1. Okto­ber 2019 bezugs­fer­tig. 13 Zwei- und Drei-Zim­mer-Woh­nun­gen wer­den als sozia­ler Woh­nungs­bau staat­lich geför­dert.Die Nordstraße verändert ihr GesichtQuel­len:
J. Rab­bel: Das Laden­ster­ben geht wei­ter, Nord­see-Zei­tung vom 5.7.2013
Von der  Nord­stra­ße zur Pfer­de­ba­de umge­zo­gen, Nord­see-Zei­tung v. 10.8.2002
Spar­kas­sen-Stand­ort an der Pfer­de­ba­de, Nord­see-Zei­tung vom 12.8.2002
Lach­kol­ler und But­jer­cou­ra­ge, Nord­see-Zei­tung vom 7.5.2005
Zwi­schen Lach­krampf und Laus­bu­ben­mut, Nord­see-Zei­tung vom 7.5.2005
S. Schwan: Tschüss, olle Gru­sel­hal­le, Nord­see-Zei­tung vom 16.10.2017
H. Haus­hahn: Ham­bur­ger Kaf­fee-Lager Thams & Garfs Paul Düvier GmbH, BEW aktu­ell 03/2016, Sei­ten 34 + 35
juwis’s welt: Kurs abge­steckt Rich­tung Geisterstadt?
S. Schwan: Neu­es Miets­haus für Lehe ist fer­tig, NORD24.de vom 5.7.2019

Der Kalkofen in Lehe

Der Kalk­ofen in Lehe

Wäh­rend der ers­te Kalk­ofen in Lehe schon für das 18. Jahr­hun­dert nach­ge­wie­sen ist, waren hier nach 1840 bis zu vier Brenn­öfen in Betrieb. Der eine stand am Bahn­über­gang und war im Besit­ze der Fami­lie Will­ms. Der Stand­ort des Tim­mer­mann­schen Ofens wird in der Nähe der alten Grau­pen­müh­le und der Fran­zo­sen­brü­cke ver­mu­tet, und zwar in der Nach­bar­schaft des Leher Hafens. Ein drit­ter Ofen hat­te sei­nen Platz auf dem Kötz­feld, west­lich von dem Markt­platz, auf dem einst die “Ger­ma­nia” stand. Der statt­lichs­te und moderns­te Kalk­ofen in Lehe war aber ohne Zwei­fel der, den im Jah­re 1850 der Groß­va­ter  von Buern­hu­us­vad­der Jan Bohls gemein­sam mit den Leher Bür­gern Krü­ger und Wöhl­ken  im Leher Büt­tel nahe der obe­ren Hafen­stra­ße errich­tet hat.Der Kalkofen in LeheLehe hat­te nicht ohne Grund vier Kalk­hüt­ten: Der Fle­cken hat­te in der Zeit von 1734 bis 1808 durch fünf schwe­re Brand­ka­ta­stro­phen 396 Wohn­häu­ser ver­lo­ren. Davon leg­te der Brand von 1796 gan­ze 160 Bau­ten in Schutt und Asche und im Jah­re 1808 wei­te­re 147. Es setz­te eine Bau­tä­tig­keit ein, wie sie Lehe vor­her noch nie erlebt hat­te. Auch das im Jah­re 1827 gegrün­de­te Bre­mer­ha­ven ver­lang­te auf­grund der ein­set­zen­den regen Bau­tä­tig­keit nach Kalk­mör­tel und Bau­stei­nen. Zement gab es damals noch nicht, folg­lich ver­wen­de­te man Muschel­kalk als Bin­de­mit­tel zwi­schen den Stei­nen. Die Fol­ge war eine außer­ge­wöhn­lich star­ke Nach­fra­ge nach Kalk. 

Das Roh­ma­te­ri­al fand man in den Mün­dungs­ge­bie­ten von Elbe und Weser, näm­lich Muscheln und Schne­cken­ge­häu­se. Im Som­mer lie­ßen die Fischer ihre fla­chen Boo­te bei Ebbe tro­cken fal­len und gru­ben kör­be­wei­se Muscheln und Schne­cken müh­sam aus dem Sand aus. Die Fischer brauch­ten bis zu drei Tage, bis ein Kahn voll war. Die „Muschel­scha­len-Fische­rei“, nann­te man in Platt „Schil­len“ (Schill = Scha­le) nann­te. Mit Pfer­de­ge­span­nen wur­den die Muschel­scha­len und Schne­cken­ge­häu­se von den Schill­fi­schern zu den Kal­kö­fen trans­por­tiert und in einem beson­de­ren Ver­fah­ren zu Kalk­mehl verbrannt.

Der Ofen im Leher Büt­tel ist 11,60 Meter hoch und hat einen Durch­mes­ser von 6 Metern. Die Mau­er ist 0,47 Meter dick. Über dem Erd­bo­den befin­den sich drei Rei­hen Zug­lö­cher. An der Nord­sei­te befin­den sich drei gro­ße Öff­nun­gen zum Ein­schüt­ten der Füllmasse. 

Zuerst stell­te der Brand­meis­ter im Ofen eine dop­pel­te Torf­schicht so auf, dass die Torf­so­den in auf­rech­ter Stel­lung schräg gegen­ein­an­der stan­den. Auf die­se Schicht schüt­te­te er dann eine 10 cm dicke Lage Muscheln. Wei­te­re Torf- und Muschel­schich­ten folg­ten, die zunächst durch die Sei­ten­öff­nun­gen und zum Schluss durch den Schorn­stein ein­ge­bracht wur­den. Auf Lei­tern wuch­te­ten die Arbei­ter die mit dem Torf und mit den Muschel­scha­len gefüll­ten Kör­be zu den Luken hinauf.

In die Mit­te des Füll­gu­tes wur­de ein Eisen­rohr gestellt, um einen Schacht – den “Schorn­stein” – zu bil­den. War der Kalk­ofen gefüllt, wur­de das Eisen­rohr ent­fernt. Schließ­lich wur­den die Öff­nun­gen mit Mau­er­stei­ne ver­schlos­sen. Dann füll­te man glü­hen­de Holz­koh­le in den “Schorn­stein”. Die Brenn­hit­ze erreich­te tau­send Grad. Damit der Ofen nicht aus­ein­an­der­plat­zen wür­de, sicher­ten acht Eisen­bin­der und eine Ket­te das einen hal­ben Meter dicke Mau­er­werk.Der Kalkofen in LeheDrei Tage zogen dicke Rauch­schwa­den durch den Fle­cken, dann lag auf dem Boden des Ofens das mit der Tor­fa­sche ver­misch­te hei­ße Kalk­mehl. Man zog es aus der unte­ren Luke und trans­por­tier­te es zum unmit­tel­bar dane­ben­lie­gen­den “Kalk­haus”. Dort gos­sen die “Löscher” bis zu zwan­zig Eimer Was­ser auf den hei­ßen Kalk und ver­rühr­ten ihn in Holz­trö­gen zu einem fei­nen Brei. Mit Eisen­schlä­geln, die an einem Holz­stiel befes­tigt waren, wur­de nun die Mas­se unter stän­di­gem Rüh­ren hin und her, um auch die nicht ver­brann­ten Muschel­stü­cke zu zerkleinern.

Eine mit Muschel­kalk gefüll­te Ton­ne kos­te­te damals etwa vier Reichs­mark. Der hoch­wer­ti­ge Muschel­kalk wur­de bis nach Thü­rin­gen und in die Mag­de­bur­ger Bör­de verkauft.

In Bre­mer­ha­ven-Lehe gibt es noch einen Zeu­gen der Muschel­kalk-Her­stel­lung. Wie eine selt­sam geform­te Stein­gut­fla­sche erhebt sich der Kalk­ofen an der Weich­sel­stra­ße im Leher Büt­tel. Die­ses im Jah­re 1850 erbau­te Indus­trie­denk­mal ist der ein­zi­ge noch erhal­te­ne Brenn­ofen an der Unter­we­ser und der ein­zi­ge Über­le­ben­de von den ursprüng­lich vier Leher Öfen.

Seit dem Jah­re 1870 ist der Büt­te­ler Ofen erkal­tet. Die Zeit des Muschel­kalks war vor­bei. Man benutz­te ihn nur noch zum Wei­ßen der Innen­räu­me, solan­ge es in den Alt­bau­ten noch kei­ne Tape­ten gab. An die Stel­le des Muschel­kal­kes trat nun der mit der Bahn oder auf Schif­fen her­an­ge­hol­te Stein­kalk. Und dann trat der Port­land-Zement sei­nen Sie­ges­zug an.

Aber 25 Jah­re spä­ter zog in den Kalk­ofen in Lehe neu­es Leben ein. Im Jah­re 1895 hat ein Stor­chen­paar auf dem erlo­sche­nen Schorn­stein sein Nest gebaut, und jeden Früh­ling war­te­te ganz Lehe auf die Rück­kehr der Stör­che.Der Kalkofen in LeheIm Jah­re 1976 wur­de der Kalk­ofen im Leher Büt­tel unter Denk­mal­schutz gestellt. Er gilt als tech­ni­sches Denk­mal mit gro­ßem Sel­ten­heits­wert in der Kul­tur­land­schaft Nord­deutsch­lands und wur­de 2012 für 20.000 Euro mit Hil­fe der Stif­tung Wohn­li­che Stadt saniert. Bereits 1939 wür­dig­te das Inven­tar der Kunst­denk­ma­le der Pro­vinz Han­no­ver den Kalk­ofen im Leher Büt­tel als Denk­mal einer vor­in­dus­tri­el­len Epo­che mit einer Abbildung.
Quel­len:
H. Schrö­der: Geschich­ten der Stadt Lehe, Sei­te 222
C. C. Cor­des: Der alte Kalk­ofen im Leher Büt­tel, Nie­der­deut­sches Hei­mat­blatt Nr. 217 vom Janu­ar 1968
H. Cars­tens: Zement ver­dräng­te Muschel­kalk, Nie­der­deut­sches Hei­mat­blatt Nr. 722 vom Febru­ar 2010
B. Sche­per: Bre­mer­ha­ven so wie es war, Sei­te 25
H. Gab­cke: Bre­mer­ha­ven in zwei Jahr­hun­der­ten 1827 – 1918, Sei­te 63
Lan­des­amt für Denk­mal­pfle­ge: Kalk­ofen

Bürgerhaus Lehe

Bür­ger­haus Lehe

Der im Jah­re 1862 opu­lent gestal­te­te Saal des Bür­ger­haus Lehe wur­de im Jah­re 1896 mit einer Büh­ne aus­ge­stat­tet. in die­sen Jah­ren hat der Saal vie­le fest­li­che Zei­ten erlebt. Er war Ball­saal und Treff­punkt der Leher Hono­ra­tio­nen. Und seit etwa 1922 für vie­le Jah­re auch Ver­samm­lungs­ort des Schüt­zen­ver­ein Lehe von 1848 e. V. Bürgerhaus LeheNach dem Zwei­ten Welt­krieg war das an der Fried­hof­stra­ße gele­ge­ne Bür­ger­haus Lehe für die Bür­ge­rin­nen und Bür­ger ein Ort, an dem sie die Müh­sal die­ser Zeit für ein paar Stun­den ver­ges­sen konn­ten. So führ­te das Stadt­thea­ter hier im Okto­ber 1945 Zuck­may­ers Volks­stück “Katha­ri­na Knie” auf. Und noch in den spä­ten 1950er Jah­ren beka­men die jun­gen Leu­te hier ihren Tanz­un­ter­richt. Beim Abtanz­ball wur­de das Erlern­te vor­ge­führt. Und sonn­tags lud das Bür­ger­haus zum Tanz­tee ein. Wäh­rend die einen das Tanz­bein schwan­gen, erfreu­ten sich neben­an die ande­ren am Kegeln.

Doch der eins­ti­ge Glanz des Saa­les im Bür­ger­haus Lehe an der Eisen­bahn­stra­ße war ver­blasst. Mehr als 50 Jah­re wur­de der rund 400 Qua­drat­me­ter gro­ße Saal nicht mehr genutzt. Dann aber mach­te sich eine Leher Fir­ma dar­an, den Saal in dem his­to­ri­schen Grün­der­zeit­ge­bäu­de zu ent­ker­nen. Dabei wur­de auch die gut erhal­te­ne alte Decke freigelegt.
Quel­le: Mar­ti­na Löw­ner, “Der Glanz längst ver­gan­ge­ner Tage”, Sonn­tags­jour­nal vom 27.05.2012

Bürgerhaus Lehe
Nach­trag vom 10.02.2019
Die Umbau- und Sanie­rungs­ar­bei­ten in der Leher Fried­hofs­stra­ße 15 för­der­ten vie­le Über­ra­schun­gen zuta­ge. So muß­te der zunächst für den 1. Sep­tem­ber 2018 geplan­te Eröff­nungs­ter­min ver­scho­ben wer­den. Auch der Okto­ber­ter­min war nicht zu rea­li­sie­ren. Aber alle Schwie­rig­kei­ten konn­ten gemeis­tert wer­den, und seit 16. Novem­ber 2018 ist das Bür­ger­haus Lehe wie­der in Betrieb. Der Inha­ber Niko­laj Grom­berg bie­tet auf sei­ner Inter­net­sei­te einen “hel­len und groß­zü­gig gestal­te­ten Tanz­saal” als “Raum für fest­li­che Anläs­se, Ver­an­stal­tun­gen und sons­ti­ge Fei­ern” an. Und auch die Sport­keg­ler sind wie­der da. Die  22 moder­nen Kegel­bah­nen wer­den vom Keg­ler­ver­ein Bre­mer­ha­ven e. V. genutzt, ste­hen aber auch für pri­va­te Ver­an­stal­tun­gen zur Verfügung.

Das Apollo-Kino in Bremerhaven

Das Apol­lo-Kino in Bremerhaven

In den Jah­ren von 1946 bis 1956 erlebt das deut­sche Kino eine Blü­te­zeit. 1956 errei­chen in West­deutsch­land die Zuschau­er­zah­len mit 817 Mil­lio­nen Kino­be­su­chern ihren Zenit. Das Apollo-Kino in BremerhavenDer Erfolg wird mit deut­schen Hei­mat­fil­men gene­riert. Son­ja Zie­mann und Rudolf Prack stel­len 1950 das Traum­paar im Nach­kriegs­farb­film “Schwarz­wald­mä­del” dar. Es fol­gen die Kitsch­fil­me “Grün ist die Hei­de” (1951), “Der Förs­ter vom Sil­ber­wald” (1954) und “Das Schwei­gen im Wal­de” (1955). 

Das Apollo-Kino in Bremerhaven

In den 1950er Jahren lohnen sich Kinos noch

In die­sen Jah­ren wer­den Kinos zu loh­nen­den Inves­ti­ti­ons­ob­jek­ten. So ent­ste­hen gro­ße Kino­neu­bau­ten mit geschwun­ge­nen asym­me­tri­schen Sälen. Die ange­strahl­ten Wän­de sind mit Stoff bespannt. Bogen­för­mi­ge Trep­pen füh­ren hin­auf zu weit in den Raum ragen­de Gale­rien. In den Foy­ers die­ser Kinos gibt es ele­gan­te Süß­wa­ren­stän­de. Das Kino wird zum Palast der Wirt­schafts­wun­der-Gesell­schaft.Das Apollo-Kino in BremerhavenAuch in Bre­mer­ha­ven ent­ste­hen in die­sen Jah­ren an jeder Ecke neue Kinos. Boten 1950 acht Kinos mit 4221 Plät­zen ihre Fil­me an, waren es Ende der 1950er Jah­re sechs­zehn “Licht­spiel­thea­ter” mit 9678 Plät­zen. Das Kino wur­de bald zum Treff­punkt und zum Ort für ers­te zärt­li­che Berührungen. 

Das Apollo-Kino in Bremerhaven

Neueröffnung in Geestemünde

In Geest­e­mün­de eröff­net in der Georg­stra­ße 73 am 25. Dezem­ber 1953 Wil­fried Spring­brunn sein neu­es Kino “Euro­pa” und lädt mit 649 Plät­zen zu  ein paar schö­ne Stun­den ein. Vor­bei an den Kas­sen­be­reich und der Pop­corn­ma­schi­ne gelangt der Besu­cher durch das groß­zü­gi­ge Foy­er zum Saaleingang.

Das Apollo-Kino in Bremerhaven

Zum Eröff­nungs­tag laden Wil­fried Spring­brunn und sei­ne Frau zu einem Film “für Ver­lieb­te, Ver­lob­te und Ver­hei­ra­te­te” ein: “Ich und Du” ist ein deut­scher Spiel­film mit Har­dy Krü­ger und Lie­se­lot­te Pul­ver. Die Ein­la­dungs­kar­ten sind für zwei Per­so­nen gültig.Das Apollo-Kino in Bremerhaven

Theo Marseille übernimmt das “Europa”

1963 ver­stirbt der Kino­be­trei­ber Wil­fried Spring­brunn, und Kino-Zar Theo Mar­seil­le über­nimmt das Kino “Euro­pa”. Theo Mar­seil­le, Spröss­ling einer Sei­den­we­ber­fa­mi­lie, stammt aus Kre­feld. Mit sei­ner Frau Ilse baut er nach dem Zwei­ten Welt­krieg ein flo­rie­ren­des Film­thea­ter­un­ter­neh­men auf.

Das Apollo-Kino in Bremerhaven

Theo Mar­seil­le besitzt bereits die Bre­mer­ha­ve­ner Kinos “Ala­din” in der Rick­mer­stra­ße 13 — 15, “Atlan­tis” in der Hafen­stra­ße 144 und “City” in der Hafen­stra­ße 127, als er im Jah­re 1963 auch das “Euro­pa” über­nimmt und moder­ni­siert. Er will das Kino zum Fami­li­en­thea­ter Geest­e­mün­des machen.

PopcornautomatNach dem Umbau trennt eine Glas­schei­be die Loge unter­halb des Vor­führ­rau­mes vom übri­gen Kino­saal, und fort­an ver­fügt das Kino über die ers­te Rau­cher­lo­ge im Land Bre­men. Zur Wie­der­eröff­nung im Früh­jahr 1963 erhält das Kino auch einen neu­en Namen: “Apol­lo”. Vie­le Jah­re ist das “Apol­lo” neben dem “Ala­din” das gro­ße Erst­auf­füh­rungs­haus Bremerhavens. 

Treppe

Legen­dä­re Fil­me wer­den hier gespielt. Jahr­zehn­te­lang ist das “Apol­lo” in Bre­mer­ha­ven Inbe­griff für gro­ßes Kino. Im Jah­re 1964 war es “James Bond 007 – Gold­fin­ger” mit Sean Con­nery und dem unver­gess­li­chen Gerd Frö­be, 1968 kam der Italo-Wes­tern “Spiel mir das Lied vom Tod” von Ser­gio Leo­ne, 1971 die “Love Sto­ry” mit Ali Mac­Graw und Ryan O’Ne­al und 1972 der Mafia­film “Der Pate” mit Mar­lon Bran­do und Al Paci­no. Die­se Film-Klas­si­ker ste­hen für vie­le ande­re gro­ße Fil­me, die vor­her oder nach­her auf­ge­führt wer­den. Es ist unmög­lich, sie an die­ser Stel­le alle aufzuzählen.

entkerntes Kino

Immer wieder Umbauten

In den Fol­ge­jah­ren wird im Apol­lo immer wie­der umge­baut. Die Decken wur­den ver­än­dert und Wän­de mit Tep­pi­chen ver­klei­det. Nach der Reno­vie­rung im Jah­re 1979 ist abseh­bar, dass auch in Bre­mer­ha­ven nicht mehr genü­gend Nach­fra­ge nach gro­ßen Licht­spiel­häu­sern vor­han­den ist. Theo Mar­seil­le schließt zum 1. August 1980 trotz einer gera­de abge­schlos­se­nen Reno­vie­rung sein Kino “Capi­tol” in der Hafen­stra­ße 156. 

Zeitungsanzeige

Mar­seil­le ent­schließt sich, das Kino “Apol­lo” zu tei­len. In den Mona­ten Juni und Juli 1980 wer­den die Arbei­ten aus­ge­führt. Der ehe­mals gro­ße Saal bekommt nun den Namen “Apol­lo 1” zuge­wie­sen, das neue klei­ne Kino heißt “Apol­lo 2”. In bei­den Kinos darf geraucht wer­den. Klei­ne Abla­gen vor den Sit­zen neh­men die Geträn­ke auf.

Eintrittskarten

Im Jah­re 1993 wird wie­der reno­viert. Im “Apol­lo 1” wer­den die bei­den Bal­ko­ne geschlos­sen und fort­an als Abstell­räu­me genutzt. Das Rau­chen ist nun verboten.Treppe zur Empore

Apollo” gibt auf

Am 28. April 2007 wird in Bre­mer­ha­ven, Karls­burg 1, das “Cin­eMo­ti­on Bre­mer­ha­ven” mit sechs Kino­sä­le eröff­net. Im April 2007 läuft im “Apol­lo” die letz­te Spiel­wo­che an, danach schließt das Kino für immer die Pforten.

Kino im Umbau

Für das Apol­lo-Kino in Bre­mer­ha­ven fin­det sich kei­ne wei­te­re Ver­wen­dung. Den ver­schwun­de­nen Glanz des ehe­ma­li­gen Licht­spiel­hau­ses, den Schein der Kron­leuch­ter und den Anblick der roten Samt­vor­hän­ge kann man nur noch erah­nen. Der lecke­re Geruch des süßen Pop­corns hat sich längst in den stau­bi­gen Man­tel der Ver­gan­gen­heit ver­flüch­tigt. Nur die opu­len­te Decken­ge­stal­tung, zwei groß­zü­gi­ge Empo­ren, lee­re Kino­sit­ze und der Pop­corn­au­to­mat zeu­gen noch heu­te vom Glanz & Glo­ria der Wirtschaftswunderjahre.Kino-Eingang

Neue Verwendung für das Apollo-Kino in Bremerhaven

Heu­te gehört das Apol­lo-Kino in Bre­mer­ha­ven in der Georg­stra­ße 73 Lars Wüb­ben, Geschäfts­füh­rer der Wüb­ben GmbH. Ideen­reich hat er das ehe­ma­li­ge Kino ent­kernt und in ein mul­ti­funk­tio­na­les Ver­an­stal­tungs­zen­trum umbau­en las­sen. Die noch vor­han­de­nen für 1950er und 1960er Jah­re typi­schen Bau­ele­men­te hat Wüb­ben frei­ge­legt. Auf der Empo­re ste­hen wie­der die alten Kinosessel.

Das Apollo-Kino in Bremerhaven

Hoch­zei­ten, Tagun­gen, Trau­er­fei­ern, Aus­stel­lun­gen und ande­re Events sol­len für bis zu 400 Per­so­nen hier in Geest­e­mün­de statt­fin­den. Das ehe­ma­li­ge Foy­er wird vom Mul­ti­funk­ti­ons­raum abge­trennt und klei­ne­re Gesell­schaf­ten zur Ver­fü­gung ste­hen. Für das Jahr 2019 steht ein Neu­an­strich der Außen­fas­sa­de auf der Agen­da. Das alte Apol­lo-Schild über dem Ein­gangs­be­reich bleibt erhalten.

Das Apollo-Kino in Bremerhaven

Am Abend des 14. Dezem­ber 2018 kehrt im alten Kino “Apol­lo” wie­der Leben ein. Nach ein­ein­halb Jah­ren Umbau­ar­bei­ten wird mit einer Elvis Pres­ley Cover Band die ers­te gro­ße öffent­li­che Ver­an­stal­tung in den sanier­ten Räu­men statt­fin­den. Ein aus­ge­klü­gel­tes Licht- und Ton­kon­zept soll “kei­ne Wün­sche offen lassen”.

Quel­le:
www.filmportal.de “Die 1950er Jah­re – Vom Kino in Trüm­mern zum Wirt­schafts­wun­der
Hans E. Hap­pel: “Kinos in Bre­mer­ha­ven
Klaus Weber: alle Kinos
Nord­see-Zei­tung vom 30.07.1980, 29.03.2011 und 08.12.2018
radio-bremen.de: “Das Apol­lo-Kino in Bre­mer­ha­ven”, 21.09.2016
Apol­lo Pres­se­mit­tei­lung vom 22.10.2017
Hei­ner Otto: “aus­ge­schla­fen: ‘Apol­lo’ erwacht”, nwzonline.de vom 21.10.2017

Abschied vom Modehaus Jelden

Abschied vom Mode­haus Jelden

Zum Jah­res­en­de muss Bre­mer­ha­ven Abschied vom Mode­haus Jel­den neh­men. Am Theo­dor-Heuss-Platz hat der Räu­mungs­ver­kauf bereits begon­nen. Nach 73 Jah­ren schließt das Tra­di­ti­ons­un­ter­neh­men für exklu­si­ve Damen- und Her­ren­mo­de. Damit geht wie­der ein Stück Bre­mer­ha­ve­ner Geschich­te zu Ende.

Abschied vom Modehaus Jelden

Im Mai des Jah­res 1945 endet der Zwei­te Welt­krieg, und die Nach­kriegs­zeit beginnt. In Nord­deutsch­land über­nimmt 1945 die bri­ti­sche Mili­tär­re­gie­rung die Regie­rungs­ge­walt. Die Mili­tär­gou­ver­neu­re dür­fen kei­ne Schrit­te unter­neh­men, die zum wirt­schaft­li­chen Wie­der­auf­bau Deutsch­lands füh­ren könn­ten oder geeig­net sind, die deut­sche Wirt­schaft zu erhal­ten oder zu stär­ken. Die Unsi­cher­heit über die Zukunft der deut­schen Wirt­schaft lähmt. Hand­wer­ker und klei­ne Fabri­ken scheu­en sich, ihre Vor­rä­te an Roh­ma­te­ri­al zu ver­ar­bei­ten. Sie wis­sen nicht, ob sie Nach­schub kau­fen können.

Abschied vom Modehaus Jelden

Das Jahr 1945 ist aber auch das Jahr, in dem in Cux­ha­ven Ger­da und Her­mann Jel­den in der Alten­wal­der Chaus­see 69 im väter­li­chen Eltern­haus ein Laden­ge­schäft eröff­nen. Vor den Wid­rig­kei­ten, die das Kriegs­en­de mit sich bringt, schre­cken sie nicht zurück.

Ab dem 19. Okto­ber 1945 kau­fen die Kun­den bei Jel­den Sicher­heits- und Steck­na­deln, Perl­mutt­knöp­fe, Stof­fe und Wol­le. Auch Schu­he und Pup­pen hat das Laden­ge­schäft im Sor­ti­ment, das Ger­da Jel­den auf­grund ihrer guten Kon­tak­te nach Ham­burg immer wie­der auf­fül­len kann. Ange­stell­te Schnei­de­rin­nen und Stri­cke­rin­nen fer­ti­gen Tex­ti­li­en aller Art.  Die Kun­den bezah­len mit Reichs­mark, an die Wäh­rungs­re­form denkt noch nie­mand. Die Geschäf­te lau­fen anschei­nend gut, denn schon im Fol­ge­jahr erfolgt der Umzug in Cux­ha­vens Hols­ten­stra­ße 4.

Abschied vom Modehaus Jelden

Vie­le Bau­lü­cken zeu­gen davon, dass der Wie­der­auf­bau Bre­mer­ha­vens noch nicht abge­schlos­sen ist. Und doch beweist Ger­da Jel­den im Jah­re 1952 aber­mals Mut und Weit­sicht: Sie eröff­net in der Bür­ger­meis­ter-Smidt-Stra­ße 77 als Filia­le des Cux­ha­ve­ner Stamm­hau­ses  ein Modegeschäft.

Abschied vom Modehaus Jelden

Am 1. August 1968 über­gibt Ger­da Jel­den das Bre­mer­ha­ve­ner Mode­haus an ihre Toch­ter Hei­de­ma­rie. Sie hat gute Kon­tak­te zu Pari­ser Lie­fe­ran­ten, und schnell wächst die Zahl der bekann­ten Mode­mar­ken, die das Ange­bot von Hei­de­ma­rie Jel­den berei­chern. Selbst aus der Mode­stadt Ham­burg kom­men die Kun­den nach Bre­mer­ha­ven, um sich bei Hei­de­ma­rie Jel­den  einzukleiden.

Unter­des­sen zieht sich die Fir­men­grün­de­rin zurück. 1980 über­nimmt die gelern­te Schnei­de­rin Frau­ke Calo­gi­rou gemein­sam mit ihrem Ehe­mann das von ihrer Mut­ter Ger­da Jel­den gegrün­de­te Cux­ha­ve­ner Mode­haus an der Hols­ten­stra­ße. Für ihre anspruchs­vol­le Kund­schaft kauf­te Ehe­paar Calo­gi­rou auf inter­na­tio­na­len Mes­sen qua­li­ta­tiv hoch­wer­ti­ge indi­vi­du­el­le Mode von Bogner, Jobis und Jil San­der ein.

Abschied vom Modehaus Jelden

Auch Schwes­ter Hei­de­ma­rie Jel­den agiert über­aus erfolg­reich. So erfolg­reich, dass die Räum­lich­kei­ten in der Bür­ger­meis­ter-Smidt-Stra­ße 77 zu eng wer­den. Das Geschäft zieht im Jah­re 1987 in die Fähr­stra­ße 1 — 3 um. Gleich­zei­tig wird das Sor­ti­ment durch die Auf­nah­me von geho­be­ner Her­ren­ober­be­klei­dung erweitert.

Mit einem wei­te­ren Umzug im Jah­re 1999 in das Eck­haus Theo­dor-Heuss-Platz 3 geht eine aber­ma­li­ge Ver­grö­ße­rung der Geschäfts­flä­che einher.

Im Jah­re 2005, nach ihrem 65. Geburts­tag, schließt Frau­ke Calo­gi­rou das Stamm­haus an der Hols­ten­stra­ße in Cux­ha­ven. Die geplan­te Geschäfts­über­ga­be an eine inter­es­sier­te Nach­fol­ge­rin schei­tert, und so endet in Cux­ha­ven eine 60-jäh­ri­ge Einzelhandelsgeschichte.

Abschied vom Modehaus Jelden

In Bre­mer­ha­ven wer­den die Zei­ten schwie­ri­ger. Hei­de­ma­rie Jel­den ent­schließt sich im Jah­re 2008, ihr Laden­lo­kal “Fähr­haus No. 1” mit ihrem Mode­haus Jel­den zu ver­ei­nen und in eine GmbH umzu­wan­deln. Die neu gegrün­de­te Jel­den GmbH bezieht die Räu­me am Theo­dor-Heuss-Platz 1. Das tra­di­ti­ons­rei­che Mode­haus Jel­den hat nun sei­ne end­gül­ti­ge Hei­mat gefunden.

Vor weni­gen Wochen konn­te Hei­de­ma­rie Jel­den fei­ern. Von den 73 Jah­ren, die das Tra­di­ti­ons­un­ter­neh­men in Bre­mer­ha­ven Mode anbie­tet, hat sie das Unter­neh­mens­schiff 50 Jah­re erfolg­reich gesteu­ert und man­che Klip­pe umschifft. Nun möch­te Hei­de­ma­rie Jel­den sich zur Ruhe set­zen. Die Suche nach einem Nach­fol­ger ver­lief erfolg­los. Schwe­ren Her­zens und mit größ­tem Bedau­ern wird sie das Mode­haus Jel­den am Theo­dor-Heuss-Platz 1 zum  Ende des Jah­res 2018 schlie­ßen. Dann muss Bre­mer­ha­ven Abschied vom Mode­haus Jel­den nehmen.
Quel­len:
Wo Indi­vi­dua­li­tät ganz im Vor­der­grund steht, Cux­ha­ve­ner Nach­rich­ten vom 12.4.2005
Fir­men­chro­nik  des Mode­hau­ses Jel­den auf der Internetseite

Mode­haus Jel­den in Bre­mer­ha­ven schließt, NORD24

Die Leher Hartsteinwerk GmbH

Wann die Leher Hart­stein­werk GmbH gegrün­det wur­de, konn­te ich bis­her nicht in Erfah­rung brin­gen. Trotz inten­si­ver Recher­che in der Bre­mer­ha­ve­ner Stadt­bi­blio­thek fand ich in den dor­ti­gen Büchern nir­gend­wo einen Hin­weis auf die Leher Hart­stein­werk GmbH.

Die Leher Hartsteinwerk GmbH

Von einem Leser des Deich­SPIE­GEL habe ich eine Ansichts­kar­te bekom­men, auf der die Gebäu­de der Leher Hart­stein­werk GmbH abge­bil­det sind. Das Unter­neh­men muss es also gege­ben haben.

Eine glei­che Ansichts­kar­te wird im Online­han­del angeboten.

2018-05-31_Leher_Hartsteinwerk_002

Auf der Rück­sei­te gra­tu­lie­ren L. und A. Suhr einem in Bre­mer­ha­ven woh­nen­den Herrn Joh. Stuye zum Geburts­tag, datiert mit 13.04.08 (also 1908).

Nun ver­such­te ich mein Glück im Bre­mer­ha­ve­ner Stadt­ar­chiv. Der dor­ti­ge Archi­var konn­te mir eben­falls ein glei­ches Bild prä­sen­tie­ren. Wir bemüh­ten zunächst die Adress­bü­cher der Jah­re 1905, 1906 und 1907. Das Ergeb­nis war dürftig:

Im Adress­buch von 1907 ist vermerkt:
Leher Hart­stein­werk GmbH, Spa­de­n­er­stra­ße, Tele­fon 253

Im Adress­buch von 1906 ist vermerkt:
Leher Hart­stein­werk GmbH, Spadenerstraße
Leher Säge- und Hobel­werk GmbH, Spadenerstraße
Direk­tor J. Suhr, Spa­de­n­er­stra­ße, Tele­fon 253

Außer­dem ver­riet mir das Adress­buch, dass in der Spa­de­n­er­stra­ße 50 jeweils ein Zim­me­rer und ein Tech­ni­ker namens Suhr gemel­det waren. Ob die­se Per­so­nen iden­tisch oder ver­wandt mit Direk­tor J. Suhr waren, das konn­te ich nicht veri­fi­zie­ren. Schließ­lich ver­sprach mir der Archi­var, mit mir Kon­takt auf­zu­neh­men, wenn er wei­te­re Infor­ma­tio­nen bekom­men sollte.

Ich über­prüf­te noch unter genealogy.net, ob auf einem Leher Fried­hof ein Suhr bestat­tet wur­de. Zwar wur­de ich fün­dig, aber jahr­gangs­mä­ßig pass­te es nicht.

Mei­ne letz­te Hoff­nung sind nun mei­ne Leser! Wer Infor­ma­tio­nen über die ehe­ma­li­ge Leher Hart­stein­werk GmbH hat, möge sich bit­te mit mir in Ver­bin­dung set­zen. Ich wür­de mich sehr freuen.

Die Hafen-Apotheke in Bremerhaven-Lehe

Als im Jah­re 1827 Bre­mer­ha­ven gegrün­det wur­de, wohn­ten nur 19 Per­so­nen in dem neu­en Hafen­ort. Dann began­nen die Bau­ar­bei­ten am Alten Hafen, und aus ganz Deutsch­land ström­ten die Bau­ar­bei­ter nach Bre­mer­ha­ven. Nach einem hal­ben Jahr waren bis zu 900 Män­ner an der Rie­sen­bau­stel­le beschäftigt.

Bremerhaven-Lehe

Zu jener Zeit hat­te der Fle­cken Lehe, der  vor­wie­gend aus der Lan­ge Stra­ße mit den Neben­stra­ßen bestand, etwa 1.600 Ein­woh­ner, die ihrem Brot­er­werb in den ansäs­si­gen Braue­rei­en, Müh­len und Zie­ge­lei­en nach­gin­gen. Mit den Hafen‑, Häu­ser- und Stra­ßen­bau­ten in Bre­mer­ha­ven begann der Auf­stieg Lehes zum Vor­ort der neu­en Hafen­stadt. Im Jah­re 1829 wur­de die heu­ti­ge Hafen­stra­ße als Chaus­see nach Bre­mer­ha­ven ange­legt. Sie mün­de­te dort in die Leher Stra­ße ein. Die­se erhielt spä­ter den Namen Bürgermeister-Smidt-Straße.

Auszug aus Apotheker-Verordnung

Bre­mer­ha­vens Wirt­schaft flo­rier­te und der Fle­cken Lehe nahm dar­an teil. Nicht nur Hand­wer­ker und ein­fa­che Arbei­ter wur­den in Bre­mer­ha­ven benö­tigt. Auch Bau­ma­te­ri­al, Frisch­was­ser für die Schif­fe, Vieh­fut­ter und Nah­rungs­mit­tel konn­te Lehe zur Ver­fü­gung stel­len. Und der güns­ti­ge Wohn­raum zog die in Bre­mer­ha­ven arbei­ten­den Men­schen an. Im Jah­re 1894 leb­ten bereits um die 18.000 Ein­woh­ner im Fle­cken Lehe.

Bremerhaven-Lehe Hafenstrasse um 1910

Die “Lehe-Bre­mer­ha­ve­ner Chaus­see” ent­wi­ckel­te sich zu einer reprä­sen­ta­ti­ven Wohn- und Geschäfts­stra­ße, in der sich Beklei­dungs­ge­schäf­te, Möbel­ge­schäf­te und auch Manufaktur‑, Haus­halts- und Kolo­ni­al­wa­ren­hand­lun­gen ansie­del­ten. Auch Ärz­te, Apo­the­ker, Rechts­an­wäl­te und Foto­gra­fen boten hier zuneh­mend ihre Diens­te an. Einst als Wohn­häu­ser genutz­te Gebäu­de wur­den umge­stal­tet. Schau­fens­ter mit dahin­ter lie­gen­den Ver­kaufs­räu­men präg­ten nun das Straßenbild.

Gründer der Hafen-Apotheke

In den 1870er Jah­ren ließ sich der Schiffs­zim­mer­mann und Gast­wirt Mar­tin Heu­er vom Leher Mau­rer­meis­ter See­dorf das Haus Hafen­stra­ße 91 (heu­te Num­mer 106) Ecke Aue­stra­ße erstel­len. Im Jah­re 1893 ver­kauf­te Mar­tin Heu­er das Grund­stück an den aus Ost­preu­ßen stam­men­den Apo­the­ker Emil Raa­be. Die­ser ließ aus dem Gast­raum den Ver­kaufs­raum der Apo­the­ke gestal­ten. Die Fens­ter rechts des Ein­gan­ges wur­den zu klei­nen Schau­fens­tern umgestaltet.

Hafen-Apotheke vor der Zerstörung

Im Jah­re 1894 eröff­ne­te Emil Raa­be sei­ne Hafen-Apo­the­ke, zog sich aber aus gesund­heit­li­chen Grün­den mehr und mehr zurück. Die Geschäfts­füh­rung über­ließ er sei­nem Stief­sohn Alfred Hackh. Doch bereits im Jah­re 1907 ging Alfred Hackh nach Ess­lin­gen und eröff­ne­te dort eine eige­ne Apotheke.

Eröffnungsanzeige der Hafen-Apotheke

Am 27. März 1907 eröff­ne­te in Ber­lin das Kauf­haus des Wes­tens, und einen Tag spä­ter, am 28. März 1907, ver­kauf­te in Lehe der kran­ke Emil Raa­be sei­ne Hafen-Apo­the­ke an den Apo­the­ker Otto Schmidt­mann.  Danach ver­ließ der Apo­the­ken­grün­der Bre­mer­ha­ven. und ver­starb eini­ge Jah­re spä­ter in Hannover.

Alfred Hackh in der Hafen-Apotheke

Otto Schmidt­mann, am 5. Sep­tem­ber 1877 in Alfeld an der Lei­ne gebo­ren, absol­vier­te in den Jah­ren 1896 bis 1899 erfolg­reich eine Aus­bil­dung zum Apo­the­ker. Sei­ne Gehil­fen­jah­re ver­brach­te er in Uel­zen, in Cot­ta bei Dres­den und in Han­no­ver. Schließ­lich leg­te er im Jah­re 1904 an der Uni­ver­si­tät Leip­zig das phar­ma­zeu­ti­sche Staats­examen ab. In den Fol­ge­jah­ren ver­tief­te und erwei­ter­te er sein Wis­sen, bis er Emil Raa­be im Jah­re 1907 die Hafen-Apo­the­ke ein­schließ­lich der Kon­zes­si­on für stol­ze 300.000 Mark  abkaufte.

Bremerhaven-Lehe Hafenstrasse um 1950

Schiff­fahrt und Indus­trie bescher­ten dem Fle­cken Lehe wei­ter­hin ein bestän­di­ges Wachs­tum. 14.690 Ein­woh­ner wur­den hier im Jah­re 1890 gezählt, im Jah­re 1914 waren es bereits 41.950 Ein­woh­ner. Vor die­sem Hin­ter­grund ver­lie­fen für den Apo­the­ker Otto Schmidt­mann die ers­ten Geschäfts­jah­re sehr zufriedenstellend.

Im Jah­re 1911 wan­del­te Otto Schmidt­mann auf Frei­ers­fü­ßen und hei­ra­te­te Marie Jans­sen. Aus der Ehe gin­gen in den Jah­ren 1912 bis 1914 zwei Töch­ter und Sohn Wal­ter hervor.

Otto Schmidtmann Inhaber der Hafen-Apotheke

Dann brach der Ers­te Welt­krieg aus, und plötz­lich war es vor­bei mit der posi­ti­ven Ent­wick­lung. Schon mit Beginn des Krie­ges gelang­ten kei­ne aus­län­di­schen Dro­gen mehr in das Deut­sche Reich. Zuneh­men­der Roh­stoff­man­gel und Import­ver­bo­te bedroh­ten immer mehr die Ver­sor­gung der Men­schen mit Arz­nei­mit­tel. Wie vie­le ande­re Apo­the­ker in die­sen Not­jah­ren ver­such­te auch Otto Schmidt­mann, dem Man­gel durch Impro­vi­sa­ti­on und Erfin­dungs­reich­tum zu begeg­nen. Aus ein­hei­mi­schen Heil­pflan­zen her­ge­stell­te Medi­ka­men­te hal­fen, die Arz­nei­mit­tel­ver­sor­gung wäh­rend der Kriegs­jah­re aufrechtzuerhalten.

004-Hafenapotheke

Otto Schmidt­manns Gehil­fen wur­den zum Kriegs­dienst  ein­ge­zo­gen wur­den, und er stand plötz­lich allein in sei­ner Apo­the­ke. Arbeits­zei­ten von täg­lich bis zu 12 Stun­den und  vie­le zusätz­li­che Nacht­diens­te waren nun an der Tages­ord­nung. Die Sor­gen lie­ßen auch nach Kriegs­en­de nicht nach. Nun zerr­ten die Infla­ti­on und die damit ein­her­ge­hen­den Wert­ver­lus­te an die Ner­ven und an die Gesund­heit des Apothekers. 

Heinrich Suermann Pächter der Hafen-Apotheke

Als Otto Schmidt­mann am 2. Janu­ar 1936 starb, befand sich Sohn Wal­ter erst am Anfang sei­ner Aus­bil­dung zum Apo­the­ker. So muss­te die Hafen-Apo­the­ke am 1. Okto­ber 1936 an den lang­jäh­ri­gen Ver­wal­ter der Les­sing-Apo­the­ke, Apo­the­ker Hein­rich Suer­mann, ver­pach­tet wer­den. Zu Beginn des Zwei­ten Welt­krie­ges wur­de Hein­rich Suer­mann zum Wehr­dienst ein­ge­zo­gen. Als Ober­stabs­apo­the­ker lei­te­te er bis zum 1. April 1943 die Laza­rett-Apo­the­ke Wesermünde.

Zwi­schen­zeit­lich hat Wal­ter Schmidt­mann im Jah­re 1938 mit sei­nem Stu­di­um zum Apo­the­ker begon­nen. Nach bestan­de­nem Examen erhielt er im Jah­re 1942 sei­ne Bestal­lung zum Apo­the­ker und ver­trat den Päch­ter Hein­rich Suer­mann in der Apo­the­ke sei­nes ver­stor­be­nen Vaters.

zerstörte Hafen-Apotheke

Als am 18. Juni 1944 Bre­mer­ha­ven bom­bar­diert wur­de, zer­stör­ten Brand­bom­ben das Apo­the­ken­haus Hafen­stra­ße 106. Ein gro­ßer Teil des Inven­tars und der Vor­rä­te konn­te aus dem bren­nen­den Haus geret­tet wer­den. Schnell räum­te der Haus­nach­bar Bur­dorf die Räu­me im Erd­ge­schoß sei­nes Hau­ses Hafen­stra­ße 108 für eine Notapotheke.

Am 18. Sep­tem­ber 1944 star­te­ten Bom­ber der Roy­al Air Force erneut einen Luft­an­griff auf Bre­mer­ha­ven. Inner­halb von 20 Minu­ten wur­den die heu­ti­gen Stadt­tei­le Mit­te und Geest­e­mün­de fast völ­lig zer­stört. Vie­le aus­ge­bomb­te Men­schen fan­den in Lehe eine neue Blei­be. So war es ein Segen, dass die Hafen-Apo­the­ke die medi­ka­men­tö­se Ver­sor­gung leis­ten konnte.

017-Hafenapotheke

Wal­ter Schmidt­mann über­nahm am 1. Janu­ar 1949 die väter­li­che Hafen-Apo­the­ke, die noch immer in den Räu­men der Hafen­stra­ße 108 unter­ge­bracht war.

018-Hafenapotheke

Kurz nach­dem er sei­ne Frau Lucie gehei­ra­tet hat, ließ er das aus­ge­bomb­te Apo­the­ken­hau­ses Hafen­stra­ße 106 wie­der aufbauen.

Hafen-Apotheke nach dem Wiederaufbau 1950

Archi­tekt Voss­hans über­nahm zwar den ursprüng­li­chen Grund­riss, gleich­wohl gab es eini­ge Veränderungen:

Innenansicht der Hafen-Apotheke

Der Archi­tekt glie­der­te das Lager­haus dem Haupt­haus an und ließ den Ein­gang zur Hafen­stra­ße Ecke Aue­stra­ße ver­le­gen. Die neu­en Innen­räu­me wur­den hell und modern gestaltet.

Innenansicht der Hafen-Apotheke

Im Jah­re 1969 konn­te die Hafen-Apo­the­ke ihr 75-jäh­ri­ges Jubi­lä­um fei­ern. Die in der dama­li­gen Jubi­lä­ums­schrift zum Aus­druck gebrach­te Hoff­nung, eine drit­te Gene­ra­ti­on möge die Hafen-Apo­the­ke wei­ter­hin­füh­ren, hat sich erfüllt.

Hafen-Apotheke Apothekerin Viktoria Volz-Schmidtmann

Am 1. April 1987 hat der Sohn von Wal­ter Schmidt­manns die Lei­tung der Apo­the­ke, die zwi­schen­zeit­lich an Herrn Kull­man ver­pach­tet war, übernommen.

Hafen-Apotheke Apotheker Volker Schmidtmann

Seit­her ste­cken Apo­the­ker Vol­ker Schmidt­mann und sei­ne Ehe­frau, Apo­the­ke­rin Vik­to­ria Volz-Schmidt­mann, den Kurs des nun­mehr 124 Jah­re alten Schif­fes Hafen-Apo­the­ke ab und steu­ern das Schiff sehr erfolg­reich durch oft­mals schwie­ri­ges Fahrwasser.

Hafen-Apotheke 2001

Wird es mit dem Sohn der Ehe­leu­te Schmidt­mann eines Tages eine vier­te Apo­the­ker­ge­nera­ti­on geben? Das wäre sehr wünschenswert.

Hafen-Apotheke heute

Über­all in Deutsch­land geben Apo­the­ker auf, und der Weg zur nächs­ten Apo­the­ke wird immer län­ger. Die Zahl der Apo­the­ken in Deutsch­land hat­te im Jah­re 2008 mit 21.602 ihren Höchst­stand erreicht. Mit­te 2017 waren es nur noch 19.880 Apo­the­ken – der nied­rigs­te Stand seit 1988. In dem Jahr hat­ten in West­deutsch­land und der DDR zusam­men noch 19.781 Apo­the­ken geöffnet.

Nach­trag vom 16.12.2018
Lei­der hat sich der Wunsch nach einer vier­ten Apo­the­ker­ge­nera­ti­on für die Hafen­apo­the­ke nicht erfüllt. 125 Jah­re hat sich die Hafen­apo­the­ke um die medi­ka­men­tö­se Ver­sor­gung der Leher Bür­ger ver­dient gemacht. Nun wer­den Ehe­leu­te Schmidt­mann in den ver­dien­ten Ruhe­stand gehen. Ihre Apo­the­ke wer­den sie am 31.12.2018 für immer schlie­ßen. Ein Nach­fol­ger konn­te nicht gefun­den werden.

Quel­len:
Jubi­lä­ums­schrift: “Hafen-Apo­the­ke Bre­mer­ha­ven-Lehe 1894–1969”
Hart­mut Bickel­mann: „Zwi­schen Gewer­be­an­sied­lung und Woh­nungs­bau“, aus Bre­mer­ha­ve­ner Bei­trä­ge zur Stadt­ge­schich­te II
Har­ry Gab­cke: „Bre­mer­ha­ven in zwei Jahr­hun­der­ten – 1827–1918
Her­mann Schrö­der: “Geschich­te der Stadt Lehe”, Sei­te 256
www.pharmazeutische-zeitung.de “Ers­ter Welt­krieg — Man­gel­wa­re  Arzneimittel”
www.pharma4u.de “Zah­len und Fak­ten — Wie vie­le Apo­the­ken und Apo­the­ker gibt es eigent­lich in Deutsch­land?
amp.n‑tv.de “Es tut weh – Exper­ten bekla­gen Apothekensterben”
B. Hirsch­berg: “Am Jah­res­en­de ist Schluß”, Sonn­tags­jour­nal vom 23.12.2018

 

Das kaiserliche Pulvermagazin in Speckenbüttel

Am Ran­de des Bre­mer­ha­ve­ner Stadt­parks Spe­cken­büt­tel ist gut ver­steckt zwi­schen Bäu­men und Büschen ein mili­tär­his­to­ri­sches Bau­werk erhal­ten geblie­ben: Das Schieß­pul­ver-Depot der kai­ser­li­chen Mari­ne­ar­til­le­rie. Es wur­de 1874/1875 in der damals noch unbe­bau­ten Leher Feld­mark neben dem Feld­weg nach Wed­de­war­den errich­tet. 

00_Pulvermagazin

Nach­dem Preu­ßen den Deut­schen Krieg von 1866 gewon­nen hat­te, wur­de das König­reich Han­no­ver auf­ge­löst und als Pro­vinz Han­no­ver in das preu­ßi­sche Staats­ge­biet ein­ge­glie­dert. Fort­an gehör­te das Amt Lehe zu Preu­ßen. Und der drit­te Eini­gungs­krieg ließ nicht lan­ge auf sich war­ten: Am 19. Juli 1870 erklär­te das fran­zö­si­sche Kai­ser­reich Preu­ßen den Krieg. Frank­reich ver­lor den Krieg, und Preu­ßens König Wil­helm I. wird deut­scher Kaiser.

01_Pulvermagazin

Zwi­schen 1866 und 1880 ließ Preu­ßen vier Forts zum Schut­ze der Weser­mün­dung bau­en. Sie erhiel­ten die Namen Langlüt­jen I und II (Olden­bur­ger Sei­te) sowie auf han­no­ver­scher Sei­te Brin­k­a­ma­hof I und II. Sie wur­den zunächst von preu­ßi­schen Hee­res­ein­hei­ten bedient. 1887 wur­de das Schles­wig­sche Fuß­ar­til­le­rie-Regi­ment nach Bre­mer­ha­ven und Lehe ver­legt, um die Forts zu beset­zen. Die 4. Kom­pa­nie bezog das zur Kaser­ne umge­bau­te ehe­ma­li­ge Armen­haus am Markt­platz. Spä­ter zogen sie in die neue Leher Artil­le­rie­ka­ser­ne in die Kai­ser-Wil­helm-Stra­ße um (heu­ti­ge Hin­rich-Schmal­feldt-Str. 30). Die Bat­te­rie­stra­ße dien­te als Ver­bin­dungs­weg zwi­schen Lehe und Brinkamahof.

02_Pulvermagazin

Ob das Ver­tei­di­gungs­sys­tem sei­nen Zweck erfül­len konn­te, kann man wohl nicht mehr beur­tei­len. Die Unter­we­ser­forts kamen nie­mals in die Lage, ihre Feu­er­kraft gegen feind­li­che See­zie­le unter Beweis stel­len zu müssen. 

Auf jeden Fall muss­ten die in den Forts auf­ge­stell­ten Geschüt­ze mit Schieß­pul­ver ver­sorgt wer­den. Für die Lage­rung des Schieß­pul­vers zu Frie­dens­zei­ten lie­ßen die preu­ßi­schen Behör­den 1874/1875 das Pul­ver­ma­ga­zin in Spe­cken­büt­tel errich­ten. Eigent­lich war es nur ein gro­ßes Holz­schup­pen mit den Aus­ma­ßen einer Scheu­ne, der da aus Sicher­heits­grün­den weit­ab von den nächs­ten bewohn­ten Häu­sern in die Leher Feld­markt gestellt wurde.

03_Pulvermagazin

Rund um den Schup­pen wur­de ein Schutz­wall auf­ge­schüt­tet. Außer­dem wur­de das Are­al mit einem Was­ser­gra­ben und einem Zaun gesi­chert. Für die Wach­mann­schaft der Mari­ne stand eine Wach­bu­de zur Ver­fü­gung. Spä­ter wur­de ein Wach­mann ein­ge­stellt. Er wohn­te in einem gemau­er­ten Wohn­haus am Ran­de des Grundstückes.

04_Pulvermagazin

Ein gro­ßer Teil des Schutz­wal­les und des Was­ser­gra­bens sind bis heu­te erhal­ten. Das gan­ze Ensem­ble liegt so ver­steckt, dass es schließ­lich in Ver­ges­sen­heit geriet. Erst 1989 wur­de das Pul­ver­ma­ga­zin zufäl­lig “wie­der­ent­deckt”. Mit­te der 1990er Jah­re ließ die Stadt Bre­mer­ha­ven den kai­ser­li­chen Pul­ver­schup­pen restau­rie­ren. Er gilt heu­te als kul­tur­his­to­ri­sche Sen­sa­ti­on.  Es gibt in ganz Deutsch­land kein wei­te­res so gut erhal­te­nes Ensem­ble die­ser Art.

05_Pulvermagazin

Im Jah­re 2008 wur­de die Anla­ge auf­ge­wer­tet. Hier­zu stell­te die Stif­tung Wohn­li­che Stadt 25.000 Euro zur Ver­fü­gung, die glei­che Sum­me gab die Stadt aus ihrem Haus­halt dazu. Mor­sche Bal­ken wur­den aus­ge­bes­sert, das Dach repa­riert, und der drei Meter hohe Erd­wall wur­de auf­ge­frischt. Zwei neu Trep­pen füh­ren nun auf den Erd­wall hin­auf. Die unbe­wohn­ten Häu­ser ließ man abreißen.

Wei­te­re Infor­ma­tio­nen zu dem ehe­ma­li­gen Pul­ver­ma­ga­zin fin­det man in dem Büch­lein “Bre­mer­ha­ve­ner Bei­trä­ge zur Stadt­ge­schich­te”. Der Auf­satz von Alex­an­der Cor­des ist mit vie­len sel­te­nen Bil­dern und Kon­struk­ti­ons­zeich­nun­gen illustriert.

Quel­len:
Her­mann Schrö­der: Geschich­te der Stadt Lehe, Sei­ten 541 und 542
A. Cor­des: Das ehe­ma­li­ge Pul­ver­ma­ga­zin in Bre­mer­ha­ven-Spe­cken­büt­tel,            
Bre­mer­ha­ve­ner Bei­trä­ge zur Stadt­ge­schich­te, Sei­ten 139 ff
S. Schwan: Des Kai­sers altes Pul­ver­de­pot, Nord­see-Zei­tung vom 30.01.2018
Lan­des­amt für Denk­mal­pfle­ge Bre­men: Denk­mal­da­ten­bank
relikte.com: Die Mari­ne-Forts in der Wesermündung