Frohe Farben in Bremerhaven und Görlitz

Pauluskirche_Bremerhaven

Da konn­ten sich auch die Gärt­ne­rin­nen und Gärt­ner in Bre­mer­ha­ven und Gör­litz nicht zurück­hal­ten: In bei­den Städ­ten haben sie das schö­ne Früh­lings­wet­ter genutzt, um die städ­ti­schen Plät­ze zu bepflanzen.

Das neben­ste­hen­de Bild zeigt ein wun­der­schö­nes Ensem­ble von Stief­müt­ter­chen vor der Bre­mer­ha­ve­ner Pau­lus­kir­che. Ich muss­te ein­fach ste­hen blei­ben und das schö­ne Bild fest­hal­ten. Gut dass ich mei­ne Kame­ra (fast) immer bei mir habe. 

Gärtner in der Goethestraße, Bremerhaven

Aber auch in der Goe­the­stra­ße waren die Gärt­ner flei­ßig und haben die­se Woche die nöti­gen Vor­be­rei­tun­gen getrof­fen, um die Stra­ße mit Blu­men zu ver­schö­nern. Zunächst wur­de an den Stra­ßen­ecken die Pflas­te­rung zwi­schen den Bäu­men ent­fernt. Bei die­ser Gele­gen­heit wur­den den Baum­wur­zeln Gren­zen gesetzt, damit sie kei­ne Roh­re und Lei­tun­gen zer­stö­ren kön­nen. Anschlie­ßend wur­den die Gru­ben mit Mut­ter­er­de befüllt. Dem­nächst sol­len hier zwi­schen Boden­de­ckern auch Blu­men wach­sen. Die Boden­de­cker wer­den ver­hin­dern, dass die vie­len Hun­de in die­sem Vier­tel sich an den Wilhelmsplatz in GörlitzBäu­men erleich­tern können. 

Der Gör­lit­zer Wil­helms­platz (links im Bild) wur­de mit einer Tep­pich­pflan­zung aus zwölf ver­schie­de­nen Sor­ten Stief­müt­ter­chen, Horn­veil­chen und Ver­giss­mein­nicht bepflanzt. 13.000 Pflan­zen wur­den in die Erde gesetzt.

Den Post- und Mari­en­platz ziert ein mit­tig ange­ord­ne­tes Blü­ten­band aus 4.000 Blu­men­zwie­beln mit Tul­pen, Nar­zis­sen und Kai­ser­kro­nen, an Innen- und Außen­sei­te jeweils ergänzt mit 4.500 Stief­müt­ter­chen und Horn­veil­chen in Gelb, Oran­ge und Rot. 

Bremerhavener Hinterhof von Stadt beräumt

Heinrichstraße in Bremerhaven

Am Mitt­woch berich­te­te ich ja über den zuge­müll­ten Hin­ter­hof in Bre­mer­ha­ven, Hein­rich­stra­ße 1. Tja, und am Don­ners­tag las ich dann in der NORDSEE-ZEITUNG, dass der Müll von der Stadt besei­tigt wer­den soll. Man soll die Hoff­nung nie auf­ge­ben, die Stadt hat Wort gehal­ten und den Müll abfah­ren lassen.

Am Don­ners­tag­nach­mit­tag, als ich die­se Auf­nah­me gemacht habe, traf ich nur noch den Bür­ger­po­li­zis­ten an, der damit beschäf­tigt war, das Grund­stück abzu­sper­ren. Ein sehr net­ter Mensch, der es auch bedau­ert, dass unse­re Mit­bür­ger ihren Dreck ein­fach auf die Stra­ße schmei­ßen. Kein Wun­der, dass die Stra­ßen hier alle ver­dreckt sind.

Der „Tat­be­stand wil­de Müll­ab­la­ge­run­gen“ soll künf­tig teu­er wer­den. Umwelt­sün­der müs­sen für eine ille­ga­le Müll­ent­sor­gung nur mit einer Stra­fe von maxi­mal 250 Euro rech­nen. Das ist bil­li­ger als den Dreck abho­len zu las­sen. Immer­hin macht das Ord­nungs­amt ein Drit­tel aller Umwelt­sün­der aus­fin­dig. Per­sön­li­che Doku­men­te im Müll — mit Namen und Anschrift des Täters — hel­fen dabei. Auch in der Müll­kip­pe im Hin­ter­hof der Hein­rich­stra­ße wur­den Unter­la­gen gefun­den, mit denen der Täter nun wahr­schein­lich ermit­telt wer­den kann.

Museumsschiff “Gera” hat wieder geöffnet

Ver­gan­ge­nen Sams­tag, am 24. März 2012, hat für den letz­ten deut­schen Sei­ten­traw­ler die neue Sai­son begon­nen. Die Win­ter­pau­se wur­de für umfang­rei­che Kon­ser­vie­rungs­ar­bei­ten genutzt.

Museumsschiff "Gera"

Der Schiffs­rumpf wur­de gerei­nigt und anschlie­ßend lackiert, die alten Brenn­stoff­tanks gesäu­bert und kon­ser­viert und die Bal­last­was­ser­tanks mit Zement­schläm­me als Kor­ro­si­ons­schutz aus­ge­klei­det. Auf dem Brü­cken­deck wur­de an Steu­er­bord­sei­te das Holz­deck saniert.

Nun kön­nen sich die Besu­cher auf der “GERA” wie­der auf eine span­nen­de und unter­halt­sa­me Rei­se in die Geschich­te der deut­schen Hoch­see­fi­sche­rei bege­ben. Im Maschi­nen­raum, der Kom­bü­se, der Mann­schafts­mes­se und in den Kam­mern scheint die Zeit ste­hen geblie­ben zu sein. Die Ori­gi­nal­aus­stat­tung vom Fang­netz über die Maschi­nen­an­la­ge bis zur Aus­stat­tung der Kabi­nen ver­mit­telt einen ein­drucks­vol­len Ein­blick in den Arbeits­all­tag an Bord.

In der Mann­schafts­mes­se wird der neue Doku­men­tar­film “Das war Kno­chen­ar­beit — Hoch­see­fi­sche­rei auf dem Sei­ten­traw­ler GERA” mit his­to­ri­schen und aktu­el­len Film­auf­nah­men sowie Zeit­zeu­gen­in­ter­views gezeigt. Eine Aus­stel­lung und Groß­fo­tos run­den den Besuch auf dem Muse­ums­schiff ab.

Heute vor 25 Jahren

Wil­ly Brandt tritt als SPD-Vor­sit­zen­der zurück

Bundesarchiv_B_145_Bild-F031406-0017,_Erfurt,_Treffen_Willy_Brandt_mit_Willi_StophAm 23. März 1987 tritt Wil­ly Brandt vom Amt des SPD-Par­tei­vor­sit­zen­den zurück. Der als Her­bert Ernst Karl Frahm in Lübeck gebo­re­ne Poli­ti­ker enga­gier­te sich schon sehr früh in der sozia­lis­ti­schen Arbei­ter­be­we­gung. 1934 leg­te er sich den Deck­na­men Wil­ly Brandt zu, den er ab 1947 auch offi­zi­ell trägt. 1964 wur­de er als Nach­fol­ger Erich Ollen­hau­ers zum SPD-Vor­sit­zen­den gewählt. Mit­te der 80er-Jah­re geriet sei­ne unan­ge­foch­te­ne Posi­ti­on ins Wan­ken. Kri­ti­siert wur­de sein man­geln­des Enga­ge­ment für den SPD-Kanz­ler­kan­di­da­ten Johan­nes Rau. Brandts Ent­schei­dung, die par­tei­lo­se grie­chi­sche Jour­na­lis­tin Mar­ga­ri­ta Mathio­pou­los zur SPD-Pres­se­spre­che­rin zu beru­fen, beschleu­nig­te das Ende sei­ner Ära. Er blieb bis zum Par­tei­tag im Juni 1987 im Amt und wur­de Ehren­vor­sit­zen­der sei­ner Par­tei.
(Säch­si­sche Zeitung/db)

In Görlitz gedreht, jetzt in ARD zu sehen

Untermarkt “500 ganz nor­ma­le Men­schen” wur­den im Som­mer 2010 als Kom­par­sen gesucht, um in Gör­litz bei den Film­ar­bei­ten für die Fern­seh­ko­mö­die mit dem Arbeits­ti­tel “First Lady” mit­zu­wir­ken. Haus­frau­en, Stu­den­ten, Schü­ler, Geschäfts­leu­te, Rent­ner, Hun­de­be­sit­zer und Rad­fah­rer — ein­fach jeder Gör­lit­zer im Alter von 16 bis 77 konn­te an der Sei­te bekann­ter Schau­spie­ler mit­ma­chen. Eine beschau­li­che Pro­vinz­stadt ist es, in der bereits seit drei Legis­la­tur­pe­ri­oden Robert von der Heyden der Bür­ger­meis­ter ist. Zwar hat er sei­ner Frau Nina ver­spro­chen, nicht erneut zu kan­di­die­ren, aber nun bewirbt er sich erneut um das Bür­ger­meis­ter­amt. Zudem erwischt Nina ihren Mann mit sei­ner jun­gen PR-Bera­te­rin. Jetzt reicht es Nina! Als Bür­ger­meis­ter­kan­di­da­tin der Oppo­si­ti­on erklärt sie ihrem Mann den Krieg. Am Frei­tag, 23. März 2012 um 20.15 Uhr sen­det die ARD den in Gör­litz gedreh­ten Film mit dem Titel “Nicht mit mir, Lieb­ling”. Vie­le schö­ne Bil­der von Gör­litz wer­den in die­sem Film zu sehen sein, unter ande­rem der auf dem obi­gen Bild zu sehen­de Unter­markt. Die Haupt­rol­len hat Regis­seur Tho­mas Nenn­stiel mit Ursu­la Kar­ven (Nina von der Heyden) und Hans-Wer­ner Mey­er (Robert von der Heyden) besetzt.

Moschee in Bremerhaven-Lehe

Moschee Bremerhaven-LeheSie hat sich wohl nicht mit Absicht ver­steckt, die bereits 1975 eröff­ne­te Moschee in Bre­mer­ha­ven-Lehe. Gleich­wohl habe ich sie nur durch Zufall ent­deckt – wäh­rend eines Bum­mels durch die Leher Alt­stadt. Es war sehr schwie­rig, das umge­bau­te Wohn­haus mit sei­nem stei­len Schräg­dach zu foto­gra­fie­ren. Von einer Sei­te ver­de­cken gro­ße Bäu­me und eine Stein­mau­er das Gebäu­de mit sei­ner im Bau­stil der Osma­nen ver­zier­ten Außen­fas­sa­de, von der Stra­ßen­sei­te  bekommt man das 25 Meter hohe Mina­rett nicht gut vor die Kamera.

Ger­ne wäre ich hin­ein­ge­gan­gen, doch das ver­schlos­se­ne Roll­tor in der Pots­da­mer Stra­ße ver­wehr­te mir den Zutritt. Wenn sich vor­her kei­ne Mög­lich­keit für mich ergibt, die Moschee zu besich­ti­gen, wer­de ich es am 3. Okto­ber versuchen.

Jedes Jahr am 3. Okto­ber fin­det der Tag der offe­nen Moschee statt, stets beglei­tet von einem Mot­to. Dann öff­nen die mus­li­mi­schen Gebets­häu­ser ihre Pfor­ten für alle inter­es­sier­ten Besu­cher. Wäh­rend die­ses soge­nann­ten Tages der offe­nen Moschee füh­ren die Mus­li­me durch die Gebets­häu­ser, infor­mie­ren über die Funk­tio­nen einer Moschee und geben einen Ein­blick in die Reli­gi­on des Islams. Es wird nicht nur über Mus­li­me gere­det, son­dern jeder Besu­cher hat die Mög­lich­keit, mit den Mus­li­men zu sprechen.

Wenn Ihr mehr über die Bre­mer­ha­ve­ner Zen­tral­mo­schee wis­sen möch­tet, schaut Euch doch mal die Enzy­klo­pä­die des Islam an.

Der Wasserturm von Bremerhaven-Lehe

Mehr als 150 Jah­re ist er inzwi­schen alt, der Was­ser­turm von Bre­mer­ha­ven-Lehe. Groß und trut­zig ragt der unter Denk­mal­schutz ste­hen­de Turm aus den Anfän­gen der Bre­mer­ha­ve­ner Was­ser­ver­sor­gung im Leher Stadt­park an der Hafen­stra­ße zum Him­mel empor. Erbaut hat ihn Mel­chi­or Schwoon in den Jah­ren 1852/1853 nach den Plä­nen des Bre­mer Archi­tek­ten Simon Loschen.

Bremerhaven Lehe_1

Die Kan­ten­län­ge der qua­dra­ti­sche Grund­form beträgt im unte­ren Teil 11,5 m. Dar­an leh­nen sich mit stei­len Pult­dä­chern ver­se­he­ne ehe­ma­li­ge Wohn- und Lager­räu­me an. Wei­ter oben ver­jüngt sich der Turm zu einem Acht­eck, ver­schönt durch Blen­d­ar­ka­den mit klei­nen Spitz­bo­gen­fens­tern. Der run­de Was­ser­be­häl­ter, der mit einem Kegel­dach geschlos­sen wur­de, scheint aus dem acht­ecki­gen Bau­kör­per herauszuwachsen.

Nun, in die Jah­re gekom­men, soll der Was­ser­spei­cher saniert wer­den. Gleich­zei­tig wird die im Erd­ge­schoss bele­ge­ne Maschi­nen­hal­le zu einem Ver­an­stal­tungs­raum umge­baut. Um den Stadt­park auch optisch mit dem Turm zu ver­bin­den, bekommt die­ser an sei­ner Süd­sei­te eine Terrasse.Bremerhaven Lehe

Für die von den zustän­di­gen Denk­mal­pfle­gern beglei­te­te Sanie­rung wer­den 325 000 Euro bereit­ge­stellt. Die Stadt über­nimmt hier­von etwa 120 000 Euro. Hier­in sind 40 000 Euro Bun­des­mit­tel aus dem För­der­topf “Stadt­um­bau-West” ent­hal­ten. Die Eigen­tü­mer tra­gen rund 200 000 Euro selbst. Für das Geld wird der Was­ser­turm bis auf Ori­gi­nal­roh­re und Pfei­ler kom­plett ent­kernt und Hei­zung, Beleuch­tung und Toi­let­te instal­liert. So ist man auf die künf­ti­ge Nut­zung – Lesun­gen, Kon­zer­te, Gesprächs­fo­ren – gut vorbereitet.

Zum dies­jäh­ri­gen Stadt­park­fest ist ein Tag der offe­nen Tür geplant.

Die­ser Bericht soll der Auf­takt zu einer Rei­he Was­ser­tür­me sein, die ich in loser Fol­ge mit freund­li­cher Unter­stüt­zung von Herrn Dr. Jens U. Schmidt erstel­len will. Ich kann Euch die Was­ser­tür­me natür­lich immer nur grob vor­stel­len als Ergeb­nis mei­ner jewei­li­gen Inter­net­re­cher­chen. Soll­te ich bei Euch Inter­es­sen geweckt und soll­tet Ihr Lust auf mehr Infor­ma­tio­nen bekom­men haben, schaut Euch doch mal die Home­page Archiv deut­scher Was­ser­tür­me an. Dort gibt es auch das wirk­lich sehr infor­ma­ti­ve Buch Was­ser­tür­me in Bre­men und Ham­burg zu bestellen.

Streik auch bei den Waggonbauern

Nach dem Ende der zwei­ten Tarif­run­de für die Beschäf­tig­ten im öffent­li­chen Dienst will die Gewerk­schaft Ver­di ver­mut­lich mor­gen oder am Frei­tag  ankün­di­gen, wo und wann es erneut Warn­streiks geben wird. Ohne Eini­gung oder Schlich­tung käme es schließ­lich zum Streik. Dazu müss­te die Gewerk­schaft aller­dings vor­her in einer Urab­stim­mung ihre Mit­glie­der befragen. 

Schon immer in der Geschich­te haben Arbei­ter ver­sucht, ihren For­de­run­gen durch einen Streik Nach­druck zu ver­lei­hen. Mit dem Schlacht­ruf „Wir sind hung­rig!“ sol­len bereits am 4. Novem­ber 1159 v. Chr. die mit dem Bau der Königs­grä­ber in The­ben im Alten Ägyp­ten beschäf­tig­ten Arbei­ter die Arbeit nie­der­ge­legt haben, weil sie seit acht­zehn Tagen nicht ent­lohnt wor­den waren.

Aber so weit muss man gar nicht zurück­schau­en. In sei­ner März­aus­ga­be die­sen Jah­res berich­tet die “Stadt­BILD” über einen lan­gen Streik der Gör­lit­zer Wag­gon­bau­er vor genau hun­dert Jahren:

So etwas hat­te Gör­litz noch nicht erlebt. Die Wag­gon­bau­er streik­ten. Sieb­zehn Wochen lang nahm die Stadt dar­an Anteil, die einen mit Sym­pa­thie für die Arbei­ter die ande­ren mit Unbe­ha­gen über die “unein­sich­ti­gen ProIe­ten”.

Streik in der Görlitzer WaggonfabrikDie orga­ni­sier­te Arbei­ter­be­we­gung war stark gewor­den. Man muss­te mit ihr rech­nen. 1911 hat­te der sozi­al­de­mo­kra­ti­sche Ver­ein in Gör­litz 4511 Mit­glie­der, dar­un­ter 996 Frau­en, und in den Gewerk­schaf­ten hat­ten sich 7568 Werk­tä­ti­ge zusam­men­ge­schlos­sen. Schon Ende 1911 hat­ten die Anstrei­cher in der „Akti­en­ge­sell­schaft zur Fabri­ka­ti­on von Eisen­bahn-Mate­ri­al zu Gör­litz“ mit einem Streik gegen die Sen­kun­gen der Akkord­löh­ne pro­tes­tiert. Anfang 1912 ver­här­te­ten sich die Kon­flik­te. Die gewerk­schaft­lich orga­ni­sier­ten Beschäf­tig­ten ver­lang­ten von der Betriebs­di­rek­ti­on, die Arbeits­zeit von wöchent­lich 58 auf 54 Stun­den zu sen­ken, die Anfangs­löh­ne zu erhö­hen und Ver­tre­ter der Arbei­ter­or­ga­ni­sa­tio­nen zu den Ver­hand­lun­gen der Werk­lei­tung mit dem Arbei­ter­aus­schuss hinzuzuziehen. 

Die Direk­ti­on zeig­te wenig Ent­ge­gen­kom­men. Sie woll­te höchs­tens einer Sen­kung der Arbeits­zeit auf 57 Stun­den zustim­men. In einer Ver­samm­lung im “Kon­zert­haus” lehn­ten die Arbei­ter die­ses Ange­bot als eine Zumu­tung ab. 

Am 2. April 1912 tra­ten 1170 Beschäf­tig­te des Betrie­bes in den Streik. 376 Arbei­ter betei­lig­ten sich nicht. Bei­de Sei­ten setz­ten alle Mit­tel ein, die sich ihnen boten. Die Unter­neh­mer woll­ten zur Abschre­ckung vor jeder­mann bewei­sen, dass sie immer noch unein­ge­schränk­te “Her­ren im Hau­se” waren. Auch den Arbei­tern ging es um mehr als nur um sozia­le Zuge­ständ­nis­se, obwohl ihre Lebens­ver­hält­nis­se beschei­den genug waren. So wie sie gegen das unde­mo­kra­ti­sche Drei­klas­sen­wahl­recht bei den Wah­len zum preu­ßi­schen Land­tag ankämpf­ten, woll­ten sie auch im Betrieb nicht mehr gedul­di­ge Unter­ta­nen blei­ben. Von bos­haf­ten Nadel­sti­chen bis zu rück­sichts­lo­ser Gewalt reich­te die Ska­la der Metho­den, die den Unter­neh­mern zu Gebo­te standen.

Da wur­den den Streik­teil­neh­mern im Hand­um­dre­hen ihre werk­ei­ge­nen Gar­ten­par­zel­len gekün­digt.
Da ver­wei­ger­te man an der Niko­lai­schu­le und an der Cott­bu­ser Schu­le den Kin­dern von Strei­ken­den die unent­gelt­li­chen Lehr­mit­tel. Da beleg­te die Poli­zei Streik­pos­ten mit 15 Mark Geld­stra­fe wegen “Ver­kehrs­be­hin­de­rung”. Und da han­del­te sich der Boh­rer Räh­misch wegen sei­ner deut­li­chen Kri­tik an Streik­bre­chern die Ver­ur­tei­lung zu einem Monat Gefäng­nis ein.

Dage­gen geiz­te die Betriebs­lei­tung nicht mit Geld­zu­wen­dun­gen an “ein­sich­tig” Arbei­ter; an Prä­mi­en für unter­neh­mer­treue Meis­ter und zu Arbeits­ju­bi­lä­en von Beschäf­tig­ten, die außer­halb der Streik­front geblie­ben waren. Beka­men zunächst die ande­ren Gör­lit­zer Betrie­be eine War­nung zu hören, sie sol­len die aus der Wag­gon­fa­brik ent­las­se­nen Arbei­ter gefäl­ligst nicht bei sich beschäf­tig­ten, so folg­te am 22. Juni 1912 die Aus­sper­rung für den gesam­ten Bezirk Niederschlesien. 

Streik in der Görlitzer Waggonfabrik

Nun soll­te das Unter­neh­men Karl Kacz­ma­rek neue Arbeits­kräf­te her­an­schaf­fen. Von den Gewerk­schaf­ten als Streik­bre­cher-Orga­ni­sa­ti­on bekämpft, warb die­se Agen­tur über­all in Deutsch­land hart­ge­sot­te­ne Vögel, die für Geld bereit waren, in bestreik­ten Betrie­ben zu arbei­ten. Bis zu 150 Mann wur­den von aus­wärts geholt und in der Wag­gon­fa­brik ein­ge­setzt. Sie kos­te­ten, die groß­zü­gi­ge Ver­pfle­gung ein­ge­rech­net, je Tag bis zu 15 Mark, wäh­rend die Unter­neh­mer um jeden Pfen­nig Lohn­er­hö­hung (Anfangs­lohn 27 Pfen­nig je Stun­de) mit ihren Arbei­tern feilschten. 

Die “Kacz­ma­reks” spiel­ten sich in den Geschäf­ten und Gast­stät­ten als gro­ße Her­ren auf. Obwohl eini­ge im Schnaps­rausch Fens­ter ein­war­fen und mit Revol­vern und Dol­chen her­um­fuch­tel­ten, sah die Poli­zei kei­nen Grund zum Ein­grei­fen. Selbst den Geschäfts­leu­ten und Gewer­be­trei­ben­den wur­de das zu bunt, und in einer Reso­lu­ti­on stell­ten eini­ge von ihnen fest, dass die Anwe­sen­heit der Kacz­ma­rek-Trup­pe “nicht zuletzt die Geschäfts­welt schwer schä­digt”. Die Strei­ken­den Iie­ßen sich trotz­dem nicht ins Bocks­horn jagen. 

Streik in der Görlitzer Waggonfabrik

Es war eine schwe­re Belas­tungs­pro­be für die Fami­li­en, 17 Wochen Streik durch­zu­hal­ten. Aber es bewähr­te sich die Kraft der Gemein­schaft. Die orga­ni­sier­ten Arbei­ter hal­fen mit Spen­den, so die Ver­bän­de der Metall­ar­bei­ter, die Braue­rei- und Müh­len­ar­bei­ter, der Holz­ar­bei­ter und der Buch­dru­cker. Auch Geschäfts­in­ha­ber und Hand­wer­ker für die ja die Arbei­ter wich­ti­ge und treue Kun­den waren, stan­den den Strei­ken­den ver­ständ­nis­voll und hilfs­be­reit zur Sei­te. Streik­pos­ten bewach­ten die Zufahrt­stra­ßen zum Werk, den Bahn­hof und die Orts­ein­gän­ge. Wie Schat­ten beglei­te­ten sie die Arbeits­kräf­te­wer­ber der Betriebs­lei­tung auf ihren Fahr­ten. So lie­ßen sich man­che Arbeits­su­chen­den davon abhal­ten, aus Unkennt­nis ihren strei­ken­den Gör­lit­zer Kol­le­gen Schwie­rig­kei­ten zu bereiten.

In den engen Arbei­ter­woh­nun­gen, in den Kel­ler­lä­den und an den Stra­ßen­ecken gab es vor allem die­ses Gesprächs­the­ma — nicht nach­zu­ge­ben und die gerech­te Sache durch­zu­set­zen. Arbei­ter­frau­en mit ihren Kin­dern gin­gen zu den Streik­pos­ten, brach­ten ihnen Ver­pfle­gung und spra­chen ihnen Mut zu. 

Karl Würz­burg, der spä­te­re bekann­te Arbei­ter­funk­tio­nar und Ehren­bür­ger der Stadt, war damals gera­de 7 Jah­re alt, als sein Vater streik­te. Er wur­de Augen­zeu­ge, wie berit­te­ne Poli­zei ver­such­te, von der Son­nen­stra­ße her Streik­bre­cher zum Betriebs­tor an der Brun­nen­stra­ße zu beglei­ten, und wie Arbei­ter­frau­en sich mit Holz­pan­ti­nen und Pflas­ter­stei­nen gegen die Ord­nungs­hü­ter zur Wehr setz­ten (sie­he Zeich­nung ganz oben). Fast täg­lich gab es in den vier Gör­lit­zer Zei­tun­gen streit­ba­re Arti­kel über Ereig­nis­se und Aus­sich­ten des Streiks, und die Unter­neh­mer der Wag­gon­fa­brik kamen sel­ten dabei gut weg. Sogar bür­ger­li­che Krei­se rie­ten zum Ein­len­ken, weil sie fürch­te­ten, Unzu­frie­den­heit und Kampf­wil­len könn­ten sich wei­ter aus­brei­ten und das sowie­so
gespann­te sozia­le Kli­ma ver­schlim­mern. Es war ihnen schon fatal genug, dass die Sozi­al­de­mo­kra­tie im Janu­ar bei den Reichs­tags­wah­len den Abge­ord­ne­ten­sitz für den Wahl­kreis GörIitz/Lauban gewon­nen hat­te. So etwas war bis dahin noch nie passiert. 

Streik in der Görlitzer Waggonfabrik

Das Ergeb­nis der Kämp­fe war mager, flüch­tig betrach­tet. Die Wochen­ar­beits­zeit wur­de auf 55 Stun­den gesenkt. Die Grund­löh­ne stie­gen im Durch­schnitt um 3 bis 5 Pfen­ni­ge. Die wöchent­li­che Lohn­zah­lung am Frei­tag wur­de zuge­si­chert, eben­so das Ver­ei­ni­gungs­recht der Arbei­ter. Ver­samm­lun­gen im Betrieb blie­ben ver­bo­ten. Etwa 500 Streik­teil­neh­mer sol­len wie­der ein­ge­stellt wor­den sein. Alle Betei­lig­ten waren um Erfah­rung rei­cher. Die Arbei­ter hat­ten, unter Opfern zwar, ihre Kraft gespürt und Fort­schrit­te durch­ge­setzt. Die Unter­neh­mer hat­ten zur Kennt­nis neh­men müs­sen, dass mit den Herr­schafts­me­tho­den des 19. Jahr­hun­derts nichts mehr aus­zu­rich­ten war. In den Arbei­ter­vier­teln leb­te die Erin­ne­rung an das Jahr 1912 jahr­zehn­te­lang. Unüber­seh­bar hat­te sich auch in Gör­litz gezeigt, dass die “klei­nen Leu­te” eine gro­ße Macht sein können. 

Dr. Ernst Kretz­schmar
Aus: Aller­lei aus AIt-Gör­litz,
Gör­litz­in­for­ma­ti­on 1988

(Die Gör­lit­zer, damals im Lesen “zwi­schen
den Zei­len” geübt, ent­deck­ten im
Text aktu­el­le Bezüge) 

Quel­le für Text und Bil­der: “Stadt­BILD März 2012” mit freund­li­cher Geneh­mi­gung vom Stadt­BILD-Ver­lag, Gör­litz.