Görlitzer Turmgeschichten — Der Nikolaiturm

Quelle: StadtBild-Verlag GörlitzDass auch die ältes­te Gör­lit­zer Stadt­an­la­ge schon befes­tigt war, unter­liegt kei­nem Zwei­fel. Sie wird kaum anders als durch Erd­wer­ke und Pali­sa­den aus­ge­führt gewe­sen sein. 

Eine Ver­stär­kung dürf­te nach Abschluss des Sechs­städ­te­bun­des im Jah­re 1346 erfolgt sein, der sich nach­drück­lich gegen das Raub­rit­ter­we­sen rich­te­te, ganz beson­ders aber nach Ein­füh­rung des Schieß­pul­vers, das die Gör­lit­zer seit etwa 1394 benutz­ten, und als Schutz gegen die furcht­ba­ren Angrif­fe der Hus­si­ten.

Der Drei­ßig­jäh­ri­ge Krieg, der der Stadt Gör­litz viel Unge­mach, nament­lich durch die Bela­ge­rung von 1641 brach­te, und die Wie­der­her­stel­lung der durch die Kriegs­wir­ren ent­stan­de­nen Schä­den sind der Aus­gangs­punkt für die Befes­ti­gungs­an­la­gen, die dann im wesent­li­chen bis etwa 1840 bestan­den haben.

Eine dop­pel­te, sel­ten drei­fa­che Mau­er zog sich um die gan­ze Stadt. Die inne­re war sehr stark, hat­te einen von Turm zu Turm lau­fen­den über­dach­ten Wehr­gang und Schieß­schar­ten. Die äuße­re, die den Wall­gra­ben und Zwin­ger, den man frü­her auch Par­chen nann­te, abschloss, hat­te kei­nen Wehr­gang, wohl aber zum Teil Schieß­schar­ten, und sie war auch noch außer­or­dent­lich hoch.

Der Gesamt­um­fang der Stadt­mau­er betrug 2.460 Meter. Die Ver­tei­di­gungs­fä­hig­keit der Mau­er wur­de, abge­se­hen von den auch als Wache und Aus­lug wich­ti­gen Tür­men, durch Bas­tei­en und Ron­del­le erhöht, von denen die ers­te­ren vier­eckig, die letz­te­ren rund waren. Bei­de hat­ten meh­re­re Stock­wer­ke mit Schießscharten,um nach jeder Rich­tung hin den sich annä­hern­den Feind unter wirk­sa­mes Feu­er neh­men zu können.

In der Zeit zwi­schen 1641 und 1763 hat­te die Gör­lit­zer Stadt­mau­er 13 Bas­tei­en und 19 Tür­me. 1476 sol­len nur 21 Bas­tei­en und Tür­me mit einer täg­li­chen Wache von 355 Mann unter 33 Haupt­leu­ten, vor­han­den gewe­sen sein. Sieb­zehn Büch­sen­ma­cher, 33 Hand­büch­sen und 68 grö­ße­re und klei­ne­re Geschüt­ze stan­den für die Ver­tei­di­gung zur Ver­fü­gung. Alle Bas­tei­en und Tür­me hat­ten bestimm­te Namen.

Quelle: StadtBild-Verlag GörlitzVom Niko­lai­turm soll hier die Rede sein. Frü­her gehör­te zu die­sem Turm auch das gleich­na­mi­ge Tor. Vom Niko­lai­tor, dem zweit­äl­tes­ten der Stadt, steht heu­te nur noch — sei­ner Mau­ern beraubt — der Turm, der kahl wie eine dicke Röh­re ‘gen Him­mel ragt. Das Tor wur­de bereits auf den ers­ten Blät­tern des alten Gör­lit­zer Stadt­bu­ches aus dem Jah­re 1305 erwähnt, ja, die Sage behauptet,es sei von Her­zog Sobies­laus 1131 erbaut wor­den. Nach alten Bil­dern und Plä­nen zu urtei­len, war es ein drei­fa­ches, über­aus star­kes Tor.

Das ers­te Tor führ­te von der Niko­lai­stra­ße durch die inne­re Stadt­mau­er, das zwei­te, das durch ein star­kes Fall­gat­ter bewehrt war, durch die Außen­mau­er des Zwin­gers, wäh­rend das drit­te Tor, das sich unter dem Tor­hau­se öff­ne­te, an den Gra­ben und die Zug­mau­er stieß.

Wenn die Zug­mau­er Quelle: StadtBild-Verlag Görlitzauf­ge­zo­gen war, war das Tor völ­lig ver­deckt. 1400 wur­de ein neu­es Tor­haus, an dem frü­her seit 1399 Hals­ei­sen befes­tigt waren, geschaf­fen. In die­ser Gestalt stand es wohl bis zum Brand im Jahr 1456, der das Tor auch bis zu den Umfas­sungs­mau­ern zer­stör­te. Schon im fol­gen­den Jahr wur­de es in der frü­he­ren Fes­tig­keit auf­ge­baut. Trotz man­chen Wet­ter­schla­ges und man­cher Ver­än­de­rung hielt es so vie­le lan­ge Jahre. 

Auch in Frie­dens­zei­ten war es bewacht. 1539 wur­de auf dem Turm ein Wäch­ter, der die Zeit anschlug, ein­ge­setzt. Ein sol­cher wur­de 1586 bei sei­nem Tun vom Blitz erschla­gen. Bis 1752 ging man außer­halb des Tur­mes über die Stadt­mau­er auf einer Trep­pe hin­auf zum Turm­stüb­chen. Erst danach wur­de unten am Boden eine Tür als Zugang eingebrochen.

In frü­he­ren Jah­ren hat­te der Niko­lai­turm eine goti­sche Spit­ze und auch mehr Zie­rat. Heu­te wird er oben nur von zwei Gurt­ge­sim­sen umzo­gen, und er trägt auch eine baro­cke Hau­be. 1848 wur­den die Tor­an­la­gen besei­tigt, seit­dem steht nur noch der Niko­lai­turm selbst mit sei­nen am Fuße 2,86 Meter dicken Mauern.

Im Okto­ber 1904 schaff­te die Stadt Gör­litz Tür­merstel­le ab. Das Läu­ten der Glo­cken geschah jetzt elek­trisch. Auch die NamenQuelle: StadtBild-Verlag Görlitz der zahl­lo­sen Tür­mer, die zum Wohl der Stadt Zeit und Feu­er anzeig­ten, sind längst vergessen.

In vie­len frei­wil­li­gen Arbeits­stun­den wur­de der Niko­lai­turm von 1971 bis 1980 instand­ge­setzt und beher­bergt heu­te neben vie­len ande­ren Expo­na­ten ein nach­ge­stal­te­tes Tür­mer­stüb­chen. Auch eine Turm­be­stei­gung ist mög­lich. Betreut und in Ord­nung gehal­ten vom Zir­kel Gör­lit­zer Hei­mat­for­scher e. V. ist der Niko­lai­turm eine klei­ne Gör­lit­zer Attrak­ti­on, von denen es noch vie­le in unse­rer Stadt gibt. ‑flor-
Mit freund­li­cher Geneh­mi­gung des Stadt­BILD-Ver­la­ges Görlitz

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