Als Wesermünde brannte — unbekannte Fotos aufgetaucht

Als Weser­mün­de brann­te — unbe­kann­te Fotos aufgetaucht

Es gibt schö­ne Erin­ne­run­gen und böse Erin­ne­run­gen. Die schö­nen Erin­ne­run­gen sind manch­mal ver­blasst, ver­schüt­tet in den Tie­fen unse­res Gedächt­nis. Scha­de! Aber es gibt auch die quä­len­den Erin­ne­run­gen, die tag­ein und tag­aus prä­sent sind, die man nie los wird. Sie sind immer da — die bösen Erinnerungen.

Bre­mer­ha­vens Stadt­his­to­ri­ker Dr. Man­fred Ernst hat über böse Erin­ne­run­gen ein Buch geschrie­ben. Ein Buch über böse kol­lek­ti­ve Erin­ne­run­gen. Es ist ein Buch über die Bre­mer­ha­ve­ner Bom­ben­nacht vom 18. Sep­tem­ber 1944.

Dr. Ernst hat kei­ne eige­nen Erin­ne­run­gen an die Nacht, in der die gro­ße Kata­stro­phe über Bre­mer­ha­ven (Weser­mün­de) her­ein­brach. Aber er kann sich an die Erzäh­lun­gen sei­ner Groß­el­tern erin­nern. Viel­leicht ja auch an Erzäh­lun­gen ande­rer Men­schen. Jeden­falls weiß Dr. Ernst zu berich­ten, dass sei­ne Groß­el­tern in der Keil­stra­ße 25 ein Geschäft hat­ten. Milch, But­ter und Käse konn­te man hier kau­fen. Aber nur bis zum 18. Sep­tem­ber 1944. Danach gab es kein Geschäft mehr — und auch kei­ne Milch, kei­ne But­ter und kein Käse mehr. Danach war das Nichts.Als Wesermünde brannte - unbekannte Fotos aufgetauchtDr. Ernst erzählt, dass er in der Bom­ben­nacht mit sei­nen Ange­hö­ri­gen im Kel­ler des Hau­ses Keil­stra­ße 25 geses­sen hat. Und als der Luft­an­griff vor­über war, gab es kei­ne St. Mari­en­kir­che mehr, und auch das Milch­ge­schäft war über den Köp­fen der im Kel­ler aus­har­ren­den Schutz­su­chen­den zusam­men­ge­bro­chen. Ohne frem­de Hil­fe hät­te es kein Ent­rin­nen gege­ben. Ein Mari­ne­sol­dat war es, der die Mut­ter, die Groß­el­tern und den ein­jäh­ri­gen Man­fred befreit hat. Anschlie­ßend ist die Fami­lie zur Klapp­brü­cke gelau­fen, dort fand sie Unter­schlupf in einem Röh­ren­bun­ker. Der Mari­ne­sol­dat, der unbe­kann­te Lebens­ret­ter, ist nie wie­der auf­ge­taucht, nie­mand weiß, woher er kam und wohin er ging.Als Wesermünde brannte - unbekannte Fotos aufgetauchtDr. Ernst hat nun vie­le Erin­ne­run­gen, pri­va­te und kol­lek­ti­ve, zu einem Buch zusam­men­ge­fasst. Es sind Erin­ne­run­gen von Lesern, die ihre ergrei­fen­den Erleb­nis­se auf­ge­schrie­ben und zum 60. Jah­res­tag des schreck­li­chen Luft­an­grif­fes an die Nord­see-Zei­tung gesandt haben.

Wer das Buch liest kann viel­leicht die Situa­ti­on der Men­schen vor dem Bom­ben­alarm nach­füh­len. Der Leser kann viel­leicht auch die Panik nach­emp­fin­den, die  die Men­schen über­kam, als die Bom­ben auf den Schutz­raum fie­len. Und viel­leicht kann er auch die Fas­sungs­lo­sig­keit der Men­schen begrei­fen, die voll­kom­men ori­en­tie­rungs­los waren, als sie wie­der ans Tages­licht kamen.Als Wesermünde brannte - unbekannte Fotos aufgetauchtDr. Man­fred Ernst wur­de bei sei­nen Recher­chen eben­so vom Bre­mer­ha­ve­ner Stadt­ar­chiv unter­stützt wie vom Hei­mat­bund der Män­ner vom Mor­gen­stern. Auch mit aus pri­va­ten Samm­lun­gen stam­men­des Bild­ma­te­ri­al konn­te Dr. Ernst sei­ne Recher­chen kom­plet­tie­ren. Gleich­wohl muss­te Dr. Ernst gegen­über der Nord­see-Zei­tung bedau­ern, dass eini­ge Fra­gen unge­klärt blie­ben: “Es gibt eini­ge Auf­nah­men, da konn­te mir bis­her nie­mand sagen, wo sie foto­gra­fiert wur­den, um wel­che Stra­ßen und Gebäu­de es sich han­delt. Viel­leicht gibt es ja noch Augen­zeu­gen, die sich erin­nern. Zwei Bil­der zei­gen Rui­nen irgend­wo in der Stadt, auf einem Bild ist eine Dro­ge­rie zu erken­nen – mög­li­cher­wei­se in Geest­e­mün­de. Und auf dem vier­ten Bild sei ein Platz abge­bil­det, auf dem zer­stör­te Fahr­zeu­ge gesam­melt wurden.”

Viel­leicht kön­nen Deich­SPIE­GEL-Leser wei­ter­hel­fen. Dann wäre es schön, wenn Ihr mit mir Kon­takt auf­neh­men würdet.

Der in einer Auf­la­ge von 1.500 Stück am 11. Sep­tem­ber 2014 erschie­ne­ne Gedenk­band ent­hält vie­le Brie­fe und Doku­men­te und mehr als 70 Fotos. 
Quel­len:
Nord­see-Zei­tung vom 18.07.2014
Dr. Man­fred ErnstAls die Stadt brann­te — Der 18. Sep­tem­ber 1944 in Bre­mer­ha­ven- Wesermünde
128 Sei­ten (gebun­de­ne Ausgabe)
Carl Schü­ne­mann Ver­lag | 19,90 Euro
ISBN 978–3–944552-31–6

4 Antworten

  1. Andreas Lange sagt:

    3. und 4. Bild dürf­te dort sein wo jetzt der Neu­bau der AOK ent­steht das Gebäu­de gegen­über ist repa­riert und steht heu­te noch

  2. Sabine Funk sagt:

    Das ers­te Bild, wür­de ich Weser­stra­ße tip­pen, das zwei­te könn­te evtl. süd/östliches Wuls­dorf gewe­sen sein. Ich mei­ne im Hin­ter­grund den Wohn­was­ser­turm zu erken­nen. Ande­re Hoch­häu­ser gab es ja sei­ner­zeit hier nicht.
    LG
    Sabine

  3. Sabine Funk sagt:

    Bild drei hier bei dir, ist Ecke “Bür­ger” und Schif­fer­stra­ße… Bild vier.. das Bild mit der Frau und dem Fahr­rad, Ecke Bür­ger und Bogen­stra­ße… es ist die sel­be Rui­ne nur von ver­schie­de­nen Seiten.
    LG
    Sabine

  4. Sabine Funk sagt:

    Zwei Bil­der kann ich zuord­nen. Bei Zwei­en habe ich nur eine Vermutung.
    LG
    Sabine

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