Kategorie: Gedichte

Wihnachtsmann

Von’n Wihnachtsmann

Mien gro­te Deern, mien lüt­te Deern
de möögt so geern Geschich­ten höörn.
Un kümmt de Wih­nachts­tiet nu ran,
ver­tell ik jem vun’n Wihnachtsmann.
Denn sitt se beid op mie­nen Schoot,
denn kiekt se beid mit Oogen groot.
Un in eer Oogen deep dar ünnen
staht all mien Geschich­ten binn´n.

Wihnachtsmann im Münchner Bilderbogen Nummer 50

De Wih­nachts­mann, mien söte Muus,
de hett dar but­ten rut sien Huus,
dar but­ten, wo de Tan­nen staht.
Dar sitt he in sien lüt­te Kaat
un kiekt. Un fangt dat an to sneen,
dann fleit he. Un denn — hest nich sehn!-
Denn kamt de Kreihn un jüm­mer mehr
mit Wark un Wark em vör de Döör
mit Wark un Wark, segg an, segg an
wat schüllt wi denn, ool Wihnachtsmann?

Denn set de Ool sien Piep bisiet
un seggt: dat ward nu Wihnachtstiet!
Denn steckt he an dree lan­ge Licht
un maakt een fier­lich Gesicht
un schüfft tohööcht sien gro­te Brill
–un all de swat­ten Kreihn sitt still.
Mien lee­ven Kreihn — so seggt he denn -
ji möt nu na de Stadt mal hen,
´neem ach­ter Wall un Steen vermuuert
de lee­ven Kin­ner lang all luuert.
Tellt se mi all! Ver­ge­et mi keen!
Dar sünd so veel mang Muur un Steen.
Un nu man gau, min lee­ven Kreihn
ik mutt denn groo­ten Sack noch neihn!

Wark! Wark! -
Nu wees mal still, mien söte Deern!
Kannst nich de Kreihn all tel­len höörn?

Quel­le:
Her­mann Clau­di­us (1878 – 1980) in Deut­sches Lese­buch für Volksschulen,
5. und 6. Schul­jahr, Aus­ga­be XII aus 1935
Ver­lag Moritz Dies­ter­weg, Frank­furt am Main

Die letzten schönen Tage

Wer konn­te heu­te im Haus blei­ben und dem viel­leicht letz­ten Son­nen­tag die Stirn bie­ten! Wer woll­te wohl der letz­ten Wär­me ent­sa­gen? Ich konn­te es nicht, mich trieb es hin­aus. Hin­aus, bevor die Win­ter­stür­me kom­men und für eine lan­ge Zeit das Kom­man­do über­neh­men. Hin­aus, bevor die Tage nur noch grau sind und der nächs­te Som­mer weit.

Das Gedicht “Herbst­tag” von Rai­ner Maria Ril­ke fiel mir ein. Und heu­te war ich froh, dass wir frü­her in der Schu­le Gedich­te aus­wen­dig ler­nen muss­ten. Und wäh­rend ich das Gedicht lei­se rezi­tier­te, nahm ich mei­ne Kame­ra und foto­gra­fier­te die­sen wun­der­schö­nen alten Baum.

Herbsttag

Herbst­tag

Herr: Es ist Zeit. Der Som­mer war sehr groß.
Leg dei­nen Schat­ten auf die Son­nen­uh­ren
und auf den Flu­ren lass die Win­de los.

Befiehl den letz­ten Früch­ten reif zu sein
gib Ihnen noch zwei süd­li­che­re Tage
dräng sie zur Voll­endung hin und jage
die letz­te Süße in den schwe­ren Wein.

Wer jetzt kein Haus hat, baut sich kei­nes mehr
wer jetzt allein ist, wird es lan­ge blei­ben,
wird lesen, wachen, lan­ge Brie­fe schrei­ben
und wird auf den Alleen hin und her
unru­hig wan­dern, wenn die Blät­ter treiben.

Das Ei

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literaturmuehle von Horst Zie­gert, gebo­ren 1929 in Gör­litz Aus: “Gereim­tes aus dem All­tag”
Mit freund­li­cher Geneh­mi­gung Lite­ra­tur­müh­le Ver­lags­ge­sell­schaft mbH,
93473 Arn­schwang

Was würden Sie tun, wenn Sie das neue Jahr regieren könnten?

Ringelnatz

Ich wür­de vor Auf­re­gung wahr­schein­lich
Die ers­ten Näch­te schlaf­los ver­brin­gen
Und dar­auf tage­lang ängst­lich und klein­lich
Ganz dum­me, selbst­süch­ti­ge Plä­ne schwin­gen.

Dann – hof­fent­lich – aber laut lachen
Und end­lich den lie­ben Gott abends lei­se
Bit­ten, doch wie­der nach sei­ner Wei­se
Das neue Jahr gött­lich sel­ber zu machen.

von Joa­chim Rin­gel­natz aus “Aller­dings”
1. Auf­la­ge 1928 im Rowohlt-Verlag

Der Weihnachtsbraten

Der Weih­nachts­bra­tenDer Weihnachtsbraten Im Win­ter, um die Weihnachtszeit, 
wenn ’s kalt wird und auch manch­mal schneit, 
dann kann man ’s schier nicht mehr erwarten, 
man freut sich auf den Festtagsbraten.

Die Schlank­heits­kur ist längst vergessen, 
man denkt schon wie­der nur ans Essen. 
Die Küche hat jetzt ungeniert 
die Haus­frau für sich reserviert, 
und wagst du den­noch dich hinein, 
da fängt sie auch schon an zu schrei’n:

Die Fin­ger weg, das wird ein Kuchen, 
du hast hier drin gar nichts zu suchen!” 
In ihrem Reich steh’n Schüs­seln, Teller, 
gesta­pelt bis fast untern Söller.

Die Gans, die noch vor ein paar Wochen 
auf einer Wie­se rumgekrochen, 
mit viel Geschnat­ter, quack, quack, quack — 
grad wie im Deut­schen Bundestag — 
ist nackt, man hört sie nicht mehr schrei ’n,
gleich kommt sie in das Back­rohr rein.

Es riecht und duf­tet schon seit langem, 
das was­ser läuft im Mund zusammen. 
Nun ist ’s soweit, erwartungsvoll 
stopft jeder sich den Ran­zen voll.

Die Klö­ße, Rot­kraut, all die Sachen, 
die Gän­se­bra­ten schmack­haft machen, 
sind, weil sie doch so köst­lich munden, 
schnell auf­ge­ges­sen und verschwunden.

Dazu ein Wein vom allerbesten, 
wie das so ist bei sol­chen Festen. 
Zum Schluss kommt auch noch ein Dessert, 
und jeder stöhnt:”Ich kann nicht mehr!”

Die Gans, sie war wohl etwas fett, 
drum willst Du erst mal zum Klosett, 
ver­suchst ver­zwei­felt aufzusteh’n,
es will und will ein­fach nicht geh’n.

Belus­tigt schon die andern gucken, 
ver­giss das Klo. Bleib lie­ber hocken. 
Jetzt kommt der Kaf­fee und der Kuchen, 
man kann ja noch ein Stück versuchen.

Jedoch beim drit­ten Stück­chen Torte 
zieht ’s dich erneut zu jenem Orte, 
der dich erleich­tert und befreit, 
von Blä­hung und von Völligkeit.

Bist du dann end­lich aufgerappelt, 
ein paar Schritt vor die Tür getappelt, 
da kommt, wie könnt ’s auch anders sein, 
das Abend­essen schon herein. 
Ein schö­ner Bra­ten und auch Soße: 
”Pass auf, spritz nur nichts auf die Hose!”

Ein Häpp­chen da und eins von hier, 
ein Lachs­brot und auch ein Glas Bier, 
dann noch ein Würst­chen und ein Ei, 
ein Käse­brot ist auch dabei.

Dann wird ein Obst­ler noch serviert, 
dass die Ver­dau­ung funktioniert. 
Dazu kommt noch ein Gla­serl Wein 
und gleich ein zwei­tes hintendrein.

Jetzt kommt auch noch ein Eis daher: 
”Das schaff’ ich ganz bestimmt nicht mehr!” 
So geht das nun schon ein paar Tage, 
beängs­tigst denkst Du an die Waage.

Am nächs­ten Mor­gen, da geht ’s los: 
Es passt der Arsch nicht in die Hos’. 
Die Blu­se ist nun auch zu klein, 
wie  kommt ’s, was kann nur Schuld dran sein?

Ab über­mor­gen, das ist klar, 
wird abge­speckt ein gan­zes Jahr, 
geplagt rufst du mit viel Gestöhn: 
”Essen und Trin­ken ist doch schön!”

von Horst Zie­gert, gebo­ren 1929 in Görlitz 
In: Gereim­tes aus dem Alltag. 
Lite­ra­tur­müh­le Arn­schwang 2010
Mit freund­li­cher Geneh­mi­gung Lite­ra­tur­müh­le Ver­lags­ge­sell­schaft mbH, 93473 Arnschwang

In dieser Jahreszeit will es nicht Tag werden

Ein Tag, der nicht hell wer­den will. Ich mag die­se Nebel ver­han­ge­nen Novem­ber­ta­ge, an denen es der Son­ne nicht gelingt, den wei­ßen Vor­hang der Natur zu durch­drin­gen. 

24.11.2012, Hauptbahnhof Bremerhaven, Bahnsteig 3 | Foto: Hermann Schwiebert

Weit und breit ist kein Mensch auf dem Bahn­steig zu sehen, alles wirkt wie ein­ge­fro­ren. Selbst der Ver­kehrs­lärm der nahen Stra­ße dringt nur gedämpft zum Bahn­steig durch. Manch­mal ertönt das Nebel­horn eines Schif­fes, das sich sei­nen Weg durch den Hafen suchen mag. Die feuch­te Luft dringt durch die Klei­dung und lässt mich frös­teln! Ich erin­ne­re mich an ein Gedicht von Her­mann Hesse:

Im Nebel

Selt­sam, im Nebel zu wan­dern!
Ein­sam ist jeder Busch und Stein,
Kein Baum sieht den andern,
Jeder ist allein.

Voll von Freun­den war mir die Welt,
Als noch mein Leben licht war;
Nun, da der Nebel fällt,
Ist kei­ner mehr sichtbar.

Wahr­lich, kei­ner ist wei­se,
Der nicht das Dun­kel kennt,
Das unent­rinn­bar und lei­se
Von allen ihn trennt.

Selt­sam, Im Nebel zu wan­dern!
Leben ist Ein­sam­sein.
Kein Mensch kennt den andern,
Jeder ist allein. 

Nach Weihnachten

 

Nach Weih­nach­ten

Ver­glimmt sind die Lich­ter am Weihnachtsbaum, 
Und Tan­nen­duft erfüllt den Raum, 
Ver­stummt der größ­te Kinderjubel, 
Und aus­ge­tobt der Christnachtstrubel, 
Ver­klun­gen das „ Stil­le Nacht, hei­li­ge Nacht”, 
Die Fest­tags­schüs­seln sind leergemacht.

Von Karp­fen, Wurst und Heringssalat, 
Und was es sonst Rares gege­ben hat. 
Bald geht es wie­der im alten Gang, 
Man sitzt nicht mehr die Näch­te lang, 
Man schleppt sich nicht mehr mit Paketen, 
Auch Heim­lich­keit nicht mehr vonnöten.

Doch war die Zeit voll zar­ten Sorgen 
Mir lie­ber als der Weihnachtsmorgen; 
Denn Jeder weiß nun was er hat. — 
Doch — wur­den alle Wün­sche satt? 
Ich wollt’, ich könnt’ ein Maler sein, 
Um die Geschich­ten groß und klein, 
Am Weih­nachts­abend zu gestalten, 
Und ihren Aus­druck festzuhalten.

Was hätt’ ich alles da zu malen! 
Hier dank­ba­res, glück­se­li­ges Strahlen, 
Dort weh­mut­vol­le Freudentränen 
Und hei­ßes, unge­still­tes Gähnen. 
Hier glück­li­che Zufriedenheit, 
Dort Trotz, Ent­täu­schung, sche­ler Neid!

Die sich am aller­meis­ten freuten, 
Steh’n heut bei unzufried’nen Leuten, 
Und die auf wei­ter nicht gehofft, 
Das sind die Reichst­be­schenk­ten oft. 
Die segen­volls­te Weihenacht 
Hat der der vie­le frohgemacht —

Wie heut, so fühlt man nir­gends mehr 
Dass geben doch weit seliger. 
Doch hat das Schen­ken sei­ne Mucken — 
Wer kann auch gleich ins Her­ze gucken? 
Du schen­kest dei­nem Schatz ein Kleid — 
Sie wünsch­te eine Kleinigkeit 
Von Ame­thys­ten und Rubinen;

Dar­um die sau­er­sü­ßen Mienen, 
Drum leis­ten sie sofort Verzicht, 
Als Männ­chen vom Thea­ter spricht. 
Du wähl­test wohI marineblau, 
Sie aber dach­te: mausegrau. 
Der Fächer im RokokostiI — 
Er lässt die Hol­de gänz­lich kühl.

Du weißt es nicht, sonst weiß es Jeder: 
Sie schwärmt doch stets für Straußenfeder. 
Der Onkel wähl­te für die Nichte 
Carl Geroks herr­li­che Gedichte — 
„Nein, wie geschmack­los! Wel­cher Hohn! 
Sind wir denn noch in Pension?

So was mag wohl ein – Back­fisch lesen 
Noch bes­ser passt ’s für ’n Küchenbesen.” 
Jedoch das heu­ti­ge Geschlecht, 
Kennt „Neue Bah­nen” nur als echt; 
Die wah­re Kunst liegt im Roman 
Von “Zola oder — Sudermann.”

Auch bei dem lie­be­vol­len Neffen, 
Ist’s gar sehr schwer, das Rech­te treffen. 
Ein Hun­dert­mark­schein ist willkommen, 
Doch wer­den mehr’ auch angenommen. 
Nun, freut denn Nie­mand sich so recht? 
Die Kin­der­freu­de ist doch echt?

Ach — lie­ber Freund  — es wird mir schwer 
Zu sagen: Kin­der gibt ‘s kaum mehr. 
Ein Kind, das recht sich freu­en kann 
Ist rar, und wir — sind schuld daran. 
Wir machen ihre Wun­sche groß 
und ihre Weih­nacht — weihelos.

Doch still’, ich will nicht wei­ter klagen, 
Will auch nicht viel von jenen sagen, 
Die reich bedacht zur Weihnachtszeit. 
Durch christ­li­che Barmherzigkeit, 
Und die dafür, anstatt zu danken, 
Auf Gaben und auf Geber — zanken.

Und doch hat unterm Weihnachtsbaum 
Noch so unend­lich Lie­be Raum. 
Ich weiß manch’ Stüb­chen, klein und stille, 
Da wohnt das Glück in rei­cher Fülle, 
Ob auch die Gabe noch so klein — 
Das macht: Die Her­zen waren rein 
von Neid und von Begehrlichkeit; 
Da gab es sel’ge Weihnachtszeit!

Von Emil Bar­ber,  Görlitz 
In: Gör­lit­zer Dichterheim. 
Ver­lag Eugen Mun­de, Gör­litz 1903
Mit freund­li­cher Geneh­mi­gung Stadt­BILD-Ver­lag Görlitz.