Kein weiteres Jubiläum für Modehaus Specht
Es ist gerade zwei Jahre her, dass der DeichSPIEGEL dem Modehaus Specht zum 125-jährigen Jubiläum gewünscht hat, gut über die nächsten hundert Jahre zu kommen. Aber leider wird es kein weiteres Jubiläum geben – das Traditionsgeschäft Specht in Geestemünde muss wegen Krankheit schließen.
Im Jahre 1889 gründeten Gustav und Magdalena Specht das Traditionsgeschäft Specht. Eine vergilbte Zeitungsanzeige erinnert heute noch an die ersten Jahre des kleinen Warenhauses in der Georgstraße 36 in Geestemünde. Garne, Strickereien, Wollwaren und Trikotagen wurden damals in der Zeitung offeriert. Daneben gab es auch Kleidung für die Dame, den Herrn oder die Kinder zu kaufen.
Als die Firmengründer sich aus dem Betrieb zurückzogen, übernahm Sohn Georg den Betrieb und führte ihn gemeinsam mit seiner Schwester Hanna führte. Georg kam nicht aus dem Krieg zurück, und fortan musste Hanna das Geschäft alleine weiterführen. Auch als das Haus ausgebombt wurde und der Betrieb umziehen musste, gab Hanna Specht nicht auf. Sie heiratete Walter Birkenfeld, und gemeinsam steuerten sie das Familienunternehmen durch die Nachkriegsjahre. Im Jahre 1955 konnten sie in die Georgstraße 36 zurückkehren.
Der nächste Wechsel stand im Jahre 1964 an. Der im Krieg gefallene Georg hinterließ einen Sohn, Gustav-Georg. Der heiratete seine Gerda und übernahm als dritte Generation das Geschäft. Gustav-Georg und Gerda passten das Geschäft dem Zeitgeist an und machten aus dem Textilhaus ein reines Damenmodehaus. 1978 ließen sie den Laden grundlegend umbauen. Die Außenfassade zierten nun fünf halbrunde Markisen.
Im Jahre 2003 starb Gustav-Georg Specht. Nun war Tochter Nicole Schüßler an der Reihe, das alteingesessene Modehaus weiterzuführen. Mutter Gerda Specht unterstützt sie dabei ebenso tatkräftig, wie die fünf langjährigen Mitarbeiterinnen. Doch trotz der stets positiven Entwicklung muss das Geestemünder Traditionsunternehmen jetzt schließen. Eine Erkrankung zwingt die Urenkelin des Firmengründers zur Geschäftsaufgabe.
Nicole Schüßler hat ihre 2.200 treue Stammkunden bereits mit einem Brief über die Schließung des Geschäftes informiert. Viele sind gekommen, um sich zu verabschieden. Mit Kuchen in den Händen und Tränen in den Augen: “Wo soll ich denn künftig hingehen?”, lautet in diesen Tagen eine oft traurig gestellte Frage. Keine Selbstverständlichkeit in Zeiten, in denen mehr und mehr über das Internet eingekauft wird.
Nicole Schüßler hat ihr Geschäft zum Kauf angeboten. Nicht einfach zu begreifen für ihre 75-jährige Mutter Gerda, die ja schon seit 1964 im Laden steht. Aber bis jetzt hat sich noch niemand für das alteingesessene Geschäft interessiert. Würde sich ein Nachfolger finden, Nicole Schüßler würde sich nicht freuen – sie würde schreien vor Glück.
Quellen:
Jubiläumsanzeige im Sonntagsjournal vom 06.04.2004
S. Schierwater, Modehaus schließt nach 127 Jahren, Nordsee-Zeitung vom 24.5.2016