Geestemünde in alten und neuen Ansichten — Teil 9
Eine Serie widmet der DeichSPIEGEL “Geestemünde in alten und neuen Ansichten”. Mein ganz besonderer Dank gilt Frau Oda Kelch. Sie hat ihre alten Bilder und Erinnerungen auf ihrer Facebook-Seite veröffentlicht. Nachdem ich Euch im 6. Teil dieser Serie das Haus Georgstraße 43 vorgestellt habe, zeige ich Euch heute das Haus Georgstraße 41.
Die Bremer Landstraße war ursprünglich der einzige Verbindungsweg von Geestemünde nach Bremen. Diese Straße, die später in “Georgstraße” umbenannt werden sollte, war von kleinen Häusern gesäumt, wie man sie zu damaliger Zeit in dörflichen Gegenden vorfand. Etwa ab 1860 begann man, die Georgstraße zu einer Hauptverkehrsstraße auszubauen. Geestemünde wuchs und vereinigte sich 1889 mit Geestendorf. Die Georgstraße wurde nun auch Geschäftsstraße. Die Straße war so breit, dass hier bis 1887 der Wochenmarkt stattfand.
Für das folgende Bild habe ich keine Jahresangabe, aber es scheint ebenfalls zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstanden zu sein. Auf jeden Fall weiß Oda Kelch über dieses Haus der Familie Harzmeyer, das direkt an das Haus der Familie Knoblauch grenzt, viel Interessantes zu erzählen. Einige Erinnerungen möchte ich meinen Lesern nicht vorenthalten:
Mittendrin entstand also auch das Wohn- und Geschäftshaus Geoergstraße 41, in dem Hermann H. Harzmeyer eine Schuhmacherei und ein Schuhgeschäft betrieb. Das Haus besticht durch seine Wuchtigkeit und dem Türmchen, das leider bereits vor dem Krieg verschwunden war. Links von der Ladentür befand sich eine Einfahrt, die zu den Hinterhöfen führte. Dort befanden sich die Stallungen für die Pferdefuhrwerke.
In der Einfahrt selbst befand sich der Zugang zum Treppenhaus. Wie auf einer großen Wendeltreppe führte der Weg hinauf in die oberen Stockwerke. Auf halber Treppe zwischen den Stockwerken befanden sich Stufen, die zu einem Balkon mit Toiletten führten. Morgens trug man den Nachttopf quer durch das Haus, um ihn in der Toilette zu entleeren. Im Winter wurde mit einem Holzkohlenfeuer verhindert, dass die Toiletten einfrieren.
Den Abschluss des Treppenhauses bildete eine große runde Kuppel, wie sie in Pariser Warenhäuser üblich waren – allerdings nicht so schön. Durch die kleinen Fenster fand nur wenig Tageslicht seinen Weg in die Wohnungen, die mit Holzfußböden ausgestattet waren, wie sie früher in Schulen üblich waren. Wer sich für weitere Erinnerungen interessiert, kann sie bei Facebook nachlesen.
Aber plötzlich war es mit der Idylle in der Georgstraße vorbei. Das Jahr 1944 sollte auch für die Bewohner der Georgstraße zu einem Schicksalsjahr werden. Bereits fünf Kriegsjahre hatte der Stadtteil Geestemünde ohne größere Schäden überstanden. Bis auf ein paar Sprengbomben, die das Viertel um die Schillerstraße trafen, blieb Geestemünde von Luftangriffen verschont.
Aber die Ruhe war trügerisch. Es war der 18. September 1944: “…ein strahlend schöner und warmer Spätsommertag, so recht geeignet, alles kriegerische Geschehen vergessen zu machen…”, sollte später Heinrich Kloppenburg mit seiner Schreibmaschine notieren. Dass sich an diesem Tage 206 Lancasterbomber der Royal-Air-Force aufmachten, um Bremerhaven komplett zu zerstören, ahnte niemand. Der schreckliche Luftangriff überraschte wohl alle.
Heinrich Kloppenburg notierte über die Zeit nach dem Angriff, dass die zur Stadt führende Chaussee mit ausgebrannten Stabbrandbomben geradezu übersät war. Die ganze Stadt sei eine einzige zusammenhängende Brandstätte gewesen. Straßenzeile auf Straßenzeile wiesen nur leere Fassaden ausgebrannter Häuser auf. Besonders die Hauptverkehrsstraßen, die Georg- und die Borriesstraße, sollen einen trostlosen Anblick geboten haben, da sie vor allem mit ihren größeren Bauten der Zerstörung restlos anheimgefallen seien.
Die Enttrümmerung der Stadt war eine dringende Aufgabe in der Nachkriegszeit. Durch Aufrufe der Militärregierung und durch Verordnungen des Arbeitsamtes wurden Männer und Frauen zur Enttrümmerung herangezogen. Auch 262 Schüler und Schülerinnen sowie 13 Lehrerinnen und Lehrer der Humboldtschule stellten sich für diesen kräftezehrenden freiwilligen Arbeitseinsatz zur Verfügung. Die Bremerhavener ließen sich nicht “kleinkriegen”, ihr Wille, die Ärmel hochzukrempeln und anzupacken, war bemerkenswert. Nun beginnt auch in Bremerhaven die Zeit des sogenannten Wirtschaftswunders.
Als am Ende des Zweiten Weltkrieges über 50% des Wohnraumes in Wesermünde zerstört waren, hatten mehr als 30.000 Menschen kein Dach mehr über ihren Kopf. Und nach dem Wiederaufbau war die Georgstraße nicht mehr wiederzuerkennen — wie so viele Straßen und Städte nach dem Krieg.
Den Ruf einer Einkaufsstraße hat die Georgstraße längst verloren. Hauptsächlich eilige Autofahrer rasen achtlos durch die einst so prachtvolle Straße.
Wie immer vielen Dank an Frau Oda Kelch für Ihre unermüdliche Hilfe, diesen Artikel zu schreiben.
Quellen:
Oda Kelch
zum.de
Sehr schöne Bilder und toller Bericht.
Schade, dass meine Mutter nicht mehr lesen kann.
War in Speckenbuettel Geboren und Aufgewachsen, seid vielen Jahren lebe ich in der U.S.A. Bedanke mich fuer ihre Super Seiten, Stoeber jeden Morgen nun Dank Ihnen in Bremerhaven rum. Ein Forhes Osterfest Ihnen, Evelyn und Guenter Nieken.
Oh, da freue ich mich aber sehr, dass Ihnen meine Beiträge gefallen. Ich wünsche Ihnen auch noch frohe Ostertage. Ich habe grade mit meinem Freund in Florida telefoniert, dort ist das Wetter sehr schön. Wo leben Sie?
Danke fuer diesen Artikel — freue mich immer wieder, wenn ich etwas ueber die geschichte Bremerhavens lesen kann und finde es besonders schoen, wenn auch noch Fotos dabei sind.
Hallo Frau Holthaus,
ich danke sehr für Ihren Kommentar. Wenn ich ein Feedback bekomme, dann weiß ich, dass meine Artikel Freude bereiten.
Liebe Grüße von der Unterweser
Hermann Schwiebert
Ja ich bin der gleichen Meinung Geschichte und Bilder sind sehr intresant würde mich freuen wenn man mehr Bilder sehen kann vor allem Georgstr 30/32 dort wohne ich hat jemand eine Idee wie man mehr Info bekommen kann und wo? Bauamt?
Sehr gut gemachter und eindrücklicher Artikel über eine Straßen und wichtige Aspekte der Stadtgeschichte!