Kategorie: Firmengeschichten

Aus schweren Holzkisten wurden leichte Pappkartons — Umzugsspedition Max Herzke

Ein Umzug will gut vor­be­rei­tet sein: Kar­tons müs­sen gepackt, Hel­fer zum Tra­gen gefun­den und der Trans­port orga­ni­siert wer­den. Doch trotz bes­ter Pla­nung läuft nur sel­ten alles rund, bis das eige­ne Hab und Gut sicher im neu­en Zuhau­se ver­staut ist.

Umzugsspedition Max Herzke, Lüneburg

In Lüne­burg befand sich inmit­ten der Alt­stadt die Spe­di­ti­on Herz­ke in der Salz­brü­cker Stra­ße 24. Doch die Spe­di­ti­on hat­te nicht immer hier ihren Sitz; ange­fan­gen hat­te alles im Jah­re 1928 in Bromberg/Posen.

Die Möbel­spe­di­ti­on Max Herz­ke in Brom­berg
Infol­ge des Ver­sailler Ver­tra­ges wur­de die in der preu­ßi­schen Pro­vinz Posen gele­ge­ne Hei­mat­stadt Brom­berg 1919 vom Deut­schen Reich abge­trennt und an das neu gegrün­de­te Polen abge­tre­ten. Nach 1920 wan­der­te durch den Weg­zug des deut­schen Beam­ten­ap­pa­ra­tes, des deut­schen Mili­tärs und ihrer Fami­li­en ein Groß­teil der deut­schen Ein­woh­ner­schaft nach Deutsch­land ab.Die frü­he­re deut­sche Mehr­heit schrumpf­te infol­ge der Aus­wan­de­rungs­wel­le und der Ent­eig­nung deut­schen Besitzes

F. Wodtke

durch den pol­ni­schen Staat zu einer Min­der­heit. 1928 ver­ließ auch der Spe­di­ti­ons­un­ter­neh­mer F. Wodt­ke die Stadt Brom­berg, um “ins Reich” zu gehen.

Max Herz­ke (1890–1966), der in sei­ner Lehr­fir­ma F. Wodt­ke bis­her als Geschäfts­füh­rer und Pro­ku­rist gear­bei­tet hat, über­nahm die Spe­di­ti­ons­fir­ma. Ein gro­ßer Teil der dama­li­gen Auf­trä­ge bestand aus Umzü­gen von Optan­ten. Bis zum 21. Janu­ar 1945 erfüll­te Max Herz­ke mit 30 Ange­stell­ten, 25 Pfer­den und 36 Wagen sei­ner Kund­schaft jeden Auf­trags­wunsch, der ihn mit­un­ter bis nach Ost­preu­ßen führ­te. Doch im Früh­jahr 1939 ver­ließ auch die Fami­lie Herz­ke die Stadt Brom­berg und fand bei Ver­wand­ten im Reich Auf­nah­me. Dann brach der Zwei­te Welt­krieg aus, und Polen wur­de von den Deut­schen besetzt. Max Herz­ke kehr­te nach Brom­berg zurück und nahm sei­nen Betrieb wie­der auf. Nun hat­te er 36 Wagen und zwei Zug­ma­schi­nen, mit denen er sei­ne Spe­di­ti­ons­auf­trä­ge erle­dig­te, bis die Fami­lie im Janu­ar 1945 Brom­berg end­gül­tig ver­las­sen musste.

Max Herz­ke floh mit sei­ner Frau Hed­wig und sei­nen Töch­tern Rose­ma­rie und Ursu­la west­wärts durch Pom­mern, über die Oder und quer durch Meck­len­burg. Mit nur noch vier Pfer­den und zwei Wagen erreich­ten sie nach 56 Tagen Flucht am 17. März 1945 ihre Ver­wand­ten in Lüneburg.

Die Möbel­spe­di­ti­on Max Herz­ke in Lüne­burg
Da das Was­ser­werk der Stadt zer­stört wor­den war, hieß es für Max Herz­ke nach sei­ner Ankunft: “Anspan­nen und Was­ser aus­fah­ren.” Hier­bei unter­stütz­ten ihn tat­kräf­tig sei­ne bei­den Töch­ter, die neben ihrem Vater auf dem Kutsch­bock geses­sen, Was­ser aus­ge­fah­ren und so die Stadt ken­nen­ge­lernt haben.

Schnell wur­de der Flücht­ling Max Herz­ke in der Lüne­bur­ger Bevöl­ke­rung beliebt. In Nacht- und Nebel­ak­tio­nen half er Lüne­bur­ger Bür­gern, ihre wert­vol­len Möbel aus ihren vom bri­ti­schen Mili­tär beschlag­nahm­ten Woh­nun­gen zu schmuggeln.

Eine unend­li­che Zahl Men­schen – auf der Flucht aus Ost­preu­ßen, Schle­si­en, Pom­mern kom­mend — ström­ten gen Wes­ten und such­ten auch in Lüne­burg eine Blei­be. Die Woh­nungs­not war unbe­schreib­lich groß.

So soll­ten auch Herz­kes in Lüne­burg zunächst kei­ne eige­ne Unter­kunft fin­den und quar­tier­ten sich bei einem Vet­ter in der Uelz­e­ner Stra­ße ein. Aber es dau­er­te nicht lan­ge, bis bri­ti­sche Offi­zie­re die­se Woh­nung für sich in Anspruch nah­men. Nun blieb Herz­kes nichts ande­res über, als am Lam­ber­ti­platz im gelie­he­nen Möbel­wa­gen eines Kol­le­gen zu logie­ren. Erst im Dezem­ber 1945 konn­ten sie ein eige­nes Zim­mer beziehen.

Doch es soll­ten auch wie­der schö­ne­re Tage kom­men. Kurz nach der Wäh­rungs­re­form hei­ra­te­te Toch­ter Ursel 1948 ihren aus Zop­pot im Gebiet der Frei­en Stadt Dan­zig stam­men­den Ger­hard Gohr. Ger­hard Gohr mach­te in Lüne­burg sein Abitur nach und wur­de — wie sei­ne Frau und sei­ne Schwä­ge­rin – Speditionskaufmann.

Nun ging es auch mit dem Betrieb wie­der auf­wärts. Ein Möbel­wa­gen-Anhän­ger wur­de gekauft, der erst von einer gelie­he­nen Zug­ma­schi­ne, dann von einem gekauf­ten Mili­tär­last­wa­gen gezo­gen wurde. 

Nach sie­ben Jah­ren ohne eige­nen fes­ten Wohn­sitz ver­bes­ser­te sich 1950 auch die Wohn­si­tua­ti­on. Die Fir­ma Max Herz­ke mie­te­te sich in das 1604 erbau­te und durch einen Luft­an­griff schwer beschä­dig­te ehe­ma­li­ge Pfarr­haus der St. Michae­lis­kir­che an der Salz­brü­cker Stra­ße ein. Im Fol­ge­jahr war es der Fami­lie Gohr-Herz­ke mög­lich, der Klos­ter­kam­mer Han­no­ver das rund 5000 Qua­drat­me­ter gro­ße Grund­stück   abzukaufen.

In den 1950er Jah­ren mach­te die Fir­ma Umzü­ge für Flücht­lin­ge, die anfangs in not­dürf­ti­gen Unter­künf­ten leb­ten, inzwi­schen aber in ande­ren Tei­len des Bun­des­ge­bie­tes Anstel­lung und Woh­nung gefun­den hat­ten. Auch aus­ge­bomb­te Ham­bur­ger, die zurück in ihre Hei­mat­stadt woll­ten, nah­men Herz­kes Diens­te in Anspruch. Es gab so vie­le Auf­trä­ge, dass im Unter­neh­men Tag und Nacht gear­bei­tet wer­den musste. 

Spedition Max Herzke: Ohne Servo-Lenkung und mit dem riesigen Lenkrad

In den 1960er Jah­ren begann der Auf­stieg der Fir­ma Max Herz­ke unauf­halt­sam zum größ­ten Umzugs­un­ter­neh­men der Stadt Lüne­burg. Drei Last­zü­ge mit Anhän­ger, die sozu­sa­gen das Lüne­bur­ger Stadt­bild präg­ten, waren mitt­ler­wei­le im Ein­satz. Aber es ging noch höher hin­auf: Wäh­rend der sech­zi­ger und sieb­zi­ger Jah­re kauf­te das Unter­neh­men die Möbel­spe­di­tio­nen Wil­le, C. L. Schrö­der und Bahn­cke auf. In ihren bes­ten Jah­ren betrieb die Fir­ma fünf Züge und beschäf­tig­te zwan­zig Mitarbeiter.

Nach­dem Tod Max Herz­ke im Jah­re 1966 lei­te­ten sei­ne Töch­ter das Spe­di­ti­ons­ge­schäft, mit dem sie seit Kin­der­ta­gen gut ver­traut waren. Noch 1985 waren in dem dama­li­gen Fami­li­en­be­trieb zehn Arbei­ter beschäf­tigt, die mit zwei Last­kraft­wa­gen mit Hän­gern Möbel jeder Art im Inland und ins Aus­land beförderten.

Ursu­la Gohr-Herz­ke beglei­te­te ihren Mann Ger­hard Gohr oft ins Aus­land, wie etwa nach Frank­reich oder Süd­ita­li­en. Ger­hard Gohr hat auch das Fir­men­em­blem ent­wor­fen, das den Ein­gang und die Last­zü­ge schmückt. Das Erken­nungs­zei­chen ist ein Herz mit den Initia­len des Fir­men­grün­ders Max Herz­ke, weil die­ser schon 1955 mit viel Herz bei der Sache war, wenn es hieß, den Lüne­bur­ger Bür­gern bei Umzü­gen zu helfen.

Im Jahr 2003 starb Max Herz­kes älte­re Toch­ter Rose­ma­rie von Ren­ner. Kin­der und Enkel­kin­der hat­ten ande­re Beru­fe ergrif­fen. So ver­kauf­te Ursu­la Gohr-Herz­ke die Möbel­wa­gen und leg­te die Fir­ma still.

Noch steht der Name Max Herz­ke am Haus an der Salz­brü­cker Stra­ße 24, doch besteht auch für die Ehe­leu­te Gohr-Herz­ke kein Zwei­fel, dass auch dies bald Geschich­te sein wird. Vor Weih­nach­ten hat­te ich Gele­gen­heit, mit der mitt­ler­wei­le über 90 Jah­re alten Frau Ursu­la Gohr-Herz­ke ein kur­zes Tele­fon­ge­spräch füh­ren zu dür­fen. Mit net­ten Wor­ten erzähl­te sie mir, dass kei­ne Umzü­ge mehr getä­tigt wer­den und die Max Herz­ke GmbH nur noch das fir­men­ei­ge­ne Ver­mö­gen ver­wal­te. “Wenn wir mal nicht mehr sind, dann ist auch das vor­bei”, erzähl­te mir Ursu­la Gohr-Herz­ke. Und dann wird im Lüne­bur­ger Tele­fon­ver­zeich­nis wie­der ein Tra­di­ti­ons­na­me gelöscht werden.

Ger­hard Gohr und Ursu­la Gohr-Herz­ke sind schon vor lan­ger lan­ger Zeit in Lüne­burg ange­kom­men. Zwei­mal waren sie inzwi­schen in Brom­berg zu Besuch, doch sind sie nach eige­nem Bekun­den Lüne­bur­ger gewor­den und möch­ten Lüne­bur­ger bleiben.

Quel­len:
Wir fin­gen ganz von vor­ne an!” Sied­lungs­bau und Flücht­lings­in­te­gra­ti­on im Groß­raum Ham­burg 1945 – 1965
mit freund­li­cher Geneh­mi­gung des Her­aus­ge­bers Tho­mas Schür­mann
Das Ost­preu­ßen­blatt” vom 16.11.1985, Sei­te 11

Schokoladen- und Zuckerfabrik Mattke und Sydow

Schokoladen- und Zuckerfabrik Mattke und Sydow

1894 grün­de­ten die bei­den Kauf­leu­te Wil­helm Matt­ke und Her­mann Sydow auf der Gör­lit­zer Mit­tel­stra­ße 6 eine Scho­ko­la­den- und Zucker­fa­brik. Das Gör­lit­zer Monats­jour­nal Stadt­BILD hat in sei­ner Aus­ga­be Nr. 98 vom Sep­tem­ber 2011 einen Auf­satz von Herrn Wolf­gang Stil­ler über die Gör­lit­zer Scho­ko­la­den- und Zucker­fa­brik Matt­ke und Sydow ver­öf­fent­licht:

Fotografie von einem Zeppelinluftschiff

Am 1. April 1919 beging die Fir­ma Matt­ke und Sydow, Scho­ko­la­den- und Zucker­fa­brik Gör­litz, ihr 25. Betriebs­ju­bi­lä­um. In einem Arti­kel der Gör­lit­zer Illus­trier­ten — eine wöchent­li­che Bei­la­ge der Gör­lit­zer Nach­rich­ten — vom 6. April 1919 hieß es dazu:

Die weit über die Gren­zen der Stadt hin­aus bekann­te Scho­ko­la­den- und Zucker­fa­brik Matt­ke und Sydow blickt am 1. April (1919) auf 25 Jah­re ihres Bestehens zurück. Aus klei­nen Anfän­gen her­aus haben es die bei­den Grün­der Herr Wil­helm Matt­ke und Herr Herr­mann Sydow ver­stan­den, das Unter­neh­men durch uner­müd­li­chen Fleiß und nie ver­sa­gen­de Ener­gie in einer ver­hält­nis­mä­ßig kur­zen Span­ne Zeit auf eine bedeu­ten­de, Welt­ruf genie­ßen­de Höhe zu bringen.

Mit einer Bonbonkocherei fing es an

Als am 1. April 1894 die Grün­dung der Gör­lit­zer Fir­ma in dem Hau­se Mit­tel­stra­ße 6 erfolg­te, ahn­te man wohl noch nicht, dass die­ses Unter­neh­men, das mit einer bedeu­ten­den Kon­kur­renz rech­nen muss­te, sich so schnell zu einem macht­vol­len Indus­trie­un­ter­neh­men ent­wi­ckeln wür­de. Mit einem Per­so­nal von 15 Arbei­tern wur­de anfäng­lich die Bon­bon­ko­che­rei betrie­ben. Doch die ange­streng­te Tätig­keit der Chefs ermög­lich­te bereits nach einem Jah­re des Bestehens der Fir­ma die ers­te Betriebs­er­wei­te­rung. Der Bon­bon­ko­che­rei wur­de die Her­stel­lung von Fond­ants, Kon­fekt­mi­schun­gen und Pra­li­nees ange­schlos­sen, wodurch sich sowohl der Umsatz als auch die Gewin­ne erheb­lich ver­mehr­ten. Auf dem Grund­stück Mit­tel­stra­ße 6 war die Fabrik nicht mehr erwei­te­rungs­fä­hig. Aus die­sem Grun­de wur­de auf der Pomo­lo­gi­schen Gar­ten­stra­ße ein Grund­stück erwor­ben, auf dem sich noch heu­te (1919) das im Jah­re 1898/99 von Herrn Bau­meis­ter Mey­er errich­te­te Fabrik­ge­bäu­de befin­det, das durch den Anbau wei­te­rer umfang­rei­cher Gebäu­de nicht mehr viel von sei­nem alten Aus­se­hen hat.

Im Früh­jahr 1898, also nach noch nicht ganz vier­jäh­ri­gem Bestehen, erfolg­te die Grund­stein­le­gung zu einem neu­en Gebäu­de in der Pomo­lo­gi­schen Gar­ten­stra­ße, das im Marz 1899 bezo­gen wurde. 

Die his­to­risch-bio­gra­phi­schen Blät­ter für Indus­trie, Han­del und Gewer­be brach­ten bereits im Jah­re 1903 eine aus­führ­lich illus­trier­te Abhand­lung über die Fir­ma Matt­ke und Sydow in der Erkennt­nis, wel­che Rol­le noch die­se ein­mal in der ein­schlä­gi­gen Indus­trie zu spie­len bestimmt ist. Schon in die­ser Abhand­lung wur­de der Betrieb als ein mus­ter­gül­ti­ger hin­ge­stellt. Sowohl die tech­ni­sche Anla­ge als auch ihre sani­tä­ren Ein­rich­tun­gen wur­den als mus­ter­gül­tig in Bezug auf Zweck­mä­ßig­keit und Leis­tungs­fä­hig­keit anerkannt.

Goldmedaille der Niederschlesischen Gewerbe- und Industrieausstellung

Einen Ein­blick in die Her­stel­lung der von der Fir­ma Matt­ke und Sydow gelie­fer­ten Erzeug­nis­se konn­te man im Jah­re 1905 auf der in Gör­litz statt­fin­den­den Nie­der­schle­si­schen Indus­trie-Aus­stel­lung bekom­men. In einem Mau­ri­schen Pavil­lon waren eine gro­ße Anzahl Maschi­nen aus­ge­stellt, die, stän­dig in Betrieb, das Publi­kum ver­traut mach­ten mit der Fabri­ka­ti­on der ver­schie­de­nen Scho­ko­la­den und Zuckererzeugnisse.

Beson­ders in der ent­beh­rungs­rei­chen Kriegs­zeit wird man sich manch­mal gern des ange­neh­men fri­schen Scho­ko­la­den­ge­ruchs erin­nert haben, der einem beim Betre­ten des Pavil­lons ent­ge­gen­ström­te. Es war zu jener Zeit wohl die “Attrak­ti­on” der Nie­der­schle­si­schen Gewer­be- und Indus­trie­aus­stel­lung. Jung und Alt war ent­zückt über die Vor­füh­rung der Scho­ko­la­den­fa­bri­ka­ti­on im Klei­nen. Für die sehr aner­ken­nungs­wer­te Aus­stel­lungs­leis­tung wur­de die Fir­ma mit der gol­de­nen Medail­le ausgezeichnet.

Die Firma expandiert

Eine gro­ße Anzahl von Rei­sen­den trug den bereits selbst­be­grün­de­ten Ruf der Fir­ma noch wei­ter, und durch Hin­zu­tre­ten neu­er Kun­den wur­de sehr bald ein Erwei­te­rungs­bau not­wen­dig. Bereits im Jah­re 1907 wur­de an die wei­te­re Ver­grö­ße­rung der Fabrik durch Anbau eines neu­en Flü­gels her­an­ge­tre­ten. Vor allen Din­gen wur­den durch die­sen Bau wesent­lich die Kon­tor­räu­me und Lager­räu­me aus­ge­baut, und auch die Fabri­ka­ti­ons­räu­me erfuh­ren eine wesent­li­che Ver­grö­ße­rung. Das Haupt­ge­bäu­de und das Sei­ten­ge­bäu­de mit je sie­ben Stock­wer­ken und ihr Schorn­stein in Höhe von 42 Metern fal­len heu­te dem Besu­cher der Lan­des­kro­ne sowohl von den Aus­sichts­punk­ten, als auch auf dem Wege von dort nach Gör­litz ein­drucks­voll in die Augen.

Eine ganz bedeu­ten­de Ver­grö­ße­rung mach­te sich schon wie­der im Jah­re 1912 erfor­der­lich. Die ziel­be­wuss­ten Inha­ber der Fir­ma mach­ten nun gan­ze Arbeit. Durch Hin­zu­kauf ver­schie­de­ner benach­bar­ter Grund­stü­cke hat­ten sie sich die Ent­wick­lungs­mög­lich­kei­ten ihres Unter­neh­mens auf lan­ge Zeit hin­aus gesi­chert und waren dadurch in der Lage, im Jah­re 1912 einen Bau ihren bis­he­ri­gen Gebäu­den anzu­glie­dern, der ihrem Gesamt­um­fang an Raum nicht nach­ste­hen durf­te und der Fir­ma die Gele­gen­heit dazu gab, das Per­so­nal von 600 Per­so­nen noch wesent­lich zu vermehren.

Portraits von Wilhelm Mattke und Hermann Sydow

Wenn auch vie­len Gör­lit­zern durch den Besuch der Fabrik die Her­stel­lung Matt­ke und Sydow‘scher Erzeug­nis­se bekannt ist, so möch­ten wir den­noch einen kur­zen Rück­blick über die ein­zel­nen Abtei­lun­gen geben, den wir bei dem lei­der recht gering zur Ver­fü­gung ste­hen­den Platz illus­trie­ren konnten.

Rundgang durch die Schokoladen- und Zuckerfabrik Mattke und Sydow

Die im Foto auf­ge­nom­me­ne Fabrik­an­la­ge ist in der Haupt­sa­che von dem Bau­meis­ter Franz Gru­n­ert in Gör­litz erbaut, und das Wesen liegt wohl dar­in, dass er es ver­stan­den hat, alle spä­te­ren Bau­ten den vor­an­ge­gan­ge­nen anzu­pas­sen und dadurch wohl von innen als auch von außen ihnen den ein­heit­li­chen impo­san­ten Ein­druck des Fabrik­ge­bäu­des und auch die bereits gerühm­te Über­sicht­lich­keit im Inne­ren der Ein­rich­tung gewid­met wurde.

Was sonst den alten und erwei­ter­ten Fabrik­an­la­gen anhaf­tet, die laby­rinth­ar­ti­gen Gän­ge, die Unüber­sicht­lich­keit der ver­schie­de­nen Räu­me, das haben die Erbau­er die­ser Grund­stü­cke ver­mie­den und dadurch die Leis­tungs­fä­hig­keit der Fir­ma, bedingt durch Raum­aus­nut­zung der prak­ti­schen Anla­ge, gewährleistet.

Belegschaft der Schokoladen- und Zuckerfabrik Mattke und Sydow

Die gesam­te Arbeits­tä­tig­keit unter Aus­schluss der sehr gro­ßen Lager­räu­me um etwa 14000 Qua­drat­me­ter. Das Kes­sel­haus erhält Dampf­kes­sel von 350 Qua­drat­me­tern Heiz­fla­che, und auch eine Dampf­ma­schi­ne ist in den letz­ten Jah­ren durch eine 350 PS Maschi­ne ergänzt, reicht aller­dings bei wei­tem noch nicht aus, um die im Betrieb erfor­der­li­chen Kräf­te zu erzeu­gen. Viel­mehr ist die Scho­ko­la­den- und Zucker­fa­brik Matt­ke und Sydow seit Jah­ren bedeu­ten­der Abneh­mer des elek­tri­schen Stro­mes der Stadt Görlitz.

Bei dem Rund­gang durch die Fabrik wird man sich noch der Kühl­ma­schi­nen und der Betriebs­an­la­gen der hydrau­li­schen Kakao­pres­sen erin­nern und vor allen Din­gen der Scho­ko­la­den­ab­tei­lun­gen, Scho­ko- Über­zieh-Abtei­lun­gen, Scho­ko­la­den­kühl­kel­lern und Zucker­müh­len. Auch die Abtei­lun­gen, in denen ins­be­son­de­re Zucker ver­ar­bei­tet wird, Koche­rei, Dampf­ko­che­rei und so wei­ter, wer­den mit Inter­es­se von jeder­mann besucht. Den Ver­kehr zwi­schen den sie­ben Stock­wer­ken regeln eini­ge Fahr­stüh­le, die gro­ße Las­ten von dem Kel­ler in die obe­ren Stock­wer­ke und von dort in die Pack­sä­le, Expe­di­ti­ons­räu­me und in die Ver­sand­ab­tei­lun­gen befördern.

Görlitzer Illustrierte zum 25jährigen Bestehen

Gute Beziehung zwischen Chefs und Personal

Es ist selbst­ver­ständ­lich, dass auch eine Fabrik wie Matt­ke und Sydow durch den Man­gel an Roh­stof­fen in den letz­ten Jah­ren des Krie­ges nicht voll beschäf­tigt war und dass es nur der Umsicht der Chefs zu ver­dan­ken war, wenn sie auf so lan­ge Zeit hin­aus ihren Betrieb in so star­kem Umfan­ge erhal­ten konnten.

Werbung Mattke und Sydow um 1905

Die Rüs­tig­keit der Her­ren Matt­ke und Sydow wird hof­fent­lich der Fir­ma die noch bevor­ste­hen­den wirt­schaft­li­chen Kämp­fe über­win­den hel­fen, und dem so glän­zend geschlos­se­nen ers­ten Vier­tel­jahr­hun­dert wird hof­fent­lich ein nicht min­der glän­zen­des zwei­tes Vier­tel­jahr­hun­dert fol­gen. Stets ein wohl­tä­ti­ges Herz für das Per­so­nal bewei­send, wer­den die Ange­stell­ten und Arbei­ter heu­te mit ihren Glücks- und Segens­wün­schen ver­tre­ten sein und die ange­neh­men Bezie­hun­gen zwi­schen Arbeit­ge­ber und Arbeit­neh­mer auch für die nächs­ten 25 Jah­re sichern. Gera­de das ist ja für das Blü­hen und Gedei­hen eines Unter­neh­mens von höchs­tem Nut­zen. Nur die auf gegen­sei­ti­ges Ver­trau­en begrün­de­te Zusam­men­ar­beit bringt bei­den Tei­len, dem Arbei­ter wie dem Unter­neh­mer, den gewünsch­ten Erfolg.Firmenwerbung 1925Dass dies bei der Fir­ma der Fall war, gereicht ihr zu hoher Ehre. Wir aber wün­schen der Fir­ma, dass sie unter ihrer bewähr­ten Lei­tung noch vie­le Jah­re den Ruf unse­rer Stadt als Indus­trie­stadt in die Welt tra­gen möge und dass ihre wei­te­re ange­streng­te Tätig­keit von dem­sel­ben Erfolg gekrönt sein möge, der heu­te den Jubi­la­ren die inne­re Befrie­di­gung geben muss und die Freu­de, auch ihrer­seits an dem wirt­schaft­li­chen Auf­bau unse­res schwer geprüf­ten Vater­lan­des durch rast­lo­se Tätig­keit mit ihrem wei­ten Blick und mit ihrer Erfah­rung beizutragen.“

Die deutsche Wiedervereinigung nicht überstanden

Wie im obi­gen Arti­kel ver­merkt, wur­den Glück- und Segens­wün­sche für die nächs­ten 25 Jah­re aus­ge­spro­chen. Die Scho­ko­la­den- und Zucker­fa­brik Matt­ke und Sydow konn­te im Jah­re 1944 ihr 50. Betriebs­ju­bi­lä­um bege­hen. Nach 1945 wur­de die­se in einen volks­ei­ge­nen Betrieb umge­wan­delt und konn­te auch bis zur poli­ti­schen Wen­de 1989 sich erfolg­reich am Markt prä­sen­tie­ren. Beson­ders attrak­tiv waren ihre Erzeug­nis­se in Weiß­blech­do­sen als Export­schla­ger im west­li­chen Aus­land ein­schließ­lich der USA.

Anzeige um 1925

Die poli­ti­sche Wen­de über­stand die Fir­ma jedoch nicht, die Kon­kur­renz auf dem Markt war inzwi­schen zu groß, und es wur­de durch die Treu­hand alles getan, unlieb­sa­me Kon­kur­ren­ten vom Markt zu neh­me. So ist es auch geschehen. 

Das Grund­stück wur­de von einem Inves­tor erwor­ben, denk­mal­ge­recht saniert und durch Um- und Ein­bau­ten eine vor­bild­li­che sozia­le Ein­rich­tung geschaf­fen, die durch die Volks­so­li­da­ri­tät Kreis­ver­band Görlitz/Zittau als Mie­ter in der Pomo­lo­gi­schen Gar­ten­stra­ße 10 betrie­ben wird. In die­sem Grund­stück sind nun vorhanden:
— häus­li­che Alten- und Kran­ken­pfle­ge, Sozialstation
— ambu­lan­ter und sta­tio­nä­rer Mittagstisch
— betreu­tes Woh­nen in Gör­litz und Zit­tau für Senioren
— Kurz­zeit­pfle­ge für pfle­ge­be­dürf­ti­ge Per­so­nen im Ver­hin­de­rungs­fal­le der pfle­gen­den Angehörigen
— Wohn­ge­mein­schaft für Men­schen mit Demenz.

Volkssolidarität Pomologische Gartenstraße 10 in Görlitz

Dem ange­schlos­sen ist ein sepa­ra­ter Park­platz für die Senio­ren im betreu­ten Woh­nen. Wün­schen wir die­ser sozia­len Ein­rich­tung für ihr erfolg­rei­ches Wir­ken für Kran­ke, Behin­der­te und Senio­ren wei­ter­hin viel Erfolg und Schaf­fens­kraft! Damit wur­de zugleich ein gutes Bei­spiel geschaf­fen, wie man still­ge­leg­te Fabrik­an­la­gen für eine sinn­vol­le neue Nut­zung umge­stal­ten kann.

Nach­druck über die Scho­ko­la­den- und Zucker­fa­brik Matt­ke und Sydow
Text und Bil­der mit freund­li­cher Geneh­mi­gung des Stadt­BILD-Ver­la­ges Gör­litz und Herrn Wolf­gang Stiller