Kategorie: Lüneburg

Dokumentartheater inszeniert “Flucht — Ucieczka”

Das Thea­ter Das Letz­te Klein­od insze­niert Geschich­ten von Orten und Men­schen, die in Ver­ges­sen­heit gera­ten sind. Die doku­men­ta­ri­schen Insze­nie­run­gen wer­den meist nach den Erzäh­lun­gen von Zeit­zeu­gen gestal­tet und an den ori­gi­na­len Schau­plät­zen auf­ge­führt. Die Stü­cke spie­len am Strand, in Lager­räu­men oder ver­las­se­nen Guts­hö­fen.Dokumentartheater inszeniert "Flucht – Ucieczka"Der  Zwei­te Welt­krieg  ver­trieb  Mil­lio­nen  von  Men­schen  aus  ihrer  Hei­mat.  Das  Thea­ter  Das  Letz­te  Klein­od  ging zusam­men mit dem pol­ni­schen Thea­ter Gdy­nia Głów­na auf Spu­ren­su­che in Russ­land, Polen und Deutsch­land und befrag­te Zeit­zeu­gen, wie sie als Kind ihre Flucht erlebt haben. Aus den Geschich­ten ent­stand ein doku­men­ta­ri­sches Thea­ter­stück, das in die­sem Som­mer in einem Güter­zug vom 15. Juli bis 26. August 2016 an zehn Bahn­hö­fen in Polen und Deutsch­land gespielt wird.

Der  jun­ge  Rot­ar­mist  soll­te  ein  Lebens­mit­tel­la­ger  in  der  Nähe  der  umkämpf­ten  Stadt  Ber­lin  bewa­chen.  Aber  er ver­teil­te  das  Dosen­fleisch  statt­des­sen  an  die  hun­gern­den  Flücht­lin­ge.  Ein  rus­si­sches  Mäd­chen  flüch­te­te  mit  ihrer Fami­lie  vor  den  Deut­schen  aus  dem  zer­stör­ten  Wald­ai  und  bekam  schließ­lich  eine  Woh­nung  in  Königs­berg zuge­wie­sen. Doch zuerst muss­ten sie ein totes Pferd zur Sei­te schaf­fen, das im Trep­pen­haus des neu­en Quar­tiers lag. Eine Frank­fur­te­rin hat­te als klei­nes Kind mit­er­lebt, wie sich die kom­plet­te Beleg­schaft eines Guts­ho­fes in Ost­preu­ßen auf dem Dach­bo­den der Scheu­ne auf­häng­te. Auch ihre eige­ne Mut­ter nahm sich dabei das Leben. Das sind nur drei von Dut­zen­den von Geschich­ten, wel­che die Thea­ter­ma­cher auf ihrer Recher­che­rei­se sammelten.

Noch  heu­te  sind  die­se  Erleb­nis­se  bei  der  älte­ren  Gene­ra­ti­on  all­ge­gen­wär­tig.  Zeit­zeu­gen  in  Kali­nin­grad,  Gdy­nia, Frankfurt/Oder und Nie­der­sach­sen erzähl­ten von ihren trau­ma­ti­schen Erin­ne­run­gen. Jetzt sol­len die­se Erzäh­lun­gen an einem Ort insze­niert wer­den, der wie kein ande­rer für die Geschich­te der Flucht steht. Fast jeder der Zeit­zeu­gen erzähl­te von tage­lan­gen Trans­por­ten auf der Eisen­bahn. Das Stück wird des­halb in alten Güter­wag­gons auf­ge­führt, die für das Thea­ter­stück von einer slo­wa­ki­schen Bahn­ge­sell­schaft ange­mie­tet wur­den. Die Auf­füh­run­gen wer­den von Dar­stel­lern und Dar­stel­le­rin­nen aus Polen, Deutsch­land und Russ­land gespielt und fin­den an Güter­bahn­hö­fen zwi­schen Pom­mern und Nie­der­sach­sen statt. Die Vor­stel­lung wird vor­wie­gend in deut­scher Spra­che gespielt.

Dokumentartheater inszeniert "Flucht – Ucieczka"

An zehn Bahn­hö­fen macht der Zug Sta­ti­on, um das Stück zu prä­sen­tie­ren. Die Pre­mie­re fin­det am 15. Juli 2016 in Gdy­nia Orlo­wo statt. Dann geht es wei­ter nach  Pila, Poz­nán, Frankfurt/Oder und Berlin.

Am 9., 10. und 11. August steht das rol­len­de Thea­ter auf den Glei­sen des Lüne­bur­ger Muse­ums­bahn­ho­fes, An der Sol­tau­er Bahn. Anschlie­ßend steht Han­no­ver auf dem Spielplan.

Vom 18. bis zum 22. August macht der Zug auf der Colum­bus­ka­je in Bre­mer­ha­ven Sta­ti­on. Es fol­gen je zwei Aben­de im Muse­ums­bahn­hof Bad Beder­ke­sa (23. und 24. August 2016)und im Hei­mat­bahn­hof Geest­enseth (25. und 26. August 2016).

Alle Vor­stel­lun­gen begin­nen um 19 Uhr und um 20.30 Uhr. Tickets gibt es ab 26,40 €.

Aus schweren Holzkisten wurden leichte Pappkartons — Umzugsspedition Max Herzke

Ein Umzug will gut vor­be­rei­tet sein: Kar­tons müs­sen gepackt, Hel­fer zum Tra­gen gefun­den und der Trans­port orga­ni­siert wer­den. Doch trotz bes­ter Pla­nung läuft nur sel­ten alles rund, bis das eige­ne Hab und Gut sicher im neu­en Zuhau­se ver­staut ist.

Umzugsspedition Max Herzke, Lüneburg

In Lüne­burg befand sich inmit­ten der Alt­stadt die Spe­di­ti­on Herz­ke in der Salz­brü­cker Stra­ße 24. Doch die Spe­di­ti­on hat­te nicht immer hier ihren Sitz; ange­fan­gen hat­te alles im Jah­re 1928 in Bromberg/Posen.

Die Möbel­spe­di­ti­on Max Herz­ke in Brom­berg
Infol­ge des Ver­sailler Ver­tra­ges wur­de die in der preu­ßi­schen Pro­vinz Posen gele­ge­ne Hei­mat­stadt Brom­berg 1919 vom Deut­schen Reich abge­trennt und an das neu gegrün­de­te Polen abge­tre­ten. Nach 1920 wan­der­te durch den Weg­zug des deut­schen Beam­ten­ap­pa­ra­tes, des deut­schen Mili­tärs und ihrer Fami­li­en ein Groß­teil der deut­schen Ein­woh­ner­schaft nach Deutsch­land ab.Die frü­he­re deut­sche Mehr­heit schrumpf­te infol­ge der Aus­wan­de­rungs­wel­le und der Ent­eig­nung deut­schen Besitzes

F. Wodtke

durch den pol­ni­schen Staat zu einer Min­der­heit. 1928 ver­ließ auch der Spe­di­ti­ons­un­ter­neh­mer F. Wodt­ke die Stadt Brom­berg, um “ins Reich” zu gehen.

Max Herz­ke (1890–1966), der in sei­ner Lehr­fir­ma F. Wodt­ke bis­her als Geschäfts­füh­rer und Pro­ku­rist gear­bei­tet hat, über­nahm die Spe­di­ti­ons­fir­ma. Ein gro­ßer Teil der dama­li­gen Auf­trä­ge bestand aus Umzü­gen von Optan­ten. Bis zum 21. Janu­ar 1945 erfüll­te Max Herz­ke mit 30 Ange­stell­ten, 25 Pfer­den und 36 Wagen sei­ner Kund­schaft jeden Auf­trags­wunsch, der ihn mit­un­ter bis nach Ost­preu­ßen führ­te. Doch im Früh­jahr 1939 ver­ließ auch die Fami­lie Herz­ke die Stadt Brom­berg und fand bei Ver­wand­ten im Reich Auf­nah­me. Dann brach der Zwei­te Welt­krieg aus, und Polen wur­de von den Deut­schen besetzt. Max Herz­ke kehr­te nach Brom­berg zurück und nahm sei­nen Betrieb wie­der auf. Nun hat­te er 36 Wagen und zwei Zug­ma­schi­nen, mit denen er sei­ne Spe­di­ti­ons­auf­trä­ge erle­dig­te, bis die Fami­lie im Janu­ar 1945 Brom­berg end­gül­tig ver­las­sen musste.

Max Herz­ke floh mit sei­ner Frau Hed­wig und sei­nen Töch­tern Rose­ma­rie und Ursu­la west­wärts durch Pom­mern, über die Oder und quer durch Meck­len­burg. Mit nur noch vier Pfer­den und zwei Wagen erreich­ten sie nach 56 Tagen Flucht am 17. März 1945 ihre Ver­wand­ten in Lüneburg.

Die Möbel­spe­di­ti­on Max Herz­ke in Lüne­burg
Da das Was­ser­werk der Stadt zer­stört wor­den war, hieß es für Max Herz­ke nach sei­ner Ankunft: “Anspan­nen und Was­ser aus­fah­ren.” Hier­bei unter­stütz­ten ihn tat­kräf­tig sei­ne bei­den Töch­ter, die neben ihrem Vater auf dem Kutsch­bock geses­sen, Was­ser aus­ge­fah­ren und so die Stadt ken­nen­ge­lernt haben.

Schnell wur­de der Flücht­ling Max Herz­ke in der Lüne­bur­ger Bevöl­ke­rung beliebt. In Nacht- und Nebel­ak­tio­nen half er Lüne­bur­ger Bür­gern, ihre wert­vol­len Möbel aus ihren vom bri­ti­schen Mili­tär beschlag­nahm­ten Woh­nun­gen zu schmuggeln.

Eine unend­li­che Zahl Men­schen – auf der Flucht aus Ost­preu­ßen, Schle­si­en, Pom­mern kom­mend — ström­ten gen Wes­ten und such­ten auch in Lüne­burg eine Blei­be. Die Woh­nungs­not war unbe­schreib­lich groß.

So soll­ten auch Herz­kes in Lüne­burg zunächst kei­ne eige­ne Unter­kunft fin­den und quar­tier­ten sich bei einem Vet­ter in der Uelz­e­ner Stra­ße ein. Aber es dau­er­te nicht lan­ge, bis bri­ti­sche Offi­zie­re die­se Woh­nung für sich in Anspruch nah­men. Nun blieb Herz­kes nichts ande­res über, als am Lam­ber­ti­platz im gelie­he­nen Möbel­wa­gen eines Kol­le­gen zu logie­ren. Erst im Dezem­ber 1945 konn­ten sie ein eige­nes Zim­mer beziehen.

Doch es soll­ten auch wie­der schö­ne­re Tage kom­men. Kurz nach der Wäh­rungs­re­form hei­ra­te­te Toch­ter Ursel 1948 ihren aus Zop­pot im Gebiet der Frei­en Stadt Dan­zig stam­men­den Ger­hard Gohr. Ger­hard Gohr mach­te in Lüne­burg sein Abitur nach und wur­de — wie sei­ne Frau und sei­ne Schwä­ge­rin – Speditionskaufmann.

Nun ging es auch mit dem Betrieb wie­der auf­wärts. Ein Möbel­wa­gen-Anhän­ger wur­de gekauft, der erst von einer gelie­he­nen Zug­ma­schi­ne, dann von einem gekauf­ten Mili­tär­last­wa­gen gezo­gen wurde. 

Nach sie­ben Jah­ren ohne eige­nen fes­ten Wohn­sitz ver­bes­ser­te sich 1950 auch die Wohn­si­tua­ti­on. Die Fir­ma Max Herz­ke mie­te­te sich in das 1604 erbau­te und durch einen Luft­an­griff schwer beschä­dig­te ehe­ma­li­ge Pfarr­haus der St. Michae­lis­kir­che an der Salz­brü­cker Stra­ße ein. Im Fol­ge­jahr war es der Fami­lie Gohr-Herz­ke mög­lich, der Klos­ter­kam­mer Han­no­ver das rund 5000 Qua­drat­me­ter gro­ße Grund­stück   abzukaufen.

In den 1950er Jah­ren mach­te die Fir­ma Umzü­ge für Flücht­lin­ge, die anfangs in not­dürf­ti­gen Unter­künf­ten leb­ten, inzwi­schen aber in ande­ren Tei­len des Bun­des­ge­bie­tes Anstel­lung und Woh­nung gefun­den hat­ten. Auch aus­ge­bomb­te Ham­bur­ger, die zurück in ihre Hei­mat­stadt woll­ten, nah­men Herz­kes Diens­te in Anspruch. Es gab so vie­le Auf­trä­ge, dass im Unter­neh­men Tag und Nacht gear­bei­tet wer­den musste. 

Spedition Max Herzke: Ohne Servo-Lenkung und mit dem riesigen Lenkrad

In den 1960er Jah­ren begann der Auf­stieg der Fir­ma Max Herz­ke unauf­halt­sam zum größ­ten Umzugs­un­ter­neh­men der Stadt Lüne­burg. Drei Last­zü­ge mit Anhän­ger, die sozu­sa­gen das Lüne­bur­ger Stadt­bild präg­ten, waren mitt­ler­wei­le im Ein­satz. Aber es ging noch höher hin­auf: Wäh­rend der sech­zi­ger und sieb­zi­ger Jah­re kauf­te das Unter­neh­men die Möbel­spe­di­tio­nen Wil­le, C. L. Schrö­der und Bahn­cke auf. In ihren bes­ten Jah­ren betrieb die Fir­ma fünf Züge und beschäf­tig­te zwan­zig Mitarbeiter.

Nach­dem Tod Max Herz­ke im Jah­re 1966 lei­te­ten sei­ne Töch­ter das Spe­di­ti­ons­ge­schäft, mit dem sie seit Kin­der­ta­gen gut ver­traut waren. Noch 1985 waren in dem dama­li­gen Fami­li­en­be­trieb zehn Arbei­ter beschäf­tigt, die mit zwei Last­kraft­wa­gen mit Hän­gern Möbel jeder Art im Inland und ins Aus­land beförderten.

Ursu­la Gohr-Herz­ke beglei­te­te ihren Mann Ger­hard Gohr oft ins Aus­land, wie etwa nach Frank­reich oder Süd­ita­li­en. Ger­hard Gohr hat auch das Fir­men­em­blem ent­wor­fen, das den Ein­gang und die Last­zü­ge schmückt. Das Erken­nungs­zei­chen ist ein Herz mit den Initia­len des Fir­men­grün­ders Max Herz­ke, weil die­ser schon 1955 mit viel Herz bei der Sache war, wenn es hieß, den Lüne­bur­ger Bür­gern bei Umzü­gen zu helfen.

Im Jahr 2003 starb Max Herz­kes älte­re Toch­ter Rose­ma­rie von Ren­ner. Kin­der und Enkel­kin­der hat­ten ande­re Beru­fe ergrif­fen. So ver­kauf­te Ursu­la Gohr-Herz­ke die Möbel­wa­gen und leg­te die Fir­ma still.

Noch steht der Name Max Herz­ke am Haus an der Salz­brü­cker Stra­ße 24, doch besteht auch für die Ehe­leu­te Gohr-Herz­ke kein Zwei­fel, dass auch dies bald Geschich­te sein wird. Vor Weih­nach­ten hat­te ich Gele­gen­heit, mit der mitt­ler­wei­le über 90 Jah­re alten Frau Ursu­la Gohr-Herz­ke ein kur­zes Tele­fon­ge­spräch füh­ren zu dür­fen. Mit net­ten Wor­ten erzähl­te sie mir, dass kei­ne Umzü­ge mehr getä­tigt wer­den und die Max Herz­ke GmbH nur noch das fir­men­ei­ge­ne Ver­mö­gen ver­wal­te. “Wenn wir mal nicht mehr sind, dann ist auch das vor­bei”, erzähl­te mir Ursu­la Gohr-Herz­ke. Und dann wird im Lüne­bur­ger Tele­fon­ver­zeich­nis wie­der ein Tra­di­ti­ons­na­me gelöscht werden.

Ger­hard Gohr und Ursu­la Gohr-Herz­ke sind schon vor lan­ger lan­ger Zeit in Lüne­burg ange­kom­men. Zwei­mal waren sie inzwi­schen in Brom­berg zu Besuch, doch sind sie nach eige­nem Bekun­den Lüne­bur­ger gewor­den und möch­ten Lüne­bur­ger bleiben.

Quel­len:
Wir fin­gen ganz von vor­ne an!” Sied­lungs­bau und Flücht­lings­in­te­gra­ti­on im Groß­raum Ham­burg 1945 – 1965
mit freund­li­cher Geneh­mi­gung des Her­aus­ge­bers Tho­mas Schür­mann
Das Ost­preu­ßen­blatt” vom 16.11.1985, Sei­te 11

Verwaiste Fußgängerzonen — den Stadtplanern fehlen ideenreiche Konzepte

Immer mehr Leer­stand” klag­te die Nord­see-Zei­tung in ihrer Aus­ga­be vom 9. Novem­ber 2013. Und die Lüne­bur­ger “Lan­des­zei­tung” berich­te­te am 7. Janu­ar 2014, dass ein “Kon­zept gegen Leer­stand” geplant sei. Die Stadt Gör­litz ist da viel­leicht  schon etwas wei­ter, sie hat von der CIMA Bera­tung + Manage­ment GmbH bereits ein “Ein­zel­han­dels- und Zen­tren­kon­zept” ent­wi­ckeln lassen. 

Leerstand in Bremerhaven

Bre­mer­ha­vens Pro­ble­me lie­gen in der nörd­li­chen Fuß­gän­ger­zo­ne. Hier haben sich, wie wohl über­all in den deut­schen Fuß­gän­ger­zo­nen, Filia­lis­ten ein­ge­mie­tet. Filia­lis­ten haben natur­ge­mäß kei­nen per­sön­li­chen Bezug zu der jewei­li­gen Stadt. Sie kom­men, wenn Sie Umsatz erhof­fen. Bleibt der irgend­wann aus, stimmt das Filia­l­er­geb­nis nicht mit den Ziel­vor­ga­ben über­ein, wird die Filia­le geschlos­sen, und man zieht eine Stadt weiter.

Leerstand in Bremerhaven

So hat es auch WMF gehal­ten. Schon eini­ge Jah­re nicht mehr mit dem Umsatz zufrie­den, haben sie jetzt die Not­brem­se gezo­gen und Bre­mer­ha­ven ver­las­sen. Als ich am 7. Janu­ar 2014 das Bild auf­nahm, waren Hand­wer­ker in dem ver­las­se­nen Geschäft tätig. Ich kann nicht sagen, ob etwas abge­baut oder neu instal­liert wurde.

Leerstand in Bremerhaven

Auch die­ses Geschäft sucht schon seit eini­gen Jah­ren einen Mie­ter. Ver­mut­lich sind 500 Qua­drat­me­ter Laden­flä­che zu groß, als dass die Mie­te dafür erwirt­schaf­tet wer­den kann.

Leerstand in Bremerhaven

Im Nor­den der Fuß­gän­ger­zo­ne ste­hen ins­ge­samt sie­ben Läden leer, wei­te­re Geschäfts­in­ha­ber sol­len abwan­dern wol­len. Die Mit­ar­bei­te­rin eines Rei­se­bü­ros sucht den Grund im Medi­ter­ra­neo, das die Lauf­kund­schaft angeb­lich von der nörd­li­chen Fuß­gän­ger­zo­ne abzie­hen soll. Mag sein, mir erscheint der Gedan­ke aber nicht schlüs­sig. Naja, auf jeden Fall wan­dert das Rei­se­cen­ter nicht ab. Es ist in die süd­li­che Fuß­gän­ger­zo­ne umge­zo­gen und nutzt an der Ecke zur Mit­tel­stra­ße die Räu­me der frü­he­ren Buch­hand­lung Müg­ge.

Leerstand in Bremerhaven

Wenn die Stadt Bre­mer­ha­ven aber glaubt, mit der Ansie­de­lung neu­er Geschäf­te in der nörd­li­chen Fuß­gän­ger­zo­ne sei­en die Pro­ble­me beho­ben, dann irrt sie. Dazu muss man sich nur mal in den ande­ren Stadt­tei­len umse­hen. Ob es Geest­e­mün­de ist oder Lehe, ob Wuls­dorf oder Mit­te; Die Läden ste­hen über­all leer.

Leerstand in Bremerhaven

Die­se Fotos sind nur ein Abriss des tat­säch­li­chen Zustan­des im Vier­tel Goe­the­stra­ße. Über­all gäh­nend lee­re Schau­fens­ter. Hand­wer­ker und Ein­zel­händ­ler haben ihren Betrie­ben schon vor lan­ger Zeit den Rücken gekehrt. Zum Teil aus Alters­grün­den, zum Teil man­gels aus­rei­chen­der Umsätze.

An der Peri­phe­rie der Stadt haben sich Super­märk­te eta­bliert, die die Kun­den aus der Innen­stadt abzie­hen. Viel zu lan­ge Fuß­gän­ger­zo­nen hal­ten die Käu­fer­schich­ten fern, die mit dem Auto unter­wegs sind. Und nicht zuletzt geht aus demo­gra­phi­schen Grün­den Kauf­kraft ver­lo­ren. Berufs­tä­ti­ge haben heu­te kei­ne Zeit mehr, nach Fei­er­abend durch die Geschäf­te zu eilen. Da wird im Inter­net ein­ge­kauft. Zumin­dest machen das die sol­ven­ten Bevöl­ke­rungs­schich­ten. Wer für das Inter­net kein Geld hat, der geht aber auch nicht in die Fuß­gän­ger­zo­ne zum Einkaufen.

Ich den­ke, der nörd­li­che Teil der Fuß­gän­ger­zo­ne in Bre­mer­ha­ven soll­te für den Auto­ver­kehr frei­ge­ge­ben wer­den. Das wür­de wahr­schein­lich mehr Men­schen in die Stra­ße brin­gen als irgend­wel­che Pseu­do­ver­an­stal­tun­gen, die nie­man­den interessieren.

Leerstand in Lüneburg

Lüne­burg hat mit ähn­li­chen Pro­ble­men wie Bre­mer­ha­ven zu kämp­fen. Auch in Lüne­burg sind die Fuß­gän­ger­zo­nen unend­lich lang. Auch dort wer­den die Rand­ge­bie­te nicht fre­quen­tiert, und  vie­le Ein­zel­händ­ler haben frus­triert auf­ge­ge­ben. Weil mit dem gerin­gen Umsatz kein aus­rei­chen­der Über­schuss gene­riert wer­den konn­te. Dann wird der Laden doch lie­ber an einen Filia­lis­ten ver­mie­tet, und der Net­to-Miet­ertrag scheint zu ver­füh­ren, die Geschäfts­tä­tig­keit ein­zu­stel­len. Wer den oben erwähn­ten Arti­kel der Lan­de­zei­tung “Kon­zept gegen Leer­stand”  lesen möch­te: Ein­fach ankli­cken, ich habe die Zei­tungs­ar­ti­kel für Euch hinterlegt.

Leerstand in Görlitz

Auch mit Gör­litz habe ich mich beschäf­tigt, ich habe dort ja eini­ge Jah­re gewohnt. Wer Gör­litz nicht kennt, die Stadt liegt in der Ober­lau­sitz, direkt an der Nei­ße. 1945 wur­de Gör­litz geteilt, aus dem öst­lich der Nei­ße gele­ge­nen Stadt­teil ist die pol­ni­sche Stadt Zgor­zel­ec hervorgegangen.

Leerstand in Görlitz

Wie die­se Bil­der sehr schön ver­deut­li­chen, hat die Stadt Gör­litz auch eine sehr lan­ge Fuß­gän­ger­zo­ne. Der unte­re Teil führt in die Stadt­mit­te. Hier sind vie­le Pas­san­ten zu sehen, die ihre Ein­käu­fe erle­di­gen. Zwar wird die­ser Stra­ßen­ab­schnitt auch von Filia­lis­ten beherrscht, aber die Läden ste­hen nicht leer.

Schaut man jedoch in die ande­re Rich­tung (Bild mit der Stra­ßen­bahn) hat der Betrach­ter ein ganz ande­res Erleb­nis. Der Stra­ßen­ab­schnitt ist leer – nur die Stra­ßen­bahn rauscht Rich­tung Bahn­hof. Geschäf­te gibt es hier kaum, Bau­rui­nen aus DDR-Zei­ten beherr­schen das Bild. Aber wenigs­tens hat Gör­litz ein Kon­zept, ein­fach oben ankli­cken, und Ihr bekommt es als pdf-Datei.

Ich habe hier drei unter­schied­li­che Hoch­schul­städ­te mit unter­schied­li­chen Ver­gan­gen­hei­ten in unter­schied­li­chen Regio­nen Deutsch­lands  vor­ge­stellt, die von den glei­chen Pro­ble­men geplagt wer­den: Leer­stand in der Innenstadt.

Las­sen sich die Zei­ten zurück­ho­len, in denen Autos durch die Ein­kaufs­stra­ßen fuh­ren? Vor Fein­kost­ge­schäf­ten und Fach­ge­schäf­ten park­ten, wäh­rend die Insas­sen ihren Ein­kaufs­bum­mel mach­ten? Dazu müss­ten die Kom­mu­nal­po­li­ti­ker den Mut fin­den und die ver­wais­ten Fuß­gän­ger­zo­nen zurück­bau­en. Sonst kau­fen die Kun­den dort ein, wo das Auto­fah­ren erlaubt ist: Im Super­markt, im Elek­tro­markt oder beim Beklei­dungs­dis­coun­ter am Stadtrand.

Irgend­wann gin­gen die Kun­den nur noch zu einer kos­ten­lo­sen Bera­tung ins Fach­ge­schäft, ein­ge­kauft haben sie dann im Inter­net. Der Ein­zel­händ­ler kann­te kei­ne Mar­ke­ting­stra­te­gien. Kam ein inter­es­sier­ter Kun­de nicht zurück, blieb er eben weg. Tele­fo­nisch nach­ge­fragt hat nie­mand. Und so blie­ben immer mehr Kun­den weg, und so wur­de das Ange­bot der Geschäf­te immer ein­sei­ti­ger. Filia­lis­ten machen sich breit, Geiz ist geil regiert. Aber wer nicht bereit ist, dem Fach­händ­ler für eine gute Bera­tung fünf Euro mehr zu bezah­len, der muss sich nicht wun­dern, wenn es irgend­wann kei­nen Fach­händ­ler mehr gibt.

Es ist wie mit den Kon­to­füh­rungs­ge­büh­ren der Spar­kas­sen. Kei­ner will sie bezah­len, vie­le haben ihrer Spar­kas­se den Rücken gekehrt. Und sich gewun­dert, wenn ihre ach so güns­ti­ge Bank­fi­lia­le plötz­lich geschlos­sen wur­de, weil die Ren­di­te nicht mehr stimm­te. Spar­kas­sen sind dem Gemein­wohl ver­pflich­tet. Das kön­nen sie aber nur so lan­ge, wie die Gemein­schaft die Spar­kas­se auch unter­stützt. Zum Bei­spiel durch eine Kon­to­füh­rungs­ge­bühr, von der dann Ver­ei­ne oder not­lei­den­de Men­schen unter­stützt werden.

Jeder Bür­ger ent­schei­det selbst, was ihm wich­tig ist. Nie­mand zwingt ihn, sei­ne Waren online im Ver­sand­han­del zu kau­fen. Nie­mand muss zu einem Beklei­dungs­dis­coun­ter am Stadt­rand gehen, um fünf Euro zu spa­ren. Und kei­ne Stadt­pla­ner wer­den gezwun­gen, gro­ße Bau­märk­te in der Innen­stadt anzu­sie­deln. Beson­ders dann nicht, wenn es schon inner­städ­ti­sche Bau­märk­te gibt.

Hatten Lüneburger Mönche eine Liebste in Kloster Lüne?

Schon als Kin­der haben wir von der Geschich­te gehört: Es soll vor vie­len hun­dert Jah­ren einen Geheim­gang gege­ben haben – vom Lüne­bur­ger Klos­ter St. Michae­lis auf dem Kalk­berg zum Bene­dik­ti­ne­rin­nen­klos­ter in Lüne – dem heu­ti­gen  Damen­stift. Durch die­sen unter­ir­di­schen Gang sol­len zwi­schen den bei­den Klös­tern heim­li­che Ren­dez­vous zwi­schen Mön­chen und Non­nen statt­ge­fun­den haben.

image Doch hat es die­se geheim­nis­vol­len Tref­fen auch wirk­lich gege­ben? Oder sind die­se Bege­ben­hei­ten nur der Phan­ta­sie der Bevöl­ke­rung ent­sprun­gen! Auf jeden Fall gibt es kei­ne  Auf­zeich­nun­gen, alles wur­de von Gene­ra­ti­on zu Gene­ra­ti­on nur münd­lich über­lie­fert. Und natür­lich wur­de die Geschich­te immer wei­ter aus­ge­schmückt, jeder Erzäh­ler hat etwas dazu erfun­den, es muss­te nur gru­se­lig genug sein.

Natür­lich kur­siert die­se Geschich­te nicht nur in Lüne­burg. In vie­len mit­tel­al­ter­li­chen Städ­ten gibt es ähn­li­che Legen­den. Klos­ter Lüne liegt vom Kalk­berg etw drei Kilo­me­ter ent­fernt. Und dazwi­schen schlän­gelt sich die Ilmen­au in ihrem Bett. Die hät­te man auch unter­tun­neln müssen.

Haben sie also oder haben sie nicht? Auf jeden Fall wird die Geschich­te heu­te noch erzählt, die Geschich­te, deren Erzäh­lung ich schon in mei­ner Kin­der­zeit lauschte.

Lüneburg

Es gab aber tat­säch­lich unter­ir­di­sche Gän­ge in Lüne­burg, doch sie hat­ten meist prak­ti­sche Hintergründe.

Die Geschichte der ehemaligen Stadtsparkasse Lüneburg

Noch bis in das 18. Jahr­hun­dert hin­ein hat­ten die ärme­ren Bevöl­ke­rungs­schich­ten kei­ne Mög­lich­keit, bei einer Bank eine lang­fris­ti­ge und siche­re Rück­la­ge für Not­zei­ten zu bil­den.  Erst kurz vor 1800 erkann­te man die Vor­tei­le, auch für Hand­wer­ker, klei­ne Gewer­be­trei­ben­de und Bau­ern Kre­di­ten her­aus­zu­le­gen oder die­sen eine Anla­ge ihrer “Not­gro­schen” zu ermöglichen.

Über­all in Deutsch­land ent­stan­den Spar­kas­sen, die meis­ten im begin­nen­den 19. Jahr­hun­dert. Zur Armuts­be­kämp­fung waren die Spar­kas­sen aber nur bedingt geeig­net. Denn wer so arm war, dass er sei­nen Lebens­un­ter­halt nicht selbst bestrei­ten konn­te, der konn­te auch nicht spa­ren. Die Kun­den der Spar­kas­sen waren daher nicht die „Bet­tel­ar­men“, son­dern die­je­ni­gen, die ein Ein­kom­men über dem Exis­tenz­mi­ni­mum besa­ßen. Und das waren eben im Ver­lauf des 19. Jahr­hun­derts neben Hand­werks­ge­sel­len, Kauf­manns­ge­hil­fen und Dienst­bo­ten auch immer mehr Industriearbeiter.

Am 12. Dezem­ber 1838 erfolgt der Erlass des ers­ten Spar­kas­sen-Regle­ments Deutsch­lands, die so genann­te „Aller­höchs­te Kabi­netts­or­der betr. Erlaß des Spar­kas­sen­re­gle­ments“ durch die preu­ßi­sche Regie­rung im Namen des Königs. Es ist qua­si das Grund­ge­setz des Spar­kas­sen­we­sens. Dar­in heißt es unter ande­rem: “Um end­lich dem Haupt­zweck der Spar­kas­sen, einer weit­ge­hen­den Benut­zung sei­tens der ärme­ren Klas­sen, Vor­schub zu leis­ten, muß der gerings­te Betrag, wel­chen die Anstalt ent­ge­gen­nimmt, so nied­rig wie mög­lich bestimmt werden“.

Die Stadt Lüne­burg grün­de­te ihre Spar­kas­se 1834, die Geschäfts­räu­me befan­den sich in den Anfangs­jah­ren im Rat­haus der Stadt.

Am Markt 2

Im Jah­re 1543 wird das Eck­haus (heu­te das Gebäu­de Am Markt 2) an der ehe­ma­li­gen Mün­ze in Lüne­burg errich­tet. 1709 ist die Haus­front so bau­fäl­lig, dass sie saniert wer­den muss.

Am Markt 2

1873 wur­de die Vor­der­front aber­mals einer Sanie­rung unter­zo­gen und hier­bei das Aus­se­hen ver­än­dert. Nun beher­berg­te das Gebäu­de die dama­li­ge Raths­schän­ke bis 1927 schließ­lich die Haupt­stel­le der Stadt­spar­kas­se Lüne­burg hier einzog.

Am Markt 2

Als sich das Gebäu­de 1963 aber­mals in einem deso­la­ten Zustand befand, ent­schloss man sich zu einem schlich­ten Neu­bau. Anfang der 1980er Jah­re bekam das Briefkopf der ehemaligen Stadtsparkasse LüneburgSpar­kas­sen­ge­bäu­de sein heu­ti­ges Gesicht, auch von innen wur­de alles umfang­reich moder­ni­siert. Durch einen Anbau stan­den wei­te­re Büro­räu­me, eine Tief­ga­ra­ge und ein gro­ßer Tre­sor­raum zur Verfügung.

Das Jahr 1990 brach­te für die Stadt­spar­kas­se Lüne­burg eine Zäsur, sie fusio­nier­te mit der Kreis­spar­kas­se Lüne­burg. Aus bei­den Spar­kas­sen ging die Spar­kas­se Lüne­burg hervor.

Vor eini­gen Tagen hat sich die Spar­kas­se Lüne­burg von dem Gebäu­de getrennt. Bald wird wohl nur noch ein gro­ßer gemau­er­ter Tre­sor im Kel­ler dar­an erin­nern, dass hier die Stadt­spar­kas­se Lüne­burg fast 85 Jah­re lang ihre Geld­ge­schäf­te tätig­te, jun­ge Men­schen aus­bil­de­te und vie­len Ange­stell­ten einen Arbeits­platz bot.

Quel­len:
Die Spar­kas­sen­ge­schich­te als pdf-Datei

Flussbadeanstalten an Ilmenau und Neiße

Jetzt, wo der Som­mer bald dem Herbst wei­chen wird, den­ke ich zurück an mei­ne Kind­heit. Erin­ne­run­gen an hei­ße August­ta­ge in der zwei­ten Hälf­te der 50er Jah­re tau­chen auf, Tag­träu­me an Bege­ben­hei­ten, die ich längst in schwar­zen Löchern der Zeit ver­schüt­tet wähnte:

Wie oft war ich mit mei­nem Bru­der in die­sen Jah­ren in der Bade­an­stalt. Ja, damals hieß es noch “Bade­an­stalt”. Es gab kei­ne Hal­len­bä­der und auch kei­ne Frei­bä­der mit Schwimm­be­cken. Nein, man bade­te in der Ilmen­au, so wie es schon unse­re Eltern und Groß­el­tern taten. Im Nach­lass mei­nes Groß­va­ters fand ich vor vie­len Jah­ren ein paar schö­ne alte Fotos.

Hier sieht man die Flussbadeanstalt Halvensleben für Damen und HerrenAn der Ilmen­au gab es die Fluss­ba­de­an­stal­ten Hal­vens­le­ben und – wei­ter fluss­auf­wärts –Koop. Auf dem Bild sieht man die “Hal­vens­le­ben­s­che Fluss­ba­de­an­stalt für Damen und Her­ren”. Die Gebäu­de auf dem Bild waren in den 1950er Jah­ren aller­dings nicht mehr vor­han­den. Aber es gab noch eine Boots­ver­mie­tung und Falt­boot­fah­rer – Was­ser­wan­de­rer – fan­den hier eine Mög­lich­keit zu über­nach­ten. Mit dem Motorboot "Ilmenau" fuhr man zum Kaffeetrinken zum Petersberg oder zu Roten SchleuseIm Som­mer leg­te hier täg­lich das moto­ri­sier­te Aus­flugs­boot “Ilmen­au” an und nahm sei­ne Pas­sa­gie­re auf. Man fuhr zu den an der Ilmen­au lie­gen­den Ausflugslokalen. 

längst vergessenene Damenbadeanstalt in Lüneburg an der IlmenauSo zogen wir also wäh­rend der Feri­en­zeit mit­tags los. Bar­fuß natür­lich, damit die Schu­he geschont wer­den. Wie oft stie­ßen wir unse­re Zehen an den schie­fen Plat­ten der Bür­ger­stei­ge blu­tig. Oder ein ros­ti­ger Nagel ver­irr­te sich in unse­ren Fuß. 

Wer einen alten auf­ge­bla­se­nen Auto­rei­fen besaß, der konn­te sich glück­lich schät­zen. Der wur­de sich über die Schul­ter gehängt, die Tasche mit den Badeu­ten­si­li­en (man­gels Bade­ho­se nahm ich die Turn­ho­se) in die Hand und zehn Pfen­ni­ge Ein­tritts­geld gut ver­wahrt in der Hosen­ta­sche. Nach einer hal­ben Stun­de Fuß­weg erreich­ten wir die Bade­an­stalt Hal­vens­le­ben an der Ilmen­au in Lüne­burg. Auf einer Wie­se berei­te­ten wir unse­re Woll­de­cke aus, und dann ging es gleich ab zum Was­ser. Die Ilmen­au war hier aller­dings so tief, dass nur schwimm­tüch­ti­ge Was­ser­rat­ten hin­ein durf­ten. Natür­lich sprang auch ich – obwohl des Schwim­mens nicht mäch­tig — in die Ilmen­auf­lu­ten, den ret­ten­den Auto­rei­fen dabei fest umklammert. 

Wer schwim­men konn­te, spar­te sich das Ein­tritts­geld. Er schlich sich ein­fach auf der ande­ren Fluss­sei­te an das Ufer und durch­quer­te schwim­mend den Fluss. Die­sen ver­ließ er am Steg der Badeanstalt. 

Bereits Anfang der 1960er Jah­re nahm die Ver­schmut­zung der schnell flie­ßen­den Ilmen­au durch Indus­trie­ab­wäs­ser der­art zu, dass nach und nach alle Fluss­ba­de­an­stal­ten schlie­ßen mussten.

 

Die­se Fluss­ba­de­an­stal­ten gab es damals über­all in Deutsch­land, so auch in Gör­litz an der Nei­ße. In der Stadt­BILD Aus­ga­be vom August 2011 fin­det man die abge­druck­ten Jugend­er­in­ne­run­gen des Herrn A. Bischof, der sei­ne Jugend­jah­re in Gör­litz verbrachte:

Viadukt und Fußgängerstege um 1910Für uns Gör­lit­zer begann die Nei­ße oft schon ein gan­zes Stück fluss­ab­wärts, denn es war ein belieb­ter Sonn­tags­aus­flug, eine Wan­de­rung durch das roman­ti­sche Nei­ße­tal zu unter­neh­men. Man fuhr mit der Eisen­bahn zum Bei­spiel bis zur Hal­te­stel­le Roh­nau oder bis Rosen­thal und wan­der­te dann an der Nei­ße fluss­ab­wärts bis zum Klos­ter Mari­en­thal. Dort konn­te man in der Gast­stät­te gut spei­sen. Nach Hau­se ging es wie­der mit der Bahn.

Wanderweg an der Neiße um 1910Zu den belieb­ten Frei­zeit­be­schäf­ti­gun­gen in den 20er und 30er Jah­ren gehör­ten also Spa­zier­gän­ge am Nei­ßeu­fer, meist von der Ober­müh­le bis zum Wein­berg­haus, Kahn­fahr­ten und — an war­men Tagen — natür­lich das Baden. Käh­ne ver­schie­de­ner Grö­ße konn­te man aus­lei­hen am lKahnstation amViadukt um 1920inken Ufer ober­halb des Weh­res an der Ober­müh­le. Wer sich das Rudern spa­ren woll­te, konn­te sich auch sta­ken las­sen.

Badeanstalt an der Weinlache um 1920Es gab zwei Bade­an­stal­ten, ein­mal die grö­ße­re Anla­ge an der Wein­la­che unter­halb des Wein­ber­ges und dann das Städ­ti­sche Frei­bad am rech­ten Ufer zwi­schen dem Via­dukt und der Rei­chen­ber­ger Brü­cke. Das Wein­la­chen­bad war grö­ßer, idyl­li­scher und hat­te eine schö­ne Lie­ge­wie­se. Das Frei­bad war ein­fa­cher, besaß zwei Steg­an­la­gen, eine für zivi­le Nut­zung und eine für das Mili­tär. Dort wur­de den Sol­da­ten Kahnstation an der Obermühle um 1910das Schwim­men bei­gebracht, wobei wir Jungs gern zusa­hen, denn man­che Sol­da­ten waren was­ser­scheu und stell­ten sich ziem­lich blöd an. Natür­lich woll­ten wir mög­lichst bald Schwim­men ler­nen, um die Bade­freu­den unein­ge­schränkt genie­ßen zu kön­nen. Also war es unser Ziel, früh­zei­tig das Frei­schwim­mer-Zeug­nis zu erhal­ten. Der Bade­meis­ter Ull­rich im Frei­bad war ein guter Schwimmlehre.

Auf der Neiße herrschte reger Bootsverkehr um 1910Als ich als Sex­ta­ner an das Reform-Real­gym­na­si­um kam, wur­den wir Was­ser­be­geis­ter­ten für den Schü­ler-Ruder­klub “Aska­nia” gewor­ben. Die­ser ver­füg­te über ein Dut­zend Pad­del­boo­te, Einer und Zwei­er, die zunächst in einem Schup­pen bei der Fuß­gän­ger­brü­cke unter­ge­bracht waren. Spä­ter konn­ten wir unse­re Boo­te im Tur­bi­nen­haus an der Alt­stadt­brü­cke lagern. Das hat uns nicht so gut gefal­len, denn der schö­ne­re Teil der Nei­ße begann eigent­lich ober­halb des Weh­res der Ober­müh­le, obgleich die Fahrt vor­bei an den alten Ger­ber­häu­sern auch roman­tisch war.

Kahnstation mit Mühle und Wehr, 1930Reiz­vol­ler für uns war die Nei­ße ober­halb der Ober­müh­le und an den Leschwit­zer Wie­sen, wo unser Ruder­klub ein Stück Land gepach­tet hat­te. Dort konn­te man pri­ma baden. Manch­mal pad­del­ten wir bis zum Leschwit­zer Wehr, an dem Baden beson­de­ren Spaß machte. 

Auch im Win­ter konn­te ein Spa­zier­gang am Nei­ßeu­fer reiz­voll sein. Wenn man bis zum Wein­berg­haus ging, gab es dort einen Glüh­wein zum Auf­wär­men. Im Som­mer bot die tra­di­ti­ons­rei­che Aus­flugs­gast­stät­te “Nei­ße-Insel” ange­neh­men Auf­ent­halt im Frei­en unter einem herr­li­chen Baum­be­stand. Am Abend wur­de getanzt, bei Live-Musik und Illu­mi­na­ti­on. Die Besu­cher kamen mit dem Boot oder über die eiser­ne Fuß­gän­ger­brü­cke, die bei­de Nei­ßeu­fer ver­band. Ich erin­ne­re mich, dass zu den Wein­la­che-Fes­ten die gan­ze Neiß­epar­tie fest­lich beleuch­tet war. 

Noch eine Gast­stät­te an der Nei­ße muss erwähnt wer­den, die “Eis­kel­ler-Bau­de”, idyl­lisch und bei­na­he etwas ver­steckt direkt unter­halb der Akti­en­braue­rei gele­gen. Für uns Jun­gen war aber das unmit­tel­bar dane­ben lie­gen­de Boots­haus inter­es­san­ter, das damals dem Was­ser­sport­ver­ein “Wed­di­gen” gehör­te, mit einem gro­ßen Boots­kel­ler unter der Gast­stät­te und einem brei­ten Steg. Ganz in der Nähe lei­te­te die Akti­en­braue­rei Abwas­ser in die Nei­ße ein. Es war warm und roch ange­nehm nach Malz und war ein Tum­mel­platz für Fische und Angler.

Der Weg der Nei­ße durch Gör­litz. Am obe­ren Bild­rand die­ser alten Luft­auf­nah­me aus den 20er Jah­ren ist die Ruh­mes­hal­le zu erken­nen. Der Via­dukt und die eiser­ne Fuß­gän­ger­brü­cke sind nicht zu sehen. Dar­un­ter die Rei­chen­ber­ger Brü­cke. Dann die Fuß­gän­ger­brü­cke Lin­den­weg-Pra­ger Stra­ße, die Alt­stadt­brü­cke und die Fuß­gän­ger­brü­cke zwi­schen dem Niko­lai-Gra­ben und der Stra­ße “Auf den Blei­chen”. So vie­le Mög­lich­kei­ten gab es damals, die Nei­ße tro­cke­nen Fußes zu überqueren. 

Soweit der Bericht von Herrn A. Bischof.

Nach dem Zwei­ten Welt­krieg war auch die Nei­ße­ba­de­an­stalt nicht mehr nutz­bar. Unter­halb des Wein­ber­ges ver­sam­mel­ten sich damals scha­ren­wei­se die Bür­ger und bau­ten sich in zahl­lo­sen frei­wil­li­gen Ein­sät­zen mit Spa­ten, Hacke, Schau­fel und Lore ihr neu­es Volks­bad. Schon 1950 zog das Bad so vie­le Bade­lus­ti­ge an, dass es schon bald um eine Kahn­sta­ti­on erwei­tert wur­de. Natür­lich kam auch ein Imbiss hin­zu und Spiel­ge­rä­te und Strand­kör­be, wie es sie an den Ost­see­strän­den gibt. Lei­der wur­de in den 1980er Jah­ren die Was­ser­qua­li­tät so schlecht, dass auch hier der Bade­be­trieb schließ­lich ein­ge­stellt wer­den muss­te. Aber die älte­ren Gör­lit­zer erin­nern sich noch heu­te gern an jene Zeit zurück.